Kategorie Innovation & Technologie - 21. April 2019

Per Elektroantrieb durchs All

Erderkundungssatelliten, die mit hochauflösender Radarsensorik bestückt sind, waren bisher zumindest eine dreiviertel Tonne schwer. Mit dem Trend zu Kleinsatelliten brechen aber auch in diesem Bereich neue Zeiten an. Das finnische Start-up Iceye hat es geschafft, Kleinsatelliten mit Radargeräten zu bauen, die weniger als 100 Kilo wiegen.

Iceye kooperiert bereits mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA und dem Ölkonzern Exxon Mobil. Die Minisatelliten sollen etwa bei Naturkatastrophen oder für Monitorings der Eisbedeckung herangezogen werden.

 

Eine neue Technologie, die dem Trend zum kleineren Satelliten – im wahrsten Sinne – neuen Schub verleiht, kommt aus Niederösterreich. Fotec, das Forschungsunternehmen der FH Wiener Neustadt, hat in den letzten Jahren die Grundlagen für elektrische Ionentriebwerke, die auf dem Prinzip der sogenannten Feldeffektemission aufbauen, entwickelt.

Der Antrieb, der seit 2016 im Spin-off Enpulsion zur Marktreife gebracht wurde, ist der erste seiner Art und kann Kleinsatelliten über Jahre hinweg im Orbit halten und sie danach kontrolliert in der Atmosphäre verglühen lassen. Auch Iceye greift auf diese Technik zurück. „Wir haben seit Sommer 66 Triebwerke an Kunden geliefert“, resümiert Enpulsion-Geschäftsführer Alexander Reissner. „Davon sind zehn bereits im Orbit.“

Austromir als Ausgangspunkt

Die Geschichte der Technologie, die heuer auch für den hochdotierten Houskapreis der B&C Privatstiftung nominiert ist, reicht lange zurück. Im früheren Forschungszentrum Seibersdorf wurden bereits Ionenquellen auf Flüssigmetallbasis entwickelt, die im All zum Einsatz kamen – wenn auch noch nicht als Antrieb.

Der Austronaut Franz Viehböck testete in den 90er-Jahren etwa ein Massenspektrometer auf der russischen Raumstation Mir, bei dem mittels hochbeschleunigter geladener Teilchen Atome aus Probenmaterialien zur Analyse herausgeschossen wurden. Eine andere Anwendung lag in der Erdung von Satelliten: Elektrisch aufgeladene Raumfahrzeuge wurden mittels Ionenströmen ausgeglichen.

Franz Viehböck mit dem Massenspektrometer MIGMAS-A. Der Ausbau zur kompletten Materialanalysestation (MIGMAS-B und -C) war für ein Nachfolgeprojekt geplant, wurde aber nie mehr eingesetzt. © BMBWF

Die damit befasste Seibersdorfer Forschungsabteilung ging später in der FH Wiener Neustadt und der Fotec auf, die Entwicklungsarbeit wurde hier weitergeführt. „Die Idee war, den Gesamtionenstrom deutlich zu erhöhen und auf diese Art für Schub zu sorgen“, blickt Bernhard Seifert, der heute den Bereich elektrischer Antriebssysteme bei Fotec leitet, zurück.

Zuerst lag der Hauptfokus allerdings auf der Entwicklung von Korrekturdüsen großer Satelliten. Derartige hochpräzise Thruster könnten etwa bei der kommenden ESA-Mission Lisa eingesetzt werden, bei der Gravitationswellen mithilfe von Satellitensystemen gemessen werden sollen – eine Mission, die allerdings erst für die 2030er-Jahre angesetzt ist.

Rückstoß sorgt für Schub

„Der Markt hat hier die langfristigen wissenschaftlichen Projekte überholt“, sagt Reissner. Nach langer Forschungsarbeit war die Technologie, die Indium als Treibstoff verwendet, so weit, um im Orbit erprobt zu werden. Das Indium wird mithilfe sogenannten Kronenemitter ionisiert und ausgestoßen – die zentrale Entwicklung hinter dem Antrieb. „Acht Jahre Entwicklungsarbeit stecken in der Optimierung dieser Elemente“, betont Seifert.

 

Trotz einer porösen Innenstruktur verjüngt sich der aus Wolfram bestehende Emitter an der Außenseite zu extrem dünnen Nadeln. Im Einsatz wird das Triebwerk auf 170 Grad aufgeheizt, wodurch das Indium zu schmelzen beginnt. Extrem hohe Spannung sorgt dafür, dass aus dem flüssigen Metall Ionen herausgerissen und ins All geschleudert werden. Der Rückstoß sorgt für Schub.

Im Spin-off Enpulsion, das mit Unterstützung des Horizon-2020-Programms der EU und der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) startete, konzentriert man sich auf die Serienfertigung für kommerzielle Kleinsatelliten. Das erste, 2018 im Orbit getestete Produkt verfügt über 250 Gramm Indium, erläutert Reissner.

„Ein Satellit kann damit bis zu acht Jahre im Orbit gehalten werden.“ Ein kommendes, größeres Modell soll 20.000 Stunden lang Schub bereitstellen. Letztendlich möchte man auch Satelliten ausstatten, die bis zu einer halben Tonne wiegen, und damit große Raumfahrtkonzerne als Kunden gewinnen.

Kommerzialisierung der Raumfahrt

Der Aufstieg der Kleinsatelliten verleiht der Kommerzialisierung der Raumfahrt starken Rückenwind. Während es sich früher nur kapitalstarke Unternehmen leisten konnten, Satelliten ins All zu schießen, werde der Einstieg nun niederschwelliger, ist Reissner überzeugt.

„Man ersetzt einen großen durch eine Konstellation von dutzenden Kleinsatelliten. Insgesamt ist das vielleicht nicht billiger. Aber man kann mit einem ersten Modell die Funktionalität demonstrieren und Investoren gewinnen und dann kontinuierlich die Technologie verbessern.“

Bei Enpulsion werden zurzeit zwei Antriebsmodule pro Woche hergestellt und an Kunden weltweit verschickt. Die Satelliten, die damit bestückt werden, dienen nicht nur der Erdbeobachtung und der Informationsübertragung.

Reissner: „Einer unserer Partner arbeitet daran, mit Sonden zu erdnahen Asteroiden – sie sind etwa 70-mal weiter weg als der Mond – zu fliegen, um sie zu untersuchen und eine Art Schatzkarte für einen künftigen Rohstoffabbau zu zeichnen.“

Alois Pumhösel, DerStandard

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) investiert als Weltraumministerium jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben. Die Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (aws) ist die Förder- und Finanzierungsbank der Republik Österreich. Eigentümervertreter sind das BMVIT sowie das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Die aws wurde 2002 gegründet und vergibt jährlich etwa eine Milliarde Euro an Förderungen an die österreichische Wirtschaft.