31. August 2020

Technologiegespräche am Forum Alpbach: Wie werden wir Klimaneutralität bis 2040?

In einem Arbeitskreis des diesjährigen Forum Alpbach wurden am Freitag, den 28. August 2020 von hochkarätigen Referentinnen Visionen für eine post-fossile Zukunft vorgestellt. Das fast zweiwöchige Forum findet heuer vorwiegend als Onlinekonferenz und nur sehr reduziert vor Ort statt.

„Fundamentals“ ist das Generalthema des Europäischen Forums Alpbach 2020. Es sollen die Aktivitäten in Alpbach hinterfragt und das vermeintliche Grundwissen geprüft werden, um herauszufinden, welche Grundsätze unverzichtbar sind. Dazu gehört aus der Sicht des Forums vor allem die Europäische Union, die in Zeiten derPandemie nicht immer einen starken Zusammenhalt gezeigt hat. Es soll ein Rahmen für all jene geschaffen werden, die sich tagtäglich für ein vereintes Europa einsetzen, um sich zu vernetzen und mit Zuversicht und Ideen den großen Herausforderungen unserer Zeit stellen.

Auf dem vom Klimaschutzministerium und Umweltbundesamt organisierten virtuellen Podium waren Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, Agent Innovatrice der OECD und Forscherin am MIT Katja Schechtner, die ehemalige Wiener Vizebürgermeisterin und österreichische Mission Board Climate Neutral Cities Vertreterin Maria Vassilakou, Experimentaljuristin Marleen Roubik,  Henriette Spyra vertrat zudem die Transformationsforscherin Maja Göpel, die kurzfristig absagen musste. Leiterin Science & Innovation im Umweltbundesamt, Henriette Spyra, ehemals Leiterin der Stabsstelle Mobilitätswende & Dekarbonierung im BMK führte ebenfalls durch die Veranstaltung.
Im Jahr 2015 haben sich die Vereinigten Nationen auf die „Agenda 2030“ geeinigt, ein globaler Plan zur Förderung des nachhaltigen Friedens und Wohlstands, sowie zum Schutz unseres Planeten.
In der Alpbach Session wurde eine mögliche Zukunft gestaltet und sich die konkrete Frage gestellt, wie Österreich bis zum Jahr 2040 klimaneutral gestaltet werden kann. Ist dies überhaupt möglich?

Die Teilnehmerinnen des Arbeitskreises sind sich einig: Nur mit Zusammenhalt und Austausch kann das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden.

Klimaministerin Gewessler verbindet radikale Regeneration mit radikalem Miteinander und hält fest, dass Menschen nicht isoliert voneinander leben, sondern individuelles Handeln auch immer Auswirkung auf die Gesellschaft hat.
Themenfelder wie Klima und Innovation müssen zusammen, anstatt isoliert voneinander betrachtet werden, dies bringt politische und wirtschaftliche Entscheidungen in Bezug zueinander.

Neue Innovationen und Technologien werden 2040, laut MIT-Forscherin Schechter, eine Selbstverständlichkeit sein, es wird laufend daran gearbeitet ein noch besseres System für alle Menschen und den Planeten zu entwickeln. Sie beschreibt, dass wir dafür in den kommenden Jahren ein Technologiemosaik formen.

Erfolgreiche Innovationen setzen sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen: Elektrische Tretroller, Drohnen, Windräder, Solarpanele oder Handys werden erst nachhaltig, wenn es die digitalen Systeme im Hintergrund auch sind. Neue Technologien sollen nicht nur funktionieren und gerne gekauft werden, sondern auch klimaneutral sein.

In Hinblick auf die Zukunft müssen mögliche technologische Beiträge zur Klimaneutralität entwickelt, hinterfragt und bestmöglich umgesetzt werden. Bis 2040 bedeutet das, dass sowohl die großen Brocken, wie den vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ebenso wie die kleinen Bausteinchen, z.B. mikromobile elektrische Tretroller umgesetzt zu haben. Nur so können wir den größtmöglichen Beitrag zur Klimaneutralität bis 2040 leisten.

Schlüsselinitiativen für ein klimaneutrales Österreich

Experimentaljuristin Roubik beschreibt, dass zukunftsorientierte Gesetze Klimaschonung bzw. Klimaneutralität 2040 zum Ziel haben müssen. Künftig muss das Recht neue Wege gehen um dem schnellen Wandel in den Bereichen wie Verkehr, Energie und Umwelt gerecht zu werden. Die Aufgabe des Rechts ist es, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, damit genügend Anreize zur tatsächlichen Umstellung in Bereichen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung vorhanden sind.

Dabei muss Folgendes mitgedacht werden:

  • Experimentieren
    Im Zusammenhang mit Recht und Gesetzgebung bedeutet Experimentieren, dem Ungewissen und dem Neuen einen Raum einzuräumen – etwas zu erlauben, obwohl man es nicht wirklich kennt. Wann ist oder sollte so etwas möglich sein? In rechtlichen Freiräumen oder Experimentierräumen können Innovationen und Technologien erprobt werden. Ein enger Austausch zwischen Verwaltung, Wissenschaft und innovativen Unternehmen stellt dabei die Basis dar.
  • Digitalisierung
    Big Data und Smart Data sind wichtige Ressourcen im Kampf gegen den Klimawandel. Der Datenschutz auf der einen Seiten und der wirtschaftliche Profit von Einzelnen auf der anderen Seite – in der Mitte steht die kollektive Nutzung von Daten zu gesellschaftlich relevanten und dringend notwendigen Zwecken.
  • Implementierung
    Es gilt Erfahrungen aus den Experimenten in Gesetze zu übernehmen. Die Gesetze der Zukunft brauchen eine klare Vision, für die konkrete Umsetzung sowie ein oder mehrere Ziele an denen sie sich orientieren können. Die im Regierungsprogramm verankerte Klimaneutralität 2040 stellt dabei bereits ein wichtiges Ziel für die Zukunft der Gesetzgebung in Österreich dar.

Zukunftsfähige Lebensgrundlagen und Maßnahmen

Die ehemalige Vizebürgermeisterin Wiens Vassilakou stellt verschiedene bestehende Maßnahmen und Möglichkeiten europäischer Städte vor, um die Klimaneutralität bis 2030 zu erreichen. Vor allem im Bereich der Infrastruktur und des öffentlichen Verkehrs kann vieles nicht nur das Klima, sondern auch das Leben der Menschen positiv beeinflussen. Als Beispiel nennt sie neue Stadtteile, die mehr Energie produzieren als sie verbrauchen, mit Häusern die Energie speichern. Oder Wärmenetze, die u.a. Abwärme der Server einer nahegelegenen Universität nutzen. Aber auch historische Nachbarschaften, die kaum noch Energie verbrauchen und ihren Bedarf über lokale erneuerbare Produktion abdecken.
Der öffentliche Verkehr ist von jeder Stelle innerhalb von 3 min zu Fuß zu erreichen; die Wartezeit beträgt überall maximal 5 Minuten. Autos werden ökologisch betrieben und können nicht nur selbst fahren, sondern bei Bedarf für bestimmte Fahrten gemietet werden.

 

Henriette Spyra erklärt in Vertretung von Transformationsforscherin Göpel welche wirschaftlichen und gesellschaftliche Änderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität 2040 helfen.
Eine unabhängige Kommission wurde besetzt, welche die erwartete Wirkung von politischen Maßnahmen und Programmen darlegt und nach einer Legislaturperiode auswertet.
In Bezug auf Steuern wurde untersucht, welche Abgaben heute wo existieren und welche Lenkungswirkung von ihnen ausgeht. Unter anderem wurden durch staatliche Einnahmen soziale und ökologische Ziele integrierbar und auch mittelfristig finanzierbar.

Das Prinzip „Do-No-Harm“ in Bezug auf den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen wurde in Verfassungen eingesetzt. So konnte ein Kurswechsel in Richtung Regeneration von Ökosystemen erreicht werden.

Die Digitale Revolution wurde systematisch auf Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet, sodass  künstliche Intelligenz und  Automatisierung nicht mehr der Ersetzung von Mensch und Natur dienen sollen, sondern der Unterstützung des Potentials der lebendigen Systeme auf diesem Planeten.

In einem globalen Gipfel wurden Rahmenbedingungen festgelegt nach denen die Finanzialisierung wichtiger Lebensbereiche zurückgedreht wurde. Eine einmalige Abschöpfung zu großer Vermögen über einen Zeitraum von 10 Jahren wurde zu Bedingungslosem Grundeinkommen besonders in den ärmsten Ländern der Welt.