Kategorie Innovation & Technologie - 4. September 2015

Ganz schön autark im Park

Wien – Wie könnte ein Wohnraum aussehen, wenn man die Forderung nach einem Leben im Einklang mit der Natur ernst nimmt? Welche Techniken erlauben es, möglichst ressourcensparend und autark zu leben? Theresa Steininger und Christian Frantal haben Antworten auf diese Fragen, die dem Ideal eines selbstgenügsamen Lebens schon recht nahekommen. Ihr 2013 gegründetes Start-up heißt wie ihr Produkt: Wohnwagon.

Das kleine, ganzjährig bewohnbare Domizil auf Rädern könne als Ferienhaus oder als Büro im Grünen herhalten, als Hotelzimmer oder mobile Altersunterkunft. Auf wahlweise sechs oder zehn Metern Länge, mit 10- oder mit 80-km/h-Zulassung, mit ausziehbarem Erker oder im Zweierverbund gekoppelt werden in dem über die Crowdfunding-Plattform Conda und vom Land Niederösterreich geförderten Unternehmen die Wohnwagen individuell geplant und gefertigt. „Eine Interessentin möchte etwa in ihrem Wohnwagon Marmelade einkochen und benötigt Platz für 200 Einweckgläser“, gibt Steininger ein Beispiel.

Mit Schafwolldämmung, Holzaufbau und Lehmputz achten die Erfinder auf natürliche Baustoffe. Im Vordergrund steht aber der Autarkie-Gedanke. Sprich: Der Wohnwagon benötigt keine Kanal- oder Wasseranschlüsse und generiert eigenen Strom.

Für eine komfortable, geruchsfreie Toilette hat das Start-up etwa mit dem burgenländischen Unternehmen Sonnenerde kooperiert. Dort wurde für die Trocken-Trenn-Toilette, die ohne schädliche Chemikalien auskommt, eine spezielle Einstreu entwickelt, die Pflanzenkohle, Biofaser und Steinmehl enthält. Festes und Flüssiges werden getrennt, die Pflanzenkohle mit ihrer großen Oberfläche entzieht Flüssigkeit und verhindert Geruch. Einmal im Monat wird der Inhalt mit Grünschnitt auf dem Kompost entsorgt. Das Endprodukt: Humus.

Wasser aus Dusche und Abwasch wird dagegen auf das Dach geleitet. Dort befindet sich die Grünkläranlage, die das Wohnwagon-Team entwickelt hat. „Die Wurzelaktivität von 90 Sumpfpflanzen spaltet die Schadstoffe im Wasser auf, um sie sich als Nährstoffe zunutze zu machen“, so Steininger. Der Klärprozess hinterlässt Frischwasser, mit Trinkwasserfilter wird es für Menschen genießbar. Regen erneuert das Dachreservoir und füllt es auf.

Zur Stromversorgung dient eine Photovoltaikanlage, gepaart mit einem Stromspeicher im doppelten Boden, erklärt die Geschäftsführerin. Bei der Wahl der Innenausstattung ist der Energieverbrauch ein wichtiges Kriterium: Stromlose Espressomaschinen, Spirituskocher, energiesparende Beleuchtung und WLAN-Module kommen zum Zug. Zur Not ist externes Laden möglich.

Im Winter wird die eigene kleine Zentralheizung angeworfen, die sich aus Solarenergie und einem Holzofen, für den man „1,5 bis zwei Festmeter Holz pro Jahr“ benötigt, speist. Ein Kessel mit Wärmetauscher sorgt für Warmwasser. Technik, um Wärme auch in Strom zu verwandeln, sei im Moment noch zu teuer, so Steininger.

Zurzeit werden der fünfte und der sechste Wohnwagon gebaut – zum Teil mit Hilfe der künftigen Eigentümer, die in der Werkstatt nahe Ternitz selbst Hand anlegen können. Der Preis der Ökowohnanhänger bewegt sich zwischen 40.000 und 130.000 Euro.

Technik wird freies Wissen

Auch Kooperationen und Forschungsprojekte, etwa gemeinsam mit der Wiener Boku, werden angedacht. Das im Unternehmen generierte Wissen ist Open Source und wird also der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Das Startkapital kam durch zwei Crowd-Investing-Kampagnen zusammen. Steininger ist stolz, dass ihr Unternehmen 2013 die erste erfolgreiche Kampagne Österreichs durchgeführt hat. Insgesamt gaben 300 Investoren 214.000 Euro.

Und leben die Gründer auch selbst bereits im Wohnwagon? „Noch nicht. Aber die Pläne sind schon in Ausarbeitung.“ (Alois Pumhösel, 4.9.2015)


Wohnwagon stellt sich am 12. und 13. September auf dem Forschungsfest der Wiener Wirtschaftsagentur (Naschmarkt) vor.