Kategorie Innovation & Technologie - 11. Februar 2016
Internet der Dinge zum Nachrüsten
Wien – Ein Internet der Dinge, also die virtuelle Vernetzung realer Gegenstände mithilfe von Sensoren, ist eines der Kernkonzepte, die unsere Technikzukunft prägen sollen. Fitnessarmbänder und vernetzte Wohnungen sind dabei nur erste Vorboten. In der Industrie sollen die entsprechenden Ideen von Smart Manufactoring oder Industrie 4.0 einen höheren Automatisierungsgrad und individuellere Produkte bringen. In der Praxis steckt die neue Technik aber noch in den Kinderschuhen.
Dem verheißungsvollen Blick in eine Welt voll vernetzter Objekte setzen die Gründer des Start-ups LineMetrics aus Haag in Niederösterreich eine pragmatische Lösung entgegen, die Sensorsysteme bereits jetzt nutzt, um vorhandene, noch nicht so intelligente Maschinen, Räume oder Produkte zu überwachen, die Datenlage über reale Vorgänge zu verbessern und Kennzahlen abzuleiten.
Die Kernidee: Sensoren, die verschiedenste Ist-Zustände vom Energieverbrauch von Maschinen über die Luftfeuchtigkeit in einer Lagerhalle bis zum Füllstand von Gasflaschen messen, geben gesammelte Daten über eine Vermittlungsstation per GSM-Netz an eine Cloud-Lösung weiter, wo die Werte in Datenbanken geordnet und zur Auswertung und Visualisierung bereitstehen.
Energieverbrauch im Detail
„Eine Möglichkeit ist, Energiemessgeräte in die Spannungsversorgung einer Anlage einzubauen“, erklärt Gründer Reinhard Nowak eine der ersten Ideen im Unternehmen. „Man kann so etwa herauslesen, wann eine Maschine abgeschaltet ist, wann sie im Standby-Modus ist oder wann der Verbrauch hoch ist“, so Nowak. „Insgesamt können an die 100 Parameter wie Stromstärke, Phasenverschiebung oder Blindstrom ausgelesen werden.“ Kombiniert mit dem Output der Anlage kann man dann etwa die produzierte Stückzahl und den Energieverbrauch in ein Verhältnis setzen. „Wo man früher Daten aus verschiedenen Quellen in ein Excel-File zusammenkopiert hat, um vergleichbare Kennzahlen zu ermitteln, werden Werte jetzt parallel erfasst und automatisch in Beziehung gesetzt.“
Die Einfachheit sei das bestechendste Merkmal des Systems, sagt Nowak. „Einen Sensor samt LineMetrics Box in eine Anlage zu integrieren, dauert nur wenige Minuten.“ Das gesamte Service inklusive Hardware wird von Kunden für ein monatliches Entgelt gemietet.
An der Idee, einfache Monitoring-Lösungen für Produktionshallen zu schaffen, haben Nowak, davor Entwickler von Softwarelösungen für die Automobilbranche, und sein Mitgründer, der Medientechniker Wolfgang Hafenscher, bereits ab 2011 gearbeitet. Die vier Gründer von Runtastic, dem erfolgreichen, mittlerweile an Adidas verkauften Fitness-App-Anbieter aus Oberösterreich, haben die Idee unterstützt und wurden wie später auch Runtastic-Investor Johann Hansmann zu Business Angels. 2012 wurde die GmbH gegründet. Zu Nowak und Hafenscher stieß noch der Wirtschaftsingenieur Alexan- der Dopler. Förderungen kamen vom Land Niederösterreich, von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und vom Seed-Programm der Förderbank AWS.
Die Unternehmer wagten sich in die Hardware-Produktion, mit all den Schwierigkeiten, die die Überführung eines Konzepts in die Serienfertigung mit sich bringt – für Nowak und Kollegen eine „steile Lernkurve“. Zuletzt wurden drahtlose Sensor-Adapter entworfen, die gleichzeitig als Router fungieren und die Daten an ihre Nachbar-Sensoren weiterleiten, bis sie die LineMetrics-Box, den Minicomputer mit GSM-Verbindung erreichen, der die Daten im Minutentakt an die Cloud weiterleitet. 2015 stießen mit der Schweizer Martin Global AG und dem Windkraftbetreiber Püspök noch zwei weitere Investoren und Know-how-Geber hinzu. 17 Mitarbeiter zählt das Unternehmen heute.
Es blieb allerdings nicht bei den Industrielösungen, obwohl sie laut Nowak ein wichtiges Standbein bleiben. „Vieles hat sich anders entwickelt, als bei der Gründung gedacht“, blickt der Unternehmer zurück. In Europas Produktionshallen mit ihrem ohnehin hohen Automatisierungsgrad war der Bedarf weniger hoch als erhofft. Dafür taten sich viele neue Anwendungsgebiete auf.
Gasflaschen und Kühlboxen
Beispielsweise werden Gasflaschen mit Sensoren ausgestattet, um ihren Füllstand zu messen. Lieferanten könnten so der Gastronomie anbieten, die Flaschen immer rechtzeitig auszutauschen. Ein Anwendungsfeld hat sich in der Gebäudetechnik ergeben: Zur Messung der Energieeffizienz etwa in Schulen werden Daten von Strom- und Heizenergiezähler ausgelesen sowie die Temperatur in den Klassenräumen erfasst.
Ein Lebensmittelhersteller überwacht tausende Supermarkt-Kühlboxen, um Probleme zu eruieren. Windräder wurden mit den Sensoren bestückt, um Leistungsinformationen in annähender Echtzeit zu erhalten und die Ertragsprognosen zu verbessern. Sogar in einer Fettverbrennungsanlage in Rom und einer Rosenfarm in Tansania schicken mittlerweile Daten an die LineMetrics-Cloud. (von Alois Pumhösel, Der Standard, 8.2.2016)
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