Kategorie Innovation & Technologie - 9. Oktober 2015

Fressen Mikroben den sauberen Wasserstoff auf?

Wer von Energiewende spricht, stößt immer an diese Frage: Wie speichert man Energie, die aus nachhaltigen Quellen stammt? Das Problem bei Windkraft- und Solaranlagen ist, dass sie unregelmäßig Strom liefern, nämlich nur, wenn Wind weht oder die Sonne scheint. Das deckt sich aber nicht mit den Spitzen der Nutzung. An einem windigen Sommertag wird schon heute im Burgenland mehr Energie aus Windkraft erzeugt, als verbraucht werden kann.

Strom selbst ist nicht in großen Mengen speicherbar, Gas hingegen schon. Deswegen setzen österreichische Forscher auf die „Power to Gas“-Technologie („Die Presse“ berichtete): Strom aus Sonnen- und Windkraft wird genutzt, um Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) zu spalten. Der entstandene Wasserstoff ist als sauberes, nicht fossiles Gas speicherbar.

Gasspeicherung geschieht in Österreich ohnehin im Jahreszyklus: Was im Sommer an Erdgas geliefert wird – aus Russland oder anderen Ländern –, wird unter der Erde in natürlichen Sandsteinporen gelagert. Im Winter, wenn der Heizbedarf steigt, werden diese Lagerstätten „angezapft“.

Ein solcher natürlicher Erdgasspeicher in Oberösterreich, in der Nähe von Vöcklabruck, wird seit dieser Woche für ein europaweit einzigartiges Forschungsprojekt genutzt: In 1000 Metern Tiefe soll getestet werden, welchen Einfluss eine Beimengung von Wasserstoff zum herkömmlichen Erdgas Methan auf die Lagerstätte hat.

Vor Jahrmillionen entstanden

Das Projekt Underground Sun Storage wird von der Rohöl-Aufsuchungs-AG RAG geleitet, vom Klima- und Energiefonds des Lebens- und Technologieministeriums gefördert und hat als Forschungspartner die Montanuni Leoben, das Energieinstitut der Uni Linz und die Boku Wien an Bord.

Es ist bereits gut erforscht, dass es die Gasleitungen und Verbrauchergeräte verkraften, wenn zehn Prozent Wasserstoff dem Erdgas beigemischt werden. Doch niemand weiß, was passiert, wenn man dieses Gasgemisch in die porösen Strukturen unter der Erde einbringt.

„Diese natürlichen Gaslagerstätten sind vor Jahrmillionen im Zuge der Evolution entstanden“, erklärt Andreas Loibner, Umweltbiotechnologe der Boku. Archaeen, die früher als Urbakterien bezeichnet wurden, produzierten dort unter Ausschluss von Sauerstoff Methan, das sich im Sandstein gehalten hat: Bis der Mensch es angezapft hat, um das Gas zu nutzen. In den nun geleerten Sandsteinporen „schlafen“ die Urbakterien aber noch. Was passiert, wenn man dort erstmals Wasserstoff einbringt? Wachen sie auf und bauen dieses „Futter“ ab? Welche Substanzen entstehen, wenn die Mikroben aktiv werden?

„In zehn Reaktoren am IFA-Tulln haben wir Bohrkerne der Gaslagerstätten bei 50 Grad Celsius und 50 bar Druck untersucht“, erklärt Loibner. Es zeigte sich, dass natürlich vorhandene Mikroorganismen tatsächlich den eingespeisten Wasserstoff umsetzen können. „Wenn in der Lagerstätte Sulfat vorhanden ist, wandeln die Archaeen dies zu Schwefelwasserstoff um, das ist ein Problemgas.“ Dieses führt zu Korrosion und kann Leitungen schädigen.

Poren dürfen nicht verstopfen

Die Testanlage in Oberösterreich ist nicht mit Sulfaten belastet: Dort muss also kein Energieverlust durch Schwefelwasserstoffbildung befürchtet werden. Aber die Mikroben können auch vorkommendes CO2 mit Wasserstoff in Methan verwandeln. „Das ist energietechnisch kein Problem.“ Es könnte aber dem Erdgasspeicher schaden, wenn das Wachstum der Mikroben so stark ist, dass die Poren verstopft werden und kein Gas mehr eingebracht bzw. entnommen werden kann.

„Wir testen auch, ob chemische Fällungen im Speicher stattfinden, die ebenfalls den Porenraum verringern könnten.“ Bis Ende 2016 sind diese und andere Fragen zum Betrieb von Gasspeichern zu lösen, die mit einem zehnprozentigen Methan-Wasserstoff-Gemisch befüllt werden. (Von Veronika Schmidt, Die Presse)