Kategorie Innovation & Technologie - 6. Oktober 2020

Urban Mining: Wien möchte via IÖB-Challenge den Baukreislauf ressourcenschonend reorganisieren

Als Zwischenlager wertvoller Materialressourcen beschreibt der dänische Architekt und Upcycler Anders Lendager Städte. Die Langlebigkeit und das Potential der Wiederverwendbarkeit von Materialien und Baustoffen würde derzeit aber nicht ansatzweise ausgenutzt. Materialien, die bei einem Umbau, einer Renovierung oder einem Gebäudeabriss frei werden, landen immer noch viel zu oft auf der Deponie. Sie werden so bereits vor Ende ihrer Lebenszeit entsorgt. Sehr viel länger könnten solche Ressourcen mit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft sowie mit dem Konzept des Urban Mining im Umlauf bleiben. Über eine IÖB-Challenge möchte die Stadt Wien den Baukreislauf nun in diesem Sinne ressourcenschonend reorganisieren.

© Stadt Wien/Christian Fürthner

Die Stadt Wien sieht die Vorteile dieses nachhaltigen Wirtschaftsmodells und hat den Weg dorthin in der Smart City Wien Rahmenstrategie 2020 – 2050 festgelegt. In eigenen Bauprojekten der Stadt soll diese Form eines Kreislaufwirtschaftsmodells gezielt genutzt werden – von der Planung bis zum Abriss. Derzeit begeleitet die Stadt bereits Projekte der TU Wien, die den urbanen Metabolismus für einen zukünftigen Ressourcenkataster im Fokus haben. Dieser soll anzeigen, wann welche verbauten Ressourcen wieder frei werden. Das Ressourcenangebot aus ausschließlich städtischen Ab-Bauten reicht aber aus Sicht der Stadt Wien nicht aus, um den Ressourcenkreislauf zum Laufen zu bringen. Für ein tragfähiges Konzept will die Stadt Wien die ganze Baubranche auf die Reise zu re-use in Bau- und Materialwirtschaft mitnehmen. Im Jahr 2050 sollen dann 80 Prozent der Bauteile, Materialien von Abrissgebäuden, Großumbauten und Sanierungen in der Stadt Wien wiederverwendet werden.

Um eine optimierte Kreislaufwirtschaft bei Bauvorhaben der Stadt realisieren zu können, sind hochgradig vernetzte Strukturen und standardisierte Prozesse Voraussetzungen: Beschaffungsverantwortliche brauchen etwa eine Übersicht zu Planungs- und Architektenbüros, die integrale Bauprozesse gestalten können. Diese wiederum benötigen Informationen zu verfügbaren Sekundärprodukten. Ein wichtiger Puzzlestein ist hierbei ein gebündelter und koordinierter Markt für Sekundärprodukte. Bau und Abbau müssen für die Realisierung regionaler Wiederverwendung synchronisiert sein. Dadurch wird re-use bei Bauprojekten überhaupt erst möglich.

 

Die Stadt Wien möchte eine Entwicklung in der Baubranche anstoßen. Sie sucht den Austausch mit Unternehmen, die einen europaweiten Marktplatz bzw. eine Plattform für RE-USE in Bau- und Materialwirtschaft als selbsttragendes Geschäftsmodell lancieren und betreiben möchten. Über die Challenge möchte die Stadt Wien tragfähige Konzepte (Business Cases) kennenlernen und im Anschluss daran eine Partnerschaft eingehen, um die Realisierung zu unterstützen.

Die zentrale Frage der Challenge lautet daher: Wie sieht ein sich wirtschaftlich selbstragender Marktplatz aus, der die Voraussetzungen für eine kreislauffähige Bauwirtschaft schafft?

Die Stadt Wien sieht sich dabei als strategische Kundin, die das Service, das sie später in Anspruch nehmen will, mitgestaltet. Sie möchte ihre Erfahrung und ihr Netzwerk an öffentlichen Institutionen (und somit weiteren potentiellen Kunden) in die Unternehmung einbringen. Langfristig angestrebtes Ziel ist es, ein Modell zu schaffen, das vom Markt angenommen wird und sich selbst trägt.

Zentrale Funktionen und Aspekte des Marktplatzes Kreislauffähige Bauwirtschaft aus Sicht der Stadt Wien:

  • Akteure aus dem Baubereich können ihre relevanten Leistungen und Produkte bewerben und vertreiben
  • freiwerdende/freigewordene Sekundärmaterialien und Bedarfe finden nach räumlichen und zeitlichen Gesichtspunkten zueinander

Unternehmen bringen sich durch die Beteiligung an der Challenge als Vorreiter kreislauffähigen Bauens in Stellung. Der besondere Mehrwert dieser Challenge: für den Innovationsdialog haben FachexpertInnen wichtiger Fördergesellschaften ihre Teilnahme zugesagt.

Einreichungen sind bis inklusive 27. Oktober möglich. Die Marktgespräche im Rahmen eines Innovationsdialogs sind für den 2. Dezember geplant. Weitere Details zur Challenge finden Sie hier: https://www.ioeb-innovationsplattform.at/challenges/detail/von-der-planung-bis-zum-abriss-den-baukreislauf-neu-organisieren/

Der Metabolismus in der Architektur verfolgt den Gedanken, organische Lebenszyklen von Geburt und Wachstum auf Städtebau und Architektur zu übertragen. Flexible, erweiterbare Großstrukturen (vergleichbar Stamm und Ästen eines Baumes) sollten dies ermöglichen, indem etwa Baumodule (vergleichbar mit den Blättern) dynamisch ausgetauscht werden können sollten. Beispielentwürfe integrierten Verkehrsinfrastruktur (Bahnen, Straßen, Aufzüge) als Lebensadern verwoben in diese Strukturen. Nach Auffassung der Metabolisten reichten die bisher gültigen Gesetze von Form und Funktion bei der Gestaltung von Städten nicht mehr aus. Die neuen, zukünftigen Anforderungen der Kultur und Gesellschaft erforderten die Einbeziehung der Gesetze des Raumes und des stetigen Funktionswandels.

Warum IÖB-Challenges?

Die öffentliche Verwaltung in Österreich punktet durch eine hohe Qualität und Verlässlichkeit. Und dennoch steht der öffentliche Sektor vor einigen Herausforderungen, wie etwa Effizienzsteigerung, Bewältigung des Generationswechsels oder die Nutzung neuer Technologien, wie Künstliche Intelligenz.

Vor diesem Hintergrund unterstützt die IÖB-Initiative von BMK und BMDW öffentliche Beschaffer mit einem breiten Serviceangebot und einer europaweit einzigartigen Open-Innovation-Plattform.

Um die öffentliche Verwaltung zukünftig noch effizienter, bürgernäher und innovativer zu gestalten, unterstützt die 2013 ins Leben gerufene IÖB-Servicestelle (IÖB: Innovationsfördernde Öffentliche Beschaffung) mit kostenlosen Services und einem breiten Schulungs- und Beratungsangebot.

Herzstück der Initiative ist die IÖB-Innovationsplattform. Auf dieser Plattform ruft die IÖB-Servicestelle regelmäßig zu IÖB-Challenges auf, um öffentlichen Auftraggebern in Österreich die Suche nach innovativen Lösungen zu erleichtern. Die Challenges folgen dem Open Innovation Ansatz und geben Unternehmen die Chance, vielseitige und neue Lösungsansätze aufzuzeigen.

Wie funktionieren die Challenges?

Öffentliche Auftraggeber können eine Herausforderung veröffentlichen – Unternehmen werden dann aufgefordert, ihre Ideen und Lösungsvorschläge online einzureichen. Eine Jury bewertet diese und lädt die spannendsten Unternehmen zu einem Innovationsdialog ein. Die IÖB-Servicestelle begleitet und moderiert durch den gesamten Prozess und akquiriert Unternehmen für eine Teilnahme.

INFObox: Die IÖB-Servicestelle ist eine Initiative des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) zusammen mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) in Kooperation mit der Bundesbeschaffung GmbH und gleichzeitig der One-Stop-Shop zum Thema innovationsfördernde öffentliche Beschaffung. Als Netzwerk- und Unterstützungsstelle für alle Innovatoren in der öffentlichen Verwaltung baut die IÖB-Servicestelle Brücken zwischen innovativen KMUs bzw. Startups und öffentlichen Institutionen. Das Serviceangebot richtet sich an alle öffentlichen Institutionen der Republik sowie öffentliche Unternehmen. Gemeinsames Ziel ist es über die Beschaffung innovativer Lösungen Effizienz- und Modernisierungsimpulse im öffentlichen Sektor zu setzen und gleichzeitig die Wertschöpfung am Standort Österreich zu stärken.