Kategorie Innovation & Technologie - 24. Oktober 2019
Energieforschung & die Wege zur emissionsfreien Industrie
Wie kann klimaschonende Produktion funktionieren? Auch in der Industrie spielt Dekarbonisierung längst eine große Rolle. Auch weil industrielle Prozesse maßgeblich zu den CO2-Emissionen in Österreich beitragen.
In Österreich macht der energetische Endverbrauch von Industrie und produzierendem Gewerbe mit 94 TWh rund 30 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs aus. 61 Prozent davon wird in der energieintensiven Industrie verbraucht, zu der Eisen- und Stahlproduktion, die mineralverarbeitende Industrie, die Chemische Industrie sowie die Papier- und Zellstoffindustrie gehören.
Die Treibhausgasemissionen im Sektor Industrie betrugen im Jahr 2016 in Österreich 25,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Das bedeutet eine Zunahme von rund 15 Prozent im Vergleich zu 1990. Dem entgegenzuwirken ist auch eine anspruchsvolle Aufgabe von Forschung und Innovationen. Dabei gilt es die Effizienz von Prozessen zu steigern, den Umstieg auf erneuerbare Energien zu forcieren, um diese Emissionen zu senken und den Zielen der europäischen Klimapolitik zu entsprechen. Diese sehen vor, bis 2050 klimaneutrale und dennoch wettbewerbsfähige Wirtschaftsweise zu erreichen.
#Today @tuvienna
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— Klimaschutzministerium (@BMKlimaschutz) October 8, 2019
Zur Realisierung dieser tragen auch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und der Klima- und Energiefondseuropäischen bei. Im Rahmen der Förderprogramme von Klimafonds und BMVIT gibt es inzwischen zahlreiche richtungsweisende Projekte zum Thema.
In einigen Sektoren (z. B. in der Eisen- und Stahlindustrie) zählen österreichische Industriebetriebe zu den Vorreitern für klimaschonende Produktionsverfahren. Die Energieeffizienz in industriellen Prozessen wird laufend gesteigert. Ziel ist es zunehmend, erneuerbare Energie zu integrieren und den Energiebedarf von industriellen Anlagen mit der Energieversorgung aus fluktuierenden, erneuerbaren Quellen abzustimmen.
Doch obwohl in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Reduktion von prozessbedingten Treibhausgasemissionen erzielt wurden, sind für die weitgehende Dekarbonisierung der Industrie weitere, teils radikale Innovationen und der Aufbau neuer Infrastrukturen erforderlich. Forschung und Industrie in Österreich entwickeln und testen laufend neue Konzepte und sogenannte Breakthrough Technologies für die CO2-arme Produktion.
New Deal, New Energy
Einige davon wurden beim Symposium Highlights der Energieforschung vorgestellt. Updates von laufende Projekten zeigten, dass die österreichische Industrie mit dem Hebel der Energie-Forschungslandschaft die Innovationskraft besitzt, um diese Herausforderung zu bewältigen. Wertvolle Einblicke in die Aktivitäten österreichischer Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf dem Weg zur schrittweisen Dekarbonisierung des Industriesektors. Im Plus Energie Hochhaus der TU Wien am Getreidemarkt wurden Stand der Dinge und Forschungsergenisse diskutiert, viele Vertreter der österreichischen Industrie und der österreichischen Forschungslandschaft folgten der Einladung.
Neben nationalen Tätigkeiten standen aber auch internationale Initiativen auf dem Programm. Mit an Bord als Kooperationspartner und -plattform ist dabei auch die Internationale Energieagentur (IEA) im Bereich der Erforschung, Entwicklung, Markteinführung und Anwendung von Energietechnologien. Das Technology Collaboration Programme Industrial Energy related Technologies and Systems (IETS TCP) fördert hier die internationale Zusammenarbeit im Bereich Industrielle Energiesysteme, welche auf tiefgreifende Dekarbonisierungsmaßnahmen ausgerichtet ist.
Auf nationaler Ebene zeichnet sich in Österreich dabei besonders der Innovationscluster NEFI (New Energy for Industry) aus, der sich mit Forschungen auf diesem Gebiet beschäftigt und dabei die Versorgung mit bis zu 100 Prozent erneuerbarer Energie an ausgewählten Standorten sowie die Wertschöpfung durch Technologieentwicklung und -export garantieren soll.
Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds: „Die Dekarbonisierung der Industrie ist eine globale Herausforderung. Nur mit Innovationen können wir dieser begegnen. Unsere Energieforschungsprogramme unterstützen die heimische Wirtschaft bei der Entwicklung von Innovationen ,made in Austria‘ für den Weltmarkt.“
Die wissenschaftliche Leitung darüber hat die steirische Montanuni Leoben, die in Kooperation mit Industrie und dem AIT Austrian Institute of Technology den Ansatz der New Energy in Österreich erforscht.
Gretchenfrage Carbon Capture Usage oder Storage
Eine zentrale Rolle spielt die fortschreitende Digitalisierung, die neue Möglichkeiten zur Flexibilisierung des Energiesystems und der Industrieprozesse schafft – Stichwort Sektorkopplung. NEFI setzt auf sechs Innovationsfelder und verfolgt einen systemischen Ansatz, in dem jedes Unternehmen wichtiger Teil eines integrierten Energieverbundes ist.
Einblicke gab es bei den Highlights auch in das Projekt OxySteel. Projektleiter Thomas Kienberger, Leiter des Lehrstuhls für Energieverbundtechnik an der Montanuni Leoben zeigte, dass die Steigerung der Energieeffizienz durch die Entwicklung und Umsetzung eines neuen Prozessdesigns unter dem Einsatz von Sauerstoffverbrennung und Carbon Capture & Usage (CCU) möglich ist.
Carbon Capture and Utilization (CCU), bei dem emittiertes CO2 zur Herstellung von Kraftstoffen genutzt wird, um danach in einem Kreislauf wieder als Energieträger verfügbar sind, steht dem Carbon Capture and Storage (CCS) entgegen, bei dem CO2 dauerhaft der Athmosphäre entzogen wird, abgeschieden und womöglich geologisch gespeichert wird – beides klimapolitische Handlungsoptionen für große Emissionsquellen, wie Kraftwerke oder Industrieanlagen.
Mit dem Projekt ViennaGreenCO2 stellte Tobias Pröll von der BOKU Wien einen neuartigen, energieeffizienten CO2-Abscheideprozess vor, dessen technische Machbarkeit unter realen Be-dingungen anhand der Pilotanlage in Simmering nachgewiesen wurde. Das Potential für eine mit diesem Prozess erzielbare Kostenreduktion wird gegenüber herkömmlichen Methoden, mit 25 Prozent beziffert.
Durch die Kopplung einer Power-to-Gas-Anlage sowie einer Biomassevergasung mit einem integrierten Hüttenwerk verspricht das Projekt Renewable Steel Gases eine signifikante Reduktion der CO2-Emissionen. Aus einer Vielzahl möglicher Schaltungsvarianten zwischen dem Hüttenwerk und den beiden erneuerbaren Energiequellen wurden jene Prozesswege identifiziert und quantifiziert, die sowohl hohe CO2-Reduktionspotenziale als auch eine mittelfristige Umsetzbarkeit bieten. Sogenannte Kuppelgase, aus unterschiedlichen Prozessen, könnten nach dem Stand der Technik energetisch verwertet werden.
Die Integration erneuerbarer Energie in industrielle Prozesse untersucht das Projekt BIOFIT. Dina Bacovsky, untersucht Möglichkeiten zur Umrüstung bestehender Anlagen um mehr Bioenergie zu verwenden oder um (fortschrittliche) Biotreibstoffe zu produzieren. Dabei werden die folgenden fünf Branchen betrachtet: Biokraftstoffe der ersten Generation, Zellstoff und Papier, fossile Raffinerien, fossile Stromproduktion und Kraft–Wärme–Kopplungsanlagen.
Das AIT Austrian Institute of Technology arbeitet gemeinsam mit der voestalpine Stahl Donawitz GmbH am Projekt HyStEPs. Im Fokus steht die Entwicklung innovativer Hybridspeicherkonzepte bei einer Erhöhung der Speicherkapazität bei gleichzeitiger Senkung der Investitionskosten. Experimentelle Test werden derzeit absolviert, um damit mittelfristig die Speicherkapazität von in Betrieb befindlichen Ruths-Dampfspeichern um bis zu 40 Prozent zu erhöhen. Ruths-Dampfspeicher sind eine weit verbreitete und bewährte Speichertechnologie und werden in einer Vielzahl von Branchen wie z.B. Nahrungsmittel-, Genussmittel-e, Papier- und Metallindustrie eingesetzt. Die notwendigen Investitionskosten für eine Nachrüstung zu einem Hybridspeicher sollen dabei nur die Hälfte eines äquivalenten Ruths-Dampfspeichers betragen.
Erneuerbare Energie für die Automobilindustrie
Auch die solare Prozesswärme bietet viele Möglichkeiten, um industrielle Abläufe mit erneuerbarer Energie zu unterstützen und den Bedarf an fossilen Energieträgern zu reduzieren. Eine wirtschaftliche Umsetzung ist vor allem dort möglich, wo Temperaturen unter 100 Grad Celsius benötigt werden, keine Abwärme genutzt werden kann und ein konstanter Wärmebedarf zumindest in den sonnenreichen Monaten gegeben ist.
Die Integration solarer Wärme bietet sich zum Beispiel für Wärmenetze, beheizte Bäder, Maschinen und Tanks, Trocknungsprozesse sowie zur Warmwasserbereitstellung und für raumlufttechnische Anlagen an. Solarwärme ist CO2-frei und kann mit anderen Wärmeerzeugern, wie Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke oder Gas-, Öl- und Biomassekesseln kombiniert werden. Trotz des hohen Potenzials entwickelt sich der Markt für diese Technologie bisher nur langsam.
Bereits 2016 wurde im Rahmen der D-A-CH Initiative das deutsch-österreichische Kooperationsvorhaben SolarAutomotive unter Leitung von AEE INTEC und der Universität Kassel (Fachbereich Solar-und Anlagentechnik) gestartet. Ziel der länderübergreifenden Zusammenarbeit ist es, die Integration von solarer Prozesswärme in der Automobilindustrie sowie in der vorgelagerten Zulieferindustrie zu forcieren. Durch Anwendungsbeispiele und die Realisierung von Leuchtturmprojekten werden Impulse gesetzt und Potenziale für die CO2-freie Produktion aufgezeigt.
Da die Branche sehr viele unterschiedliche Produktionszweige und -verfahren umfasst, können die Erkenntnisse auf andere Industriesektoren (wie z. B. Lebensmittel und Getränke, Textil, Leiterplatten, Metallverarbeitung) übertragen werden. Zunächst wurden 12 Subbranchen der Automobil- und Zulieferindustrie identifiziert und jene Prozesse ermittelt, die aufgrund ihrer Prozessanforderungen für die solarthermische Versorgung geeignet sind. Zu den Schlüsselprozessen gehören u. a. Galvanikprozesse in der Metalloberflächenbehandlung, Luftkonditionierungsschritte in der Fahrzeugindustrie sowie Wasch- und Färbeprozesse in der Textilindustrie.
Bundesminister Andreas Reichhardt: „Mit der Klima- und Energiestrategie #mission2030 haben wir klare Ziele für das nächste Jahrzehnt formuliert. Um diese erfüllen zu können, braucht es Innovationen, die den raschen Ausstieg aus der fossilen Energiewelt ermöglichen. Gemeinsam mit dem Klima- und Energiefonds setzen wir durch unsere Energieforschungs- und Innovationsprogramme konkrete Umsetzungsschritte.“
Unbestritten ist, dass eine starke und nachhaltige Industrie die Basis für Wachstum, Wohlstand und viele Arbeitsplätze in Österreich ist. Um die Klimaziele zu erreichen müssen über Forschung, Technologie und Innovation aber möglichst bald auch saubere Technologien in diesem Sektor zum Zuge kommen. Ein nicht immer einfacher Spagat. Die Technologieführerschaft und Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Industrie und österreichischer Unternehmen wird somit neu definiert und um den Faktor Nachhaltigkeit erweitert. Auch international inzwischen ein Gütesiegel und mit großer Nachfrage im Technologieexport.
Die Energieforschungs- und Innovationsprogramme des BMVIT und des Klima- und Energiefonds sind zentrale Instrumente für Innovation in der Energie-und Klimapolitik der Bundesregierung und leisten damit einen zentralen Beitrag für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg Österreichs. Seit 2007 hat der Klima- und Energiefonds in Kooperation mit dem Infrastrukturministerium rund 400 Millionen Euro in mehr als 800 Energie- und Mobilitätsforschungsprojekte investiert. Die Strategie ist gezielt auf Technologien mit hohem Wachstumspotenzial im In- und Ausland ausgerichtet. Als One-Stop-Shop begleitet der Klima- und Energiefonds mit Instrumenten der Forschungs- und Umweltförderung den gesamten Innovationsprozess von der Forschung bis zur Demonstration.
Wichtige energiepolitische Maßnahmen auf dem Weg zur schrittweisen Dekarbonisierung des Industriesektors sind unter anderem ein verstärkter, unverzögerter Ausbau der erneuerbaren Energien, die Schaffung integrierter europäischer Energie-infrastrukturen sowie die Nutzung neuer Optionen zur Kopplung der Energiesektoren.