Kategorie Innovation & Technologie - 18. Dezember 2019

CHEOPS: Der Exo-Planeten-Versteher ist gestartet

Es war dann doch ein Bilderbuchstart. Nach eintägigem Bangen und einer 24-stündigen Verzögerung aufgrund von Software-Problemen vor dem Start der CHEOPS-Mission, hob die Sojus-Trägerrakete heute, 18. Dezember 2019, pünktlich vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana ins All ab.

© ESA

CHEOPS ist ein europäisches Weltraumteleskop und wird zur Erkundung von Exo-Planeten eingesetzt, eine Art Planetenjäger, oder vielmehr ein Exo-Planeten-Versteher, der von der Europäischen Weltraumagentur ESA ins All geschickt wurde. CHEOPS soll keine neuen Planeten entdecken, sondern bereits bekannte genauer erforschen. Mit an Bord ist auch Know-how und Technik aus Österreich. Mit an Bord der selben Rakete ist der an der TU Graz entwickelte Kleinsatellit OPS-SAT mit einer Reihe weiterer Nano-Satelliten.

Seit die heurigen Physik-Nobelpreisträger Michel Mayor und Didier Queloz von der Universität Genf im Jahr 1995 den ersten Planeten nachgewiesen haben, der um einen anderen Stern rotiert, folgte die Entdeckung Tausender weiterer Exo-Planeten. Auf diese bereits bekannten Planeten wird die neuen Mission CHaracterizing ExOPlanets Satellite (CHEOPS), die unter der wissenschaftlichen Leitung von Queloz steht, verstärkt ein Auge werfen. Es handelt sich um die erste Mission unter gemeinsamer Leitung der ESA und der Schweiz.

Späher auf Exo-Planeten

Der Kleinsatellit wurde unter der Leitung der Universität Bern von einem internationalen Konsortium entwickelt und gebaut. Das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zeichnet für einen der beiden Bordrechner des Kleinsatelliten verantwortlich, der den gesamten wissenschaftlichen Datenverkehr abwickelt und auch die thermische Kontrolle des Teleskops übernimmt. Auch das Institut für Astrophysik der Universität Wien und RUAG Space Austria sind beteiligt.

Nach elf Jahren Vorbereitung wurde die Sonde nun in die polare Umlaufbahn in rund 700 Kilometern Höhe befördert. Von dort aus soll der Satellit mit seinem 30-Zentimeter-Teleskop während der geplanten Laufzeit der Mission von dreieinhalb Jahren rund fünfhundert Sterne mit Exo-Planeten im Massebereich zwischen Erde und Neptun (Supererden) bis zu Gasriesen im Jupiter-Größe untersuchen.

Ziel ist es, sogenannte Transits zu beobachten, also das Vorbeiziehen des Planeten vor seinem Stern. Die winzige Helligkeitsänderung bei diesen Mini-Sonnenfinsternissen ist von der Oberfläche des Planeten abhängig. Durch die hochpräzise Messung mittels spezieller Lichtsensoren kann man dann den Durchmesser des Exo-Planeten ableiten. In Kombination mit Daten aus früheren Beobachtungen zur Planetenmasse will das internationale Team mehr über die Dichte und somit die Beschaffenheit der Himmelskörper erfahren. So könne sich klären, ob es sich um Gas- oder von Ozeanen bedeckte Planeten handelt.

Der Direktor des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Wolfgang Baumjohann, erwartet sich von CHEOPS „wesentliche Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung von Planeten“. Österreich ist über mehrere Institute in die Mission eingebunden: Die Weltraumfirma RUAG Space Austria zeichnet in Kooperation mit dem IWF für die Stromversorgung der Instrumentenelektronik verantwortlich. Das Institut für Astrophysik der Universität Wien lieferte die Programme zur Übertragung und Verarbeitung der wissenschaftlichen Daten. „Die von uns entwickelte Software ist eines der komplexesten und leistungsfähigsten Systeme zur Instrumentensteuerung, die die Europäische Weltraumagentur ESA jemals eingesetzt hat“, so Franz Kerschbaum von der Uni Wien.

Außerdem war das IWF an der Software-Entwicklung beteiligt und ist Teil des CHEOPS-Boards und im wissenschaftlichen Team vertreten: Dieses nimmt vor allem jene Exo-Planeten unter die Lupe, „die wir kennen und für besonders interessant halten“, erklärte Luca Fossati vom IWF. Er ist Mitglied im rund 30-köpfigen Science Team und leitet gemeinsam mit Yann Alibert von der Uni Bern ein Teilprojekt, bei dem man sich auf die sogenannten Supererden konzentriert. Gerade diese Gruppe zeige eine erstaunliche Diversität in ihrer bisher bekannten Beschaffenheit, die die Forscher besser verstehen wollen.

Fliegendes Labor der TU Graz

Die Fregat-Oberstufe der Sojus-Rakete hatte nicht nur die CHEOPS-Sonde an Bord, sondern eine Reihe weiterer Nanosatelliten. Mehr als Beiladung in dieser Reihe ist der im Auftrag der Europäischen Weltraumagentur ESA an der TU Graz entwickelte Kleinsatellit OPS-SAT. Es ist ein kleines fliegendes Labor, das in einer erdnahen Umlaufbahn innovative Missions-Betriebskonzepte testen und validieren soll. Der Satellit wird zeitgleich mit der CHEOPS-Mission und weiteren Kleinsatelliten die Reise ins Weltall antreten. Der in Graz gebaute OPS-SAT soll erst am frühen Nachmittag freigesetzt werden. „Man ist natürlich aufgeregt, so etwas ist keine Eisenbahnfahrt“, so so der Grazer OPS-SAT-Verantwortliche Otto Koudelka nach dem Start.

 

Kontrollsysteme für Raumfahrtmissionen realitätsnah auszuprobieren, ist ein schwieriges Unterfangen: Niemand möchte mit einem vorhandenen, wertvollen Satelliten ein Risiko eingehen, schilderte Otto Koudelka, Leiter des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der Technischen Universität (TU) Graz im Gespräch mit der APA. „Derzeit finden bei Weltraummissionen noch Kommunikationsstandards aus den 1990er-Jahren Anwendung, die strahlungssicheren und daher sehr teuren Prozessoren in der Weltraumtechnik hinken ihren terrestrischen Pendants etwa zehn Jahre hinterher“, so Koudelka.

50 Jahre Österreich im Weltraum: Mondjubiläum hin oder her – für Österreich avancierte in jenem Jahr 1969 der Start eines kleinen Messgerätes vom Raketenstartplatzes auf der nordnorwegischen Insel Andøya zum bedeutungsvollen Einstieg in die noch junge Weltraumforschung. Damit wurde ein gänzlich neues technologisches Kapitel für Österreich aufgeschlagen und sollte infolge dessen über die nächsten Jahrzehnte ein kleines Land zu vielen Erfolgen im Weltraum führen.

Die TU Graz wurde daher für ein Nanosatellitenprojekt beauftragt, das die Aufgabe von Tests für neue Weltraumtechnologien unter realitätsnahen Bedingungen im orbitalen Flug übernehmen kann. Ziel der OPS-SAT-Mission insgesamt sei es, neue leistungsfähige Prozessoren, Funkempfänger und Weltraum-Software risikoarm zu prüfen, wie Koudelka erklärte. Dazu soll der handliche und relativ kostengünstige Satellit absolut sicher und robust sein, selbst wenn es zu Störungen aufgrund von Tests kommt.

Herzstück des kompakten Laboratoriums in der Größe einer 1,5-Liter-Mineralwasserflasche (30 mal 10 mal 10 Zentimeter) ist ein an der TU Graz entwickelter, sehr leistungsfähiger Prozessor, führte der technische Leiter der rund 2,4 Millionen Euro teuren Mission weiter aus. Weiters trägt der Satellit eine Kamera für die Erdbeobachtung, einen Empfänger für optische Datenübertragung und einen programmierbaren Funkempfänger mit sich. Forschungsgruppen hätten weit über 100 Experimente bei der ESA eingereicht, ein Teil davon wird tatsächlich im All umgesetzt werden, berichtete der Grazer Wissenschafter.

Das Grazer TU-Institut ist selbst auch für zwei Experimente verantwortlich: Am Plan steht etwa die erste Datenübertragung via Laser zwischen der Bodenstation und einem Nanosatelliten. In diesem Experiment zur Datensicherheit wird ein kryptographischer Schlüssel verwendet, um den Funkkanal zu verschlüsseln, der Daten mit bis zu 50 Megabit pro Sekunde zum Observatorium Lustbühel in Graz sendet. Bei jedem Überflug über Graz soll ein neuer Schlüssel zu OPS-SAT übermittelt werden.

Auch Fernerkundungsexperimente mit Bildverarbeitung an Bord sollen durchgeführt werden. Mit 256 Kilobit pro Sekunde in der Aufwärtsstrecke und einem Megabyte in der Abwärtsstrecke habe der Satellit im Vergleich zu den üblichen 64 Kilobit pro Sekunde die höchste Datenübertragungsrate für die Telemetrie unter allen bisherigen ESA-Satelliten überhaupt.

Ein programmierbarer Funkempfänger soll von der Erde kommende Störsignale in bestimmten Frequenzbereichen erkennen. Das Laden und Ändern ganzer Softwareprogramme und eines großen frei konfigurierbaren Logistikbausteins sollen während des Fluges ermöglicht werden.

Der Satellit wird in rund 515 Kilometern Höhe die Erde umrunden und in seiner Umlaufbahn die meiste Zeit im Sonnenlicht sein. Die ausklappbaren Solarzellen haben eine Fläche von 30 mal 50 Zentimeter und sollen den Satelliten mit einer Leistung von 24 Watt versorgen.

Der Satellit wird als Sekundärnutzlast an Bord einer Arianespace Sojus VS23 vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartet – zeitgleich mit der Weltraummission CHEOPS, an der u.a. auch das Institut für Weltraumforschung des Österreichischen Akademie der Wissenschaften beteiligt ist.

Während der Satellit bald in seinen Orbit unterwegs sein wird, wird an der Grazer TU bereits an der nächsten Mission gearbeitet, erklärte Koudelka: Anfang 2020 nimmt das Team die operativen Arbeiten für PRETTY auf – einem weiteren Cubesat, der präzise Höhenmessungen, etwa von Gletschern und Meereswellen und Untersuchungen der Strahlung im erdnahen Weltraum, durchführen soll. Der nächste Start eines Kleinsatelliten „made in Austria“ könne dann schon 2022 erfolgen.

„Der österreichische Beitrag zu den beiden Satelliten spiegelt eine wesentliche Stoßrichtung der österreichischen Weltraumstrategie wider: Ausbau der Wettbewerbsposition durch hervorragende technische Kompetenz für Innovationen im All und auf der Erde. Mit diesen beiden Missionen machen wir einen großen nächsten Schritt“, so Weltraumminister Andreas Reichhardt. „Die OPS-SAT-Mission hat das sehr klare Ziel, den Kreislauf von „nie geflogen, wird nie geflogen“ im Bereich der Satellitenkontrolle zu durchbrechen.“

Für FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner ist dieser Doppelstart von CHEOPS und OPS-SAT zweifellos ein weiterer Meilenstein für Österreich im Weltraum. „Österreich wird aufgrund seiner hervorragenden Expertise für Technologiedemonstration und für wissenschaftlichen Missionen wieder einmal seiner Rolle als anerkannter ESA-Mitgliedsstaat gerecht. Für die Beteiligung an CHEOPS hat das BMVIT 5,3 Millionen Euro bereitgestellt, für die den Bau von OPS-SAT 2,8 Millionen Euro. Die FFG Agentur für Luft- und Raumfahrt hat die Entwicklung der Projekte seit 2012 intensiv begleitet.“

Bundesminister Reichhardt: „Auch dieser Erfolg bestätigt die Nachhaltigkeit von Weltraumaktivitäten. Ich möchte, dass der Weltraumsektor weiterhin wächst. Vor zwei Wochen habe ich mit der Zeichnung von Pflicht- und Wahlprogrammen bei der ESA-Ministerkonferenz in Sevilla diese Weiterentwicklung des österreichischen Weltraumsektors finanziell abgesichert. Und ich darf betonen, dass bei der gerade geschlossenen Ausschreibung des nationalen Weltraumprogramms ASAP wieder über 70 vielversprechende Projekte eingereicht wurden, die zu einem wesentlichen Teil auf Erdbeobachtungs- und Navigationslösungen ausgerichtet sind, die uns im Alltag unterstützen sollen. Für diese Projekte habe ich 7,1 Millionen Euro zur Verfügung gestellt“.

„Das Weltraumprogramm ASAP hat einen wesentlichen Hebeleffekt und ermöglicht es, mit Technologien Made in Austria auf dem kommerziellen Markt und in ESA- und EU-Programmen erfolgreich zu ein. Denn Förderung durch die FFG bedeutet nicht nur Österreich bei wichtigen Entwicklungs- und Technologiesprüngen zu stärken, sondern auch national, europäisch und international aktiv zu kooperieren“, betont FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth.

apa/Red

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) ist seit 2014 auch Weltraumministerium und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben. Darüber hinaus wurde bereits 2002 das Österreichische Weltraumprogramm ASAP vom BMVIT initiiert, welches von der Agentur für Luft- und Raumfahrt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) umgesetzt wird. Dieses Förderprogramm unterstützt die österreichische Raumfahrt-Hochtechnologie bei der Erreichung internationaler Spitzenleistungen in der gesamten Bandbreite der Raumfahrt: Von der Weltraumforschung und Wissenschaft über Technologieentwicklungen bis zu Anwendungen der Raumfahrttechnologien, wie Erdbeobachtung, Telekommunikation und Navigation. Rund 120 heimische Firmen und Organisationen mit über 1.000 Beschäftigten sind in Österreich in der Weltraumindustrie tätig.