Kategorie Klima- & Umweltschutz - 10. Januar 2023

Die Wissenschaft solidarisiert sich mit den Klimaprotesten

Die Klimaproteste der Letzten Generation sorgen auch in Österreich unvermindet für Schlagzeilen. Mit neuen Protestformen treten sie seit längerer Zeit für mehr Klimaschutz äußerst öffentlichkeitswirksam in Erscheinung. Straßen blockieren, Farbattacken auf den Glasschutz ikonischer Kunstwerke – mit derartigen Aktionen möchten die Aktivist:innen auf die Aktualität der Klimakatastrophe aufmerksam machen. Unumstritten ist das freilich nicht.

Verunglimpft werden sie nun als Klimakleber und Klimachaoten. Sogar in die Nähe von Terrorismus werden sie gerückt. Politische Widersacher überschlagen sich in ihren Forderungen nach härteren Strafen. Es ist ein gesellschaftlich schwieriges Unterfangen in ohnehin aufgeheizter politischer Athmosphäre. Irgendwie auch ein klassisches strategisches Dilemma. Wie bei anderen Klimaschutzbewegungen vor respektive neben ihnen geht es auch hier um die Frage: Wie können sie ihre Ziele am besten erreichen? Was ist besser: Aufmerksamkeit durch laute Störaktionen und zivielen Ungehorsam oder wäre es nicht effektiver, die breite Öffentlichkeit hinter sich zu wissen? Fest steht, dass totz Pandemie, Krieg und Inflation, die Realität der globalen Klimakrise auch durch sie tagtäglich wieder auf der Agenda steht.

Nach der Ankündigung, in Wien eine Woche lang mit Störaktionen den Morgenverkehr punktuell zu blockieren, sind am heutigen Dienstag die Proteste in Wien in einer neuen Phase angekommen: Am Wiener Praterstern, der von der Letzten Generation an sämtlichen Zufahrten gesperrt wurde, bekamen die Aktivisten Zuspruch von rund 40 Wissenschaftler:innen, die sich sowohl mit deren Anliegen als auch deren Methoden solidarisierten: „Ja zu Tempo 100 auf Autobahnen, nein zu Fracking in Österreich.“ Gemeinsam mit den Wissenschaftler:innen adressierten sie auch die Bundesregierung mit der Frage: „Wo ist Euer Klimaplan?“

Laut den Forschenden, unter ihnen auch der Wissenschaftler des Jahres 2022, Franz Essl, sei die Bundesregierung derzeit nur eingschränkt in der Lage, internationale Verpflichtungen und eigene Zielsetzungen zum Klimaschutz einzuhalten. Deshalb solidarisiere sich die Gruppe aus verschiedenen Disziplinen sowohl mit den Forderungen als auch mit dem friedlichen und gewaltfreien Protest der Letzten Generation.

„Ziviler Widerstand ist der unüberhörbare Feueralarm für eine schlafwandelnde Gesellschaft in einer brennenden Welt. Als Wissenschafter:innen bekräftigen wir: das ist kein Probe- und kein Fehlalarm. Das ist ernst“, wie es in einer gemeinsamen Aussendung hieß.

Die Wissenschaftler:innen appellieren an Vertreter:innen anderer Berufsgruppen, „es uns gleichzutun und von der Bundesregierung einzufordern, ihre eigenen Klimaziele ernst zu nehmen“.

Die Aktivistinnen und Aktivisten kleben sich seit rund einem Jahr vor allem in Wien, aber auch in Graz, Linz und Innsbruck auf Fahrbahnen fest. Aktionen gab es in Wien etwa am Gürtel, am Ring und am Praterstern. Die Gruppe ist sich bewusst, dass ihre Aktionen auch auf Ablehnung stoßen, doch der Klimaprotest sei „kein Beliebtheitswettbewerb“, es gäbe bei den Protesten aber immer wieder Zuspruch.

Derweil wurde in Deutschland der Ausdruck „Klimaterroristen“ zum Unwort des Jahres gekürt. Der Begriff fiel im zurückliegenden Jahr in der Debatte über die Proteste der Letzten Generation. Die Sprachjury in Marburg begründete ihre Wahl damit, dass der Ausdruck im öffentlichen Diskurs benutzt worden sei, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren. Sie kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen „gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden“. Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, rügte die Jury.