Kategorie Innovation & Technologie - 7. August 2019

Es fährt ein Zug ganz fahrerlos

Unter dem Titel autoBAHN2020 forschen FH OÖ Experten an sicheren und zuverlässigen autonom fahrenden Regionalzügen auf frei zugänglichen Strecken.

Fahrerlose Autos stehen ganz oben auf den Forschungsagenden wissenschaftlicher Einrichtungen. Warum sind autonom fahrende Züge dagegen kaum ein Thema? Man könnte ja vermuten, dass sich die Bahn aufgrund ihrer fixen Strecken besonders gut für den fahrerlosen Einsatz eignet. Für Burkhard Stadlmann von der Fachhochschule Oberösterreich ist das aber eine zu simple Schlussfolgerung.

 

Zwar gibt es bei der Bahn eine klare Spurführung, auf die sich die Hinderniserkennung autonomer Systeme beschränken kann. Allerdings ist es schwierig, im Bahnwesen eine Zulassung zu bekommen. Während ein autonom fahrendes Auto im Zweifelsfall sofort wieder manuell gesteuert werden kann, ist das bei einem Zug, der keinen Fahrer an Bord hat, nicht möglich.

Im Klimafonds-Projekt autoBAHN2020 hat sich Stadlmann mit seinem Team der Automatisierung von Zügen angenommen. Auf der Lokalbahn zwischen Vorchdorf und Gmunden in Oberösterreich haben sie eine mit Technologie aufgerüstete Lokomotive im fahrerlosen Betrieb getestet.

Aber wie macht man einen normalen Zug zu einem fahrerlosen? Indem man ihn Objekte „sehen“ lässt, und zwar mithilfe einer Vielzahl unterschiedlicher Sensoren. Der Testzug der Welser Forscher fuhr mit Stereovideokameras, Infrarotkameras, Laserscanner, Radar und (für die Nahbereichserkennung) Ultraschall. Die Daten jedes Sensors werden von einer Software zusammengeführt, woraus ein sich laufend veränderndes Streckenbild entsteht.

Wahrscheinlichkeit schätzen

Im Zugverkehr lassen sich nicht alle Gefahren vorab programmieren. Deshalb behilft man sich mit Wahrscheinlichkeitswerten für Gefahren in bestimmten Szenarien. Erkennt das System eine Person auf den Gleisen, schätzt es die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision ab.

Typischerweise wird mit Vollbremsung, Temporeduktion, Auslösen des Signalhorns und Ähnlichem reagiert. Andere Szenarien sind umgestürzte Bäume auf dem Gleis oder Autos, die knapp vor dem heranfahrenden Zug eine Eisenbahnkreuzung überqueren.

Im Allgemeinen ist die Notbremsung nicht das favorisierte Mittel: „Man kann auch mit einer Notbremsung nicht garantieren, dass es zu keiner Kollision kommt“, erklärt Stadlmann. Das kann auch ein menschlicher Fahrer nicht, dafür sind die Bremswege der schweren Züge zu lang. Leichtfertig ausgelöste Notbremsungen würden die Passagiere im Zug unnötig in Gefahr bringen. Kreuzt beispielsweise ein Auto die Gleise, wird es in den meisten Fällen die Gleise schon längst wieder verlassen haben, bis der Zug an die Kreuzung gelangt. Das muss das autonome System abschätzen können.

Technik sorgt auch dafür, laufend die aktuelle Position des Zuges zu berechnen. GPS allein reicht dafür nicht aus, weil es zu ungenau ist und im Wald nicht zuverlässig funktioniert. Deswegen kommt ein Odometer zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein Gerät zur Messung der zurückgelegten Wegstrecke.

Zusätzlich wurden auf der Teststrecke kleine Funkchips mit Standortdaten an den Gleisen angebracht. Fährt der Zug darüber, werden die Chips ausgelesen. Im Allgemeinen versucht man aus Kostengründen allerdings, bei der Automatisierung der Bahn die notwendige technische Ausrüstung auf das Zuginnere zu beschränken. Gleise oder Bahnhöfe sollen unverändert bleiben.

Noch nicht robust genug

Die Technik ist ohnehin noch nicht robust genug. Insbesondere die aus dem Industriebereich kommende Sensorik ist für den Dauerbetrieb in einem Zug nicht geeignet. Für Temperaturen von -25 bis +50 Grad, Schnee, Regen und kontinuierliche Vibrationen sind die Sensoren nicht ausgelegt. Ein Unsicherheitsfaktor für die Automatisierung von Zügen im regulären Verkehr ist auch die Akzeptanz der Passagiere.

Eine im Rahmen von autoBAHN2020 durchgeführte Akzeptanzstudie signalisiert zumindest keine komplette Ablehnung. „Die Menschen wollen Personal der Bahn an Bord haben, etwa für Rückfragen“, sagt Stadlmann. „Aber es muss nicht unbedingt der Lokführer sein.“

Mögliche Anwendungen für autonom fahrende Züge sieht der Forscher vor allem bei Regionalbahnen. Mit zusätzlich eingesetzten fahrerlosen Zügen ließe sich der Fahrtakt erhöhen, ohne dass gleichzeitig die Personalkosten steigen. „Hier gibt es ein sinnvolles Einsparpotenzial“, meint er. „Man könnte Regionalstrecken attraktiver machen und indirekt CO2-Einsparungen bewirken.“ Stark befahrene Strecken wie etwa zwischen Wien und Salzburg seien dagegen nicht geeignet: „Da spielen die Personalkosten wegen der hohen Auslastung nur eine untergeordnete Rolle.“ Auch aufgrund mangelnder Wirtschaftlichkeit eingestellte Strecken könnten mittels autonomer Züge wiederbelebt werden.

Raimund Lang/DerStandard

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) unterstützt über den Klima- und Energiefonds das Projekt autoBAHN2020 im Rahmen des Förderprogramms Energieforschung (e!MISSION) zur Forschung an sicheren und zuverlässigen autonom fahrende Regionalzügen auf frei zugänglichen Strecken. Ziel des Projekts ist es, den Transport von Personen mit Schienenfahrzeugen auf Nebenstrecken attraktiver und energieeffizienter zu machen, wobei ein autoBAHN-System eine kurze Taktzeit von selbstfahrenden, autonomen, kleinen Triebwagen auf bestehenden, frei zugänglichen und einspurigen Regionalbahnstrecken ermöglichen soll. Ohne physische Absperrung der Gleise ist eine zuverlässig funktionierende, IT-basierte Hindernis- und Gefahrenerkennung für jedes Fahrzeug und eine Fahrzeug-Koordinationskomponente erforderlich.