Kategorie Innovation & Technologie - 11. Januar 2021

Verjüngungskur für Straßen: Neues CD-Labor will Bitumen optimal altern lassen

Forschung an der TU Wien soll helfen, Alterung des Werkstoffs zu verlangsamen und altes Bitumen zu regenerieren und zu recyceln

Schlaglöcher, Risse, poröse Oberfläche: Auch Straßen können altern, mitunter schneller als uns und Straßenbetreibenden lieb ist. Die Hauptursache dafür sind Veränderungen im Material Bitumen. Das klebrig-schwarze Erdölprodukt ist der wesentliche Bestandteil im Asphalt und fungiert dort als Bindemittel. Das aus Erdöl gewonnene Bitumen verändert seine Eigenschaften je nach Temperatur und Belastung stark. Bei großer Hitze fließt es wie Honig, bei großer Kälte ist es spröde und hart wie Eis. Auch der Kontakt mit Luft oder UV-Strahlung lässt Bitumen altern.

Nein, keine Hubble-Aufnahme, sondern die Mikrostruktur von Bitumen, die sich Forschende des CD-Labors nun genau anschauen, um mehr über das Material zu erfahren. © TU Wien

„Zirka 85 Prozent des Bitumen wird im Bereich Straßenbau und Straßenerhaltung eingesetzt und etwa 15 Prozent für Abdichtungsmaterialien im Ingenieurbau“, so Markus Spiegl von der OMV. Der stetig zunehmende Schwerverkehr und die steigenden Temperaturen im Sommer stellen ihm zufolge das Bauwerk Straße und den Baustoff Asphalt vor neue Herausforderungen.

Ein neues Christian Doppler(CD)-Labor an der Technischen Universität (TU) Wien will die zum Teil noch mit Methoden aus dem 19. Jahrhundert arbeitende Forschung an dem Werkstoff ins 21. Jahrhundert bringen. Gemeinsam mit Unternehmenspartnern wollen die Forscher Bitumen besser verstehen, es optimieren und nach Möglichkeiten suchen, altes Bitumen zu regenerieren und zu recyceln.

Um besser zu bewerten, welches Bitumen sich für welchen Einsatzzweck eignet, wie das Material möglichst unbeschadet jahrzehntelang bestehen und sein Recycling am besten gelingen kann, wurde an der TU Wien kürzlich das neue „CD-Labor für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien“ eröffnet. Ziel sei, ein grundlegendes Verständnis des Zusammenspiels zwischen Zusammensetzung, Struktur und mechanischem Verhalten von Bitumen zu gewinnen.

 

„Es gibt heute noch Methoden für die Untersuchung von Asphalt und Bitumen, die schon seit dem 19. Jahrhundert angewendet werden – etwa genau definierte Belastungsversuche mit Nadeln, um den Härtegrad des Materials zu bestimmen“, erklärte Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften, der gemeinsam mit Hinrich Grothe vom Institut für Materialchemie das Labor leitet.

Mikrorisse per Scanner aufspüren

Geschädigtes Bitumen mit nicht mit freiem Auge sichtbaren Mikrorissen könne laut Hofko zu einem gewissen Grad wieder geheilt werden, indem bei höheren Temperaturen die Risse wieder geschlossen werden.

Im Labor sollen dafür auch gezielt Zusatzstoffe entwickelt werden, die Alterungserscheinungen regenerieren und die Lebensdauer von Bauwerken verlängern sollen. Dazu müsse die Mikrostruktur von Bitumen genau erfasst werden, was bei einem schwarzen Material grundsätzlich eine Herausforderung darstellt, wie Hofko erklärt. Da Bitumen bei Lichteinstrahlung jedoch von selbst leuchtet (Autofluoreszenz), könnte sein Zustand künftig auch abseits des Labors und direkt auf der Straße ermittelt werden. Zum Einsatz soll auch ein mobiler Fluoreszenz-Scanner kommen.

Der Scanner zur Qualitätskontrolle von Bitumen regt nacheinander die Autofluoreszenz des organischen Materials auf drei verschiedenen Wellenlängen an und misst auf einer vierten, längeren Wellenlänge die jeweiligen Antworten, die mit einer Datenbank abgeglichen werden. „Es sind Harze und kleine aromatische Verbindungen, die besonders stark fluoreszieren und gleichzeitig empfindlich auf die Alterung reagieren“, so Hofko. Die Konzentrationen dieser Verbindungen korrelieren mit den Signalintensitäten des Scanners und liefern so einen Kennwert für den Alterungszustand des Bindemittels.

Die Wissenschafter wollen die Forschung so „auf den High-Tech-Stand des 21. Jahrhunderts bringen“, um fundierteres Wissen über den Werkstoff zu sammeln. Das soll einerseits helfen, die Alterung zu verlangsamen und haltbareren Asphalt zu ermöglichen, andererseits soll es auch gelingen, altes Bitumen zu regenerieren und zu recyceln.

Asphalt künftig je nach Qualität auf höchster Stufe wiederzuverwenden, sei deshlab eines der vornehmlichen Ziele. Asphalt ist zu 100 Prozent recyclebar, hält Markus Spiegl fest. In Österreich und in der EU würden heute schon unter bestimmten Bedingungen Ausbauasphalt beim Bau einer neuen Straße beigemischt. Dies hänge von verschiedenen Faktoren ab, wie der Qualität des Ausbauasphalts, der Mischanlagentechnologie und der Verträglichkeit des Ausbauasphalts mit dem neuen Bindemittel.

Der Anteil an Ausbauasphalt werde voraussichtlich in den nächsten Jahren steigen, mit dem Ziel, hohe Qualität, nachhaltige Bauweise und eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu fördern. „Mit einer geeigneten Analytik kann man hier einen wichtigen Beitrag liefern und feststellen, welche Komponenten dem gealterten Bitumen fehlen und man kann diese gezielt wieder zusetzen“, so Hinrich Grothe vom CD-Labor.

In den von der Christian Doppler Gesellschaft (CDG) für jeweils sieben Jahre genehmigten CD-Laboren kooperieren Wissenschafter mit Unternehmen im Bereich anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Das Budget kommt dabei jeweils zur Hälfte von der öffentlichen Hand und den Unternehmenspartnern. Das sind im konkreten Fall die OMV, Villas Austria und Pittel+Brausewetter.

apa/red