Kategorie Mobilität - 13. Juli 2015

Flaches Flussbett fordert flexible Frachtschiffe

Wien – Spätestens seit Beginn der Ferien kann man es mit eigenen Augen sehen: Zu wenig ausgelastet sind die Straßen sicher nicht. Damit, dass sich daran etwas ändert, ist nicht zu rechnen, wie die jüngsten Wirtschaftszahlen zeigen. Das Transportaufkommen des Straßengüterverkehrs in Österreich lag laut Statistik Austria 2014 bei 349,5 Mio. Tonnen – eine Steigerung von 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Das liegt auch daran, dass an den Küsten mehr verladen wird. Und dass diese die Waren eben nicht ewig auf dem Meer bleiben: Das deutsche Verkehrsministerium prognostiziert einen Anstieg des Umschlagvolumens im Seehafenhinterlandverkehr von rund 53 Prozent bis 2030. Die Binnenschifffahrt könnte dabei helfen, den Straßenverkehr zu entlasten. Jedoch tun sich Logistiker schwer damit, auf die Donau auszuweichen.

Einige Lösungsvorschläge

Den Gründen dafür geht ein Forschungsprojekt von Fraunhofer Austria nach – unter dem Titel NEWS (Developing a next generation European inland waterway ship and logistics system). In Zusammenarbeit mit Partnern wie Lindenau Maritime Engineering and Projecting oder der Ziviltechnikerkanzlei Anzböck wird diese Region aus logistischer Sicht erforscht. Darüber hinaus erarbeitet man Lösungsvorschläge, um die Binnenschifffahrt wieder mehr anzukurbeln.

Das wünscht sich ja auch die EU: Bis zum Jahr 2020 soll im Donauraum der Güterverkehr via Schiff um 20 Prozent gesteigert werden. Dabei sei auch das Hinterland einer Analyse zu unterziehen, betont Projektleiterin Sandra Stein vom Institut für Managementwissenschaften der Technischen Universität Wien. Und ergänzt: „Das ist so ähnlich wie mit der Henne und dem Ei. Braucht das Schiff die Ladung oder die Ladung das Schiff? Wir müssen herausfinden, wo im Einzugsgebiet Transporteure sitzen, die geeignete Containerwaren haben.“

Die Donau sei, sagt Stein, für Logistiker ein nicht leicht zu befahrender Fluss – nicht zuletzt wegen der natürlichen Gegebenheiten: Da dieser Strom nicht kanalisiert ist, können sich etwa durch starke Regenfälle die Wasserstände schlagartig ändern.

Für ein Transportunternehmen ist das hochgradig riskant: Wer von Rotterdam nach Krems fährt, sollte zehn Tage im Voraus wissen, wie hierzulande das Wetter ist. Wenn kurzfristig aufgrund eines veränderten Pegels die halbe Fracht unterwegs gelöscht werden muss, entstehen enorme Kosten.

Kein Bagger in Sicht

Für einen wirklich zügigen Güterverkehr ist die Donau, nach der Wolga immerhin der zweitlängste Fluss Europas, außerdem zu flach: Ein dreilagiger Containerverkehr ist nicht möglich, weil südlich von Regensburg die Abladetiefe nur zwei Meter beträgt, und das durchschnittlich 300 Tage im Jahr. Aus Sicht der Logistiker wäre es notwendig, das Flussbett auszubaggern, was bisher nicht passiert ist.

Die EU-Direktive über die Steigerung des Güterverkehrs via Schiff ist derzeit nur ein Vorschlag, der notwendige Ausbau der Schifffahrtsinfrastruktur selbst Sache der einzelnen Staaten.

Steins Idee: „Es braucht eine internationale Organisation, die sich darum kümmert. Derzeit hat die EU gegenüber den Einzelstaaten keine rechtliche Handhabe.“ In Osteuropa fehle es meistens an Geld und Interesse, während in Österreich und Deutschland eher Naturschutzverbände die Ausbaggerung der Donau verhindern. Das NEWS-Team denkt freilich, dass es der Umwelt mehr nützt, wenn man dort, wo es möglich ist, den Frachter dem Laster vorzieht – wie Steins Mitarbeiter Karl Ott vorrechnet: „Auf ein Schiff passen im Durchschnitt so viele Container wie auf 75 Lastwagen. Außerdem verbraucht es flussabwärts weniger Treibstoff und stößt somit auch weniger Emissionen aus.“ Otts von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützte Diplomarbeit ist eine der ökonomischen Analysen des Projekts. Diese Untersuchungen sollen am Ende in einen Geschäftsplan münden, der aufzeigt, wann und wie sich Investitionen auf diesem Feld lohnen.

Chance für die Industrie

Ott befasste sich in seiner Untersuchung mit Österreich und dem Schwarzmeerraum und arbeitete dabei heraus, welche Rahmenbedingungen dort notwendig sind beziehungsweise in welchen Branchen ein regelmäßiger Linienverkehr in diesem Raum Chancen hat. Er sieht vor allem Vorteile für die Maschinen-, Chemie-, Holz- und für die Metallindustrie.

Der Metallverarbeitung nähert man sich aber nicht nur aus pekuniärer Sicht, da auch Lösungen im technischen Bereich entwickelt wurden: Von Anfang an konzipierten Stein und ihre Kollegen parallel zu Untersuchungen wie denen von Ott ein mit Flüssigerdgas betriebenes Schiff. Den schwankenden Ladetiefen trotzt es mit einem Ballasttank, der je nach Bedarf Wasser auf- und abpumpt.

Im Dialog mit Kapitänen

Jedoch wurde dieses Schiff nicht isoliert im Labor entworfen, hier arbeiteten Ingenieure und Ökonomen gemeinsam an der Umsetzung des idealen Frachtschiffs, wie Stein berichtet. Den Ursprungsentwurf musste man allerdings verwerfen, als die Wirtschaftswissenschafter mit ihren ersten Feldbefragungen zurückkehrten. Steuerleute erklärten, dass die mittige Positionierung des Tanks in der Region keinen Sinn ergebe.

Ein flexibles Be- und Entladen und eine Umrüstung bestehender Schiffe seien nur mit Tanks an den Seiten möglich. Die Wissenschaft kann so viel forschen, wie sie will: An Deck behält immer der Käpt’n das letzte Wort. (Johannes Lau, 11.7.2015)