Kategorie Innovation & Technologie - 19. April 2018

Mobilitätswende 2030: Ländertour geht weiter

 

Vor einem Monat riefen wir an dieser Stelle zum Aufbruch in die Mobilität der Zukunft. Mit einer Zukunftskonferenz am 8. März 2018 hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT), den Bundesländern, den Kommunen und vielen weiteren Stakeholdern einen Prozess zur Erreichung der Klimaziele in der Mobilität gestartet. Die Konferenz zur Mobilitätswende Österreich 2030 ist als Initialzündung und Eckpfeiler auf dem Weg zu einer Mobilität der Zukunft gleichermaßen zu betrachten.

Sie war darüber hinaus aber auch der Auftakt zu einer Reihe an weiteren Veranstaltungen, die das weitere Vorgehen als gemeinsamen, transparenten und dialogorientierten Prozess hin zu einem Aktionsplan „Wettbewerbsfähige und saubere Mobilität 2030“ begleiten. Anfang April fanden bereits in den Bundesländern Kärnten (5. April), Tirol (10. April) und Vorarlberg (11. April) Workshops und Diskussionsrunden dazu statt. Nun ging die Tour nach Salzburg (18. April) und Oberösterreich (19. April).

Die Bundesländertour dient auch dazu, den kürzlich präsentierten Entwurf einer integrierten Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung unter dem Motto #mission2030 und damit zusammenhängende Prozesse vorzustellen sowie die spezifischen Herausforderungen in den Regionen und Städten zu thematisieren, um weitere Lösungsansätze gemeinsam zu finden. Darüber hinaus werde man die spezifischen Stärken der Bundesländer herausarbeiten, welche die Mobilitätswende unterstützen können.

Das Ziel 2030 als nächste festgelegte Etappe zur Dekarbonisierung – also hin zu einem kohlenstoffarmen oder gar -freien Wirtschafts- und Verkehrssystem – ist durch das Pariser Klimaabkommen und die Klimaziele der EU festgelegt: Für Österreich bedeutet es bis dahin eine CO2-Emissionsreduktion von minus 36 Prozent gegenüber 2005 (für Emissionsquellen außerhalb des Emissionshandels) zu erreichen – bisher wurden acht Prozent geschafft. Für den Hauptverursacher von CO2 – den Verkehrssektor – stellen die Senkung der Emissionen angesichts des in den letzten Jahren immer weiter ansteigenden Aufkommens ein besonders herausforderndes Ziel dar, betonte auch Bundesminister Norbert Hofer. Der Lösungsansatz dafür: Nicht nötige Verkehre vermeiden – Verlagerung auf effizientere Verkehrsmittel – Verbessern von bestehenden Technologien.

Die Situation in Salzburg

Gastgeber des Salzburger Workshops war Christian Nagl, Landesbaudirektor des Landes Salzburg, der diesen auch eröffnete. Die Ministerien wurden von Iris Ehrnleitner (BMNT) und Hans-Jürgen Salmhofer (bmvit) vertreten. Das Teilnehmerfeld kam aus diversen Bereichen der Landesverwaltung, des Landes Salzburg sowie von Bürgermeistern und Verkehrsplanern zusammen. Interessenverbände (u.a. WKÖ, AK, IV, ÖAMTC, Forum Mobil), Verkehrstriebe sowie Forschungsorganisationen wie Salzburg Research und die Universität Salzburg waren ebenfalls vertreten, so dass rund 30 Expertinnen und Experten an der Veranstaltung beteiligt waren.

 

Bei der Eröffnung betonte Christian Nagl die Bedeutung des angestoßenen Prozesses und die wichtige Einbindung aller Bundesländer, die ja nunmal ein Teil des Bundes seien und ohne deren Zusammenwirken der Prozess nur schwer zu gestalten wäre. Seine Erfahrungen mit aktuellen Projekten zur Mobilitätswende verdeutlichte er anhand eines Beispiels aus seiner Heimatgemeinde Gmunden in Oberösterreich. Dort wurde gerade als „Jahrhundertprojekt“ das historische Straßenbahnnetz revitalisiert und ausgebaut. Für die Umsetzung solcher Maßnahmen und deren Finanzierung brauche man immer auch einen langen Atem.

Christian Nagl präsentierte im Anschluss auch das Landesmobilitätskonzept salzburg.mobil 2025, welches 2016 auf den Weg gebracht wurde. In dieses Konzept flossen über einen BürgerInnenrat die Bedürfnisse und Ideen der Menschen mit ein.

Das vorrangige Ziel für Salzburg: eine Reduzierung des Individualverkehrs im Modal Split um vier Prozentpunkte von 49 auf 45 Prozent bis 2025. Dabei sollen zwei Prozentpunkte zum Öffentlichen Verkehr (ÖV) und nochmal zwei Prozent in den Radverkehr fließen. Insgesamt ist ein breiter Maßnahmenmix (mit insgesamt 85 Maßnahmen) zur Erreichung dieser Ziele vorgesehen, wobei Raumplanung und Verkehr unter einen Hut zu bringen, als Hauptaufgabe angesehen wird. Erstmals sei es aber gelungen, mehr für den ÖV auszugegeben als für den Straßenverkehr (derzeit 60 Prozent ÖV, 40 Prozent Straße). Der weitere Ausbau von Anreizen sowie der Infrastruktur für Radfahrer und Radfahrerinnen steht dabei ebenso im Fokus. Fun Fact: Eine Umfrage zu Beginn ergab, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit dem Rad angereist kam.

Die Herausforderugen für das Land Salzburg

  • Die vordergründigen Themen im Workshop waren einerseits die großen verkehrlichen Herausforderungen im Salzburger Zentralraum, als auch die notwendige Erschließung des ländlichen Raums mit öffentlichen Verkehrsangeboten. Der ÖV habe ein Imageproblem, hier brauche es attraktive Angebote, bspw. eine landesweite Mobilitätskarte, einen Ausbau der Infrastruktur aber auch legistische Anpassungen. Genannt wurden zum Beispiel eine flexiblere Stellplatzregelung, aber auch flexiblere Rahmenbedingungen, um Mikro-ÖV Systeme zu erleichtern.
  • Insbesondere die Raumplanung wurde immer wieder als ein zentrales Element angesprochen. Diese habe in den letzten Jahrzehnten zu einer Zersiedelung und so zu großen verkehrlichen Problem geführt. Auch die hohen Wohnkosten in der Stadt Salzburg führen dazu, dass viele Menschen auf den vergleichsweise günstigeren Speckgürtel rund um Salzburg ausweichen. Hier sollten Wohnstandorte und Arbeitsplätze besser miteinander verknüpft sowie ein leistbares Wohnangebot geschaffen werden.
  • Im Radverkehr ist Salzburg Radfahrbundesland  Nummer Zwei, direkt hinter Vorarlberg. Hier gebe es viele positive Beispiele wie den Salzach-Radweg, aber auch Nachholbedarf, etwa durch Flexibilisierungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen, um das Radfahren noch attraktiver zu gestalten.
  • Der Tourismus im Land Salzburg ist ein wichtiger Faktor, der ebenfalls einige Positivbeispiele im ganzen Land hervorgebracht hat –  Werfenweng fand dabei als Vorzeigeregion „Sanfte Mobilität“ Erwähnung. Diese nachhaltigen Tourismusregionen müssten aber viel besser miteinander verknüpft werden, um Gästen ein nahtloses und damit attraktives Angebot bieten zu können.
  • Die Finanzierung der Mobilitätswende stand auch in Salzburg an vielen Stellen im Mittelpunkt der Diskussionen: Es herrsche eine Unterfinanzierung des ÖV. die man vor allem mit neuen Prioritäten begegnen sollte. Wichtig dabei seien auch die Herstellung von Kostenwahrheit, die Nutzung alternativer Finanzierungsformen oder die Einbeziehung der Verursacher in die Problemlösung.

Weiter in Oberösterreich

In Oberösterreich war es Landesrat Günther Steinkellner, der am 19. April zum Workshop einlud und die Veranstaltung auch eröffnete. Die Ministerien wurden erneut von Iris Ehrnleitner (BMNT) und Hans-Jürgen Salmhofer (bmvit) vertreten. Die über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen auch hier aus diversen Bereichen der Landesverwaltung, des Landes Oberösterreich, Verbänden und Institutionen zusammen. Dazu zählten in der Landeshauptstadt die Mobilitätsclubs ÖAMTC und ARBÖ, Energie AG Oberösterreich, Linz AG, Stadt Linz (Verkehrsstadtrat Markus Hein), Stadt Wels, Linz Linien AG, ÖBB Infrastruktur und Personenverkehr, ÖBB Postbus, ASFINAG, das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz und der Ennshafen.

Günther Steinkellner verwies in seinem Eröffnungsvortrag auf die Bedeutung der Schiene, die als Säule der Mobilität künftig eine Hauptlast zu stemmen habe. Der regionalen Zersplitterung wolle er mit flexiblen Rufbussen und auch – vorerst als näherrückende Vision – mittels Autonomen Busse entgegenwirken. Ebenso müsse das seit Ende 2016 bestehende S-Bahn-System im Großraum Linz vorangetrieben werden. Um in den Bahnbereich zu investieren, seien aber zusätzliche Mittel von Nöten. Es müssten jetzt Beschlüsse gefasst werden, damit bis 2030 eine leistungsfähige ÖV-Infrastruktur zur Verfügung steht.

Günther Bsirsky und Stefan Holzer , beide vom Land Oberösterreich, Abteilung Gesamtverkehrsplanung und öffentlicher Verkehr, stellten danach das Gesamtverkehrskonzept für den Großraum Linz vor, welches bereits seit 2013 existiert. In diesem Ballungsraum, dem zweitgrößten Österreichs, findet 50 Prozent des gesamten Verkehrsaufkommens Oberösterreichs statt und wird vor allem auch vom Pendlerverkehr dominiert. Ziel des Konzepts ist es, das starke Wachstum des Autoverkehrs abzufangen und die Zuwächse im Umweltverbund zu übernehmen. was natürlich nur mittels Kooperationen im Verkehrsbereich funktionieren kann. Bestandteil des Konzepts sind auch Radhauptrouten, die rund um Linz neu definiert werden. Darüber hinaus wird derzeit ein Mobilitätsleitbild erstellt, das gemeinsam von Land Oberösterreich und der Stadt Linz erarbeitet wurde und kurz vor dem Beschluss steht.

 

Große Zuwächse im Bereich E-Mobilität sind in Oberösterreich zu beobachten, wenn auch auf niedrigem Niveau. Auch alternative Antriebe mit Wasserstoff und Flüssigerdgas (LNG) sind dabei im Kontext der starken oberösterreichischen Fahrzeugwirtschaft nicht außer Acht zu lassen. Ein Problemfeld ist der ländliche Raum, der latent von Zersiedelung betroffen ist, wobei von den Bezirkshauptstädte nach wie vor eine starke zentralörtliche Wirkung ausgeht. Regionalverkehrskonzepte werden in Oberösterreich momentan evaluiert, auch um den Mikro-ÖV stärker einzubinden, damit dieser zur Grundversorgung als Ergänzung zum ÖV beitragen kann. Auch die großen Achsen des Öffentlichen Verkehrs bieten eine gute Ausgangslage, um die Menschen großflächig abzuholen. Eine Vorausetzung dafür sei auch der Erhalt aller Regionalbahnen. Priorität hat außerdem der Ausbau des Schienenverkehrs in den Ballungsräumen, besonders natürlich im Großraum Linz, wobei die Finanzierungsmöglichkeiten größtenteils unklar sind.

Daraus lassen sich für das Land Oberösterreich folgende Herausforderungen ablesen:

  • Die am häufigsten genannte Problematik ist das Stauproblem im Zentralraum Linz, das insbesondere durch die hohe Zahl an Einpendlern mit dem Auto verursacht wird. Pendlerverkehr werde es aber immer geben, da die große Anzahl an Arbeitsplätzen im Zentralraum die Einwohnerzahl von Linz übersteigt. Deshalb brauche es leistungsfähige ÖV-Achsen, um diese Pendlerströme zu bewältigen. OÖ sei gut vorbereitet, Verwaltung und Politik können bereits gut abschätzen, wo es zusätzliche Infrastruktur braucht. Die ÖV-Ausbaupläne liegen auf dem Tisch, einzig die Finanzierung ist in vielen Bereichen noch nicht gesichert.
  • Die Zersiedelung war auch in Oberösterreich ein Thema. Hier brauche es mehr gemeindeübergreifende Raumplanung und konkretere gesetzliche Vorgaben. Damit könnte Verkehr vermieden und regionale Versorgungszentren gestärkt werden.
  • Auch dem Aspekt der Verhaltens- und Bewußtseinsänderung widmete sich eine Arbeitsgruppe im Detail. Es herrsche eine fehlende Rücksichtnahme zwischen den Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmmern, man selbst betrachte sich jedoch nie als Teil des Problems (Stichwort: Der Stau sind immer die Anderen). Auch gebe es ein Informationsdefizit im ÖV. Hier brauche es eine neue Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme, die insbesondere durch Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen erreicht werden könne.
  • Für die Lösung der verkehrlichen Herausforderung ist ein gemeinsamer politischer Schulterschluss notwendig. Der Workshop machte deutlich, dass ein Problembewusstsein in Oberösterreich sehr ausgeprägt ist und alle Beteiligten erkannt haben, dass es neue Wege und Lösungen braucht.
  • Zur Lösung könne man auf viele starke und innovative Unternehmen, Universitäten und Fachhochschulen in Oberösterreich bauen. Es gäbe viel Verlagerungspotential, im Wirtschaftsverkehr beispielsweise auch auf die Wasserstraße Donau.

Der Ennshafen © CTE GesmbH.

Die Themenlage scheint in Oberösterreich den restlichen Bundesländern nicht unähnlich. Sehr hohe Relevanz hat im Land jedoch das Stauproblem im Zentralraum Linz, das insbesondere durch die hohe Zahl an Einpendlern mit dem Auto verursacht wird. Folgerichtig müßte auch der Besetzungsgrad, der bei den Einpendlern nach Linz nur rund 1,1 Personen betrage, auf den Prüfstand gestellt werden. Hier sind Initiativen geplant, um das Mitfahren zu fördern und damit die Anzahl der Pkw zu reduzieren.

Moderiert werden alle Veranstaltungen von Birgit Baumann (BusinessMind). Noch diesen Monat geht es weiter auf den Stationen Wien, Niederösterreich und der Steiermark. Die Tour durch die Länder endet im Mai im Burgenland. An dieser Stelle erwarten Sie dann auch alle Informationen aus den nächsten Workshops.

Nachlese: Die Ergebnisse der Tour #mission2030 für Kärnten, Tirol und Vorarlberg.

 

INFObox: Der Wandel im Verkehrssektor ist bereits im vollem Gange. Klimaschutz, Digitalisierung und Automatisierung sind die grundlegenden Faktoren, die unsere Mobilität erheblich beeinflussen werden. Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) zeigt mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) Wege, wie diese Transformation als eine der dringendsten Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich und leistbar umgesetzt werden kann, um ein sauberes, sicheres, und wettbewerbsfähiges Mobilitätssystem für Österreich zu entwickeln.