Kategorie Innovation & Technologie - 24. Juni 2016

Ein Hochhaus, fast ganz aus Holz

Was der Mammutbaum schafft, schaffen wir auch“, sagt Richard Woschitz. Die ehrwürdigen Gewächse bilden die Messlatte für den Tragwerksplaner Woschitz. Sie werden mehr als hundert Meter hoch. Mit 84 Metern arbeitet er aber schon jetzt in Wien am höchsten Holzhochhaus der Welt. Abgekürzt als HoHo bezeichnet, entstehen in der Seestadt Aspern drei Türme. Der höchste mit 24 Geschoßen, die beiden kleineren mit 16 und elf. Die technischen Tests sind weitgehend abgeschlossen, noch im Herbst soll der Spatenstich erfolgen, die Gebäude innerhalb von 20 Monaten aus dem Boden wachsen.

Aber wie baut man mit Holz so hoch wie noch niemand zuvor? Indem man neben Holz auch andere Baustoffe, vor allem Beton nutzt. Das Konzept sei einfach, aber ausgeklügelt, so Woschitz. Statt der sonst für höhere Holzbauten üblichen Bauweise steift ein Stahlbetonkern das Haus aus; daran docken Holzbauteile, etwa Stützen aus Brettschichtholz oder Decken aus Massivholz an. Bauingenieure und Architekten setzen die Materialien in der sogenannte Hybridbauweise so ein, das sie den jeweiligen Anforderungen am Besten genügen. Am Ende besteht das HoHo ab dem Erdgeschoß aber dennoch zu 75 Prozent aus Holz. An Decken und Außenwänden ist es sichtbar, die Textur der Fassade soll an eine Baumrinde erinnern.

Fast wie bei Ikea

Um Holzstützen und Betonelemente zusammenzufügen, entwickelte Woschitz, der auch an der TU Wien lehrt, eigene Systemknoten: „Ähnlich wie bei Ikea brauchten wir ein Prinzip, das die Teile zusammenhält.“ Woschitz‘ Lösung ist dabei noch flexibler als die des schwedischen Möbelherstellers. Sie erlaubt ein modulares System, die Räume lassen sich also im Nachhinein noch verändern und umgestalten.

Dem ehrgeizigen Bauprojekt ging jahrelange Entwicklungsarbeit voraus, auch das Technologieministerium förderte über das Programm Haus der Zukunft. Der Leiter der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien, der MA 39, Georg Pommer, testete 1:1-Modelle der Bauteile in einem riesigen Forschungsofen. Um die Belastung im fertigen Haus zu simulieren, drückte während der Brandversuche ein Hydraulikkolben auf die vierkantige HolzSäule mit angefügter Holzbetonplatte. Zumindest 90 Minuten muss die Konstruktion das aushalten – solange, wie die Feuerwehr braucht, um einen Brand zu löschen. Das ist für jedes Haus so vorgeschrieben. „Holz brennt nicht einfach ab, es entsteht Kohle“, sagt Pommer. Während eine Stahlkonstruktion bei Hitze weich wird, trägt Kohle noch immer Lasten. Auch das untersuchten Pommer und sein Team im Labor.

Um die durch das Holz anfallende zusätzliche Brandlast, also die Energie, die bei einem Feuer frei wird, auszugleichen, wurden die Baupläne angepasst. Die drei baulich voneinander abgeschotteteten Türme bilden jeweils einen Brandabschnitt pro Geschoß – jeder davon ist halb so groß wie bei einem anderen Hochhaus: Bricht in einem Abschnitt ein Brand aus, soll dieser nicht auf den nächsten Abschnitt übergreifen können.

„Sicherster Ort der Welt“

Dabei bestehe das größte Risiko während des Baus, sagt Alexander Kunz, der das Brandschutzkonzept entwickelte: „Wenn ein Hochhaus abbrennt, dann meist kurz vor der Eröffnung.“ Beim HoHo werden daher Wasserleitungen gelegt, die fix an eine Pumpe angeschlossen sind. Es soll über die Vorschriften hinausreichende Sicherheitsmaßnahmen wie zusätzliche Sprenkler geben. „Wenn wir fertig sind, ist das der sicherste Ort der Welt“, meint Kunz, der eigentlich Architektur studierte und sich dann immer mehr mit Fragen zum Brandschutz befasste, die sonst keiner beantworten konnte.

Das Tragwerk ist fertig getestet. Über den Sommer müssen nun noch die Fassadenelemente in Pommers Bewitterungsprüfstand. Halten sie den simulierten Windböen stand, rückt der Bau, der neben Büros und Appartements auch Restaurants und Wellnesszentren beherbergen soll, seiner Realisierung einen weiteren Schritt näher. (Von Alice Grancy, Die Presse)


 

LEXIKON

Das Holzhochhaus HoHo soll auf dem Areal der Seestadt Aspern in Wien stehen. Der Baubeginn ist nun für Herbst 2016 geplant. Nach 20 Monaten Bauzeit soll das höchste Hochhaus der Welt, das zum Großteil aus Holz besteht, dann fertig sein.

Hybridbauweise bedeutet, dass neben Holz auch andere Materialien für den Bau verwendet werden. Das HoHo bekommt einen Kern aus Beton, an den die Holzbauteile andocken. Um die verschiedenen Teile zu verbinden, wurde ein eigenes System entwickelt.

 

IN ZAHLEN

25.000 Quadratmeter Gesamtfläche bietet das Holzhochhaus (HoHo) in der Seestadt Aspern, wenn es nach 20 Monaten Bauzeit fertig wird. Sie verteilen sich auf 24 Geschoße, die 84 Meter in den Himmel ragen.Rund 65 Millionen Euro werden investiert. Der Baubeginn ist für den Herbst geplant.

1 Kubikmeter verbautes Holz spart eine Tonne CO2. Beim HoHo sind das bei einem Holzeinsatz von 3000 Kubikmetern also insgesamt 3000 Tonnen CO2-Äquivalente.