Kategorie Klima- & Umweltschutz - 11. November 2022
Was ist angesichts drastischer Klimafolgen von der COP27 zu erwarten?
Erneut versucht die Staatengemeinschaft bei einer Weltklimakonferenz (COP) den fortschrittenen menschengemachten Klimawandel einzubremsen. Die COP27, die 27. Ausgabe der Klimakonferenz findet heuer regulär von 6. bis 18. November im ägyptischen Sharm el-Sheikh statt und läuft unter dem Motto: „Gemeinsam für eine gerechte, ambitionierte Umsetzung jetzt“. Was für den Planeten auf dem Spiel steht, wurde kurz vor Beginn der COP27 nochmal deutlich: Berichte der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zum Zustand des Weltklimas glichen einmal mehr düsteren Prognosen, weniger denn je Hoffnungsschimmern.
Immer heißer, immer extremer: die vergangenen acht Jahre waren laut Auswertung wohl die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen überhaupt, das Tempo des Meeresspiegel-Anstiegs hat sich seit 1993 verdoppelt und das 1,5-Grad-Ziel ist kaum noch in Reichweite. Zur Erinnerung: Klimaforschenden zufolge muss die Erderhitzung bei 1,5 Grad gestoppt werden, um die Überschreitung gefährlicher Kipppunkte zu vermeiden und die katastrophalsten Folgen des menschengemachten Klimawandels abzuwenden.
Überdurchschnittlicher Temperaturanstieg in Europa
Die weltweite Durchschnittstemperatur lag zuletzt schätzungsweise rund 1,15 Grad über dem Durchschnitt der vorindustriellen Zeit. Das Wetterphänomen La Niña habe zwar die Temperaturen etwas gemindert, womit 2022 nur als fünft- oder sechstwärmstes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in die Statistik eingehen werde, heißt es in dem Bericht – es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis ein neues Wärme-Rekordjahr gemessen werde. Das alle paar Jahre auftretende Wetterphänomen La Niña drückt die globale Durchschnittstemperatur, weil sich dabei die oberen Wasserschichten des tropischen Ostpazifiks ungewöhnlich stark abkühlen.
Besonders betroffen ist auch unser Kontinent. In Europa verlief der Temperaturanstieg der vergangenen 30 Jahre doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. „Während der Erwärmungstrend anhält, werden außergewöhnliche Hitze, Waldbrände, Überschwemmungen und andere Auswirkungen des Klimawandels die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Ökosysteme beeinträchtigen“, teilte die WMO mit.
Drastische Folgen für Natur, Menschen und Tiere drohen so auf nahezu allen Kontinenten. Hitzewellen, Dürren und Flutkatastrophen haben allein in diesem Jahr Millionen Menschen weltweit betroffen und Milliardenkosten verursacht. Bis Mitte des Jahres waren unter anderem durch extrem lang anhaltende Dürren im Osten Afrikas bis zu 19,3 Millionen Menschen von unsicheren oder unzureichendem Zugang zu Nahrungsmitteln betroffen. Die Fluten in Pakistan kosteten mindestens 1.700 Menschen das Leben und vertrieben fast acht Millionen Menschen aus ihrer Heimat.
Nachschärfen für Klimagerechtigkeit
Vor allem jene Länder, die ihre Klimaziele noch nicht nachgebessert haben, sind gefordert. Europa hat bereits 2020 ein Klimaneutralitätsziel für 2050 und ein verbindliches Klimaschutzgesetz mit einer Emissionsreduktion von minus 55 Prozent bis 2030 vorgelegt. Auch Österreich hat in den letzten Jahren eine Aufholjagd gestartet – etwa mit dem Klimaticket, der Transformationsoffensive für die Industrie oder dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz. So wird Österreich mit einem konsequenten Umbau des Energiesystems bis 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen können und bis 2040 klimaneutral sein.
Nachdem für Österreich zu Beginn der COP Bundespräsident Alexander Van der Bellen an der Konferenz teilnahm, wird Klimaschutzministerin Leonore Gewessler für die zweite Woche gemeinsam mit hochrangigen Beamten sowie Experten und Expertinnen des Klimaschutzministeriums (BMK) nach Ägypten reisen.
„Die COP27 findet in einer Zeit statt, in der wir mit multiplen Krisen konfrontiert sind. Gerade deshalb müssen wir noch näher zusammenrücken – und dürfen nicht zulassen, dass die Energiekrise den Blick auf die größte Herausforderung unserer Zeit verstellt“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Antworten auf die Klimakrise seien auch Antworten auf die Herausforderungen in der aktuellen Energiekrise. „Das zeigen wir gerade jetzt auch in der EU mit der Umsetzung des Green Deal.“
(3/3) Bis 2026 wird das @BMKlimaschutz zusätzlich 220 Mio Euro für internat. Klimafinanzierung zur Verfügung stellen. Das ist eine signifikante Erhöhung der Mittel. Dass 🇦🇹 hier durch einen höheren Beitrag Solidarität zeigt, ist auch mir als Bundespräsident wichtig. (vdb)
— A. Van der Bellen (@vanderbellen) November 8, 2022
Zentrales Thema der COP27 ist die Klimagerechtigkeit zwischen dem Globalen Norden und Süden. Wichtig ist dabei der Erhalt der Ausgewogenheit zwischen Klimaschutz – also Mitigation – und der Klimawandel-Anpassung – also Adaptation sowie Loss and Damage, also den Verlusten und Schäden, die durch die Klimakrise verursacht werden. In allen drei Bereichen muss die internationale Staatengemeinschaft ambitionierter und auch rascher handeln.
Gewessler wird für die EU als Verhandlungsführerin bei den Gesprächen im Bereich Adaptation auftreten. Auch das Expert:innenteam des BMK hat bei zahlreichen Themen wichtige Rollen innerhalb der EU sowie auf internationaler Ebene inne, etwa im Bereich der Klimafinanzierung oder Anpassung.
Die vulnerabelsten Länder der Welt leiden ganz besonders unter den Folgen der #Klimakrise – und fordern zu Recht mehr Unterstützung durch die Industriestaaten. #Österreich 🇦🇹 übernimmt Verantwortung und wird zum Vorreiter in der internationalen #Klimafinanzierung. 💚🌍 (1/2) pic.twitter.com/EzEVcHfNTR
— Leonore Gewessler (@lgewessler) November 8, 2022
Fest verbunden mit sogenannter Klimagerechtigkeit ist die internationale Klimafinanzierung. Dieses Jahr steht auf der COP Loss and Damage besonders im Fokus – also die Finanzierung von Maßnahmen für die Behebung, Vermeidung und Minimierung von Schäden, die durch die Klimakrise verursacht wurden. Österreich wird dafür in den nächsten Jahren 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen – und übernimmt damit eine Vorreiterrolle. Zum Vergleich: Belgien hat 2,5 Millionen für Loss and Damage zugesagt, Dänemark 13,4 Millionen. Insgesamt stockt das Klimaschutzministerium über die nächsten vier Jahre die Mittel für die internationale Klimafinanzierung um 220 Millionen Euro auf.
„Bei der COP in Sharm El-Sheikh haben wir zwei große Aufgaben als Staatengemeinschaft vor uns. Zum einen müssen wir weitere Schritte setzen, um die Emissionen massiv zu reduzieren, und das so schnell wie möglich. Denn wir sind von unserem Ziel, den menschengemachten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, derzeit noch weit entfernt. Zum anderen geht es um die Frage, wie Industriestaaten jene Länder am besten unterstützen können, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden“, so Gewessler.
„Auch hier sind wir gefordert, mehr zu tun. Österreich übernimmt eine Vorreiterrolle und stellt in den nächsten Jahren insgesamt 340 Millionen Euro für die Klimafinanzierung zur Verfügung.“ Hintergrund ist auch, dass besonders jene Menschen im globalen Süden, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich seien, am stärksten darunter litten.
Die Veranstaltung hat in der Zwischenzeit gewaltige Dimensionen angenommen. Es werden rund 45.000 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Umweltorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) bei dem Treffen erwartet. Die Entscheidungskompetenz für abschließende Verträge liegt allerdings ausschließlich bei der Politik. Alle Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden und auch das kleinste Land hat die Möglichkeit, ein Veto einzulegen und so Verhandlungen zum Scheitern zu bringen.
CO2-Emissionen auch 2022 auf Rekordniveau
Was trotz drastischer Warnungen der Klimaforschung am Ende von dieser COP bleibt, steht vorerst noch in den Sternen. Fakt ist, dass trotz all dieser Warnungen zur Klimakrise die globalen CO2-Emissionen auf Rekordniveau liegen. Es gebe schlicht „keine Anzeichen für einen Rückgang“, wie ein Forscherteam im Bericht Global Carbon Budget 2022 (GCB) festhält, während in Ägypten die Verhandlungen laufen. Die Gesamtemissionen – aus Landnutzung und Verbrennung fossiler Brennstoffe – dürften sich demnach in diesem Jahr auf 40,6 Milliarden Tonnen belaufen und liegen so nur knapp unter dem Rekordjahr 2019.
🆕 Today is the day that we get the annual update on global CO₂ emissions from the @gcarbonproject.
Projects a 1% increase in 2022.
This also gives us updated results for all countries in 2021. We've updated all of our CO₂ charts on @OurWorldInData for you to explore 🧵
— Hannah Ritchie (@_HannahRitchie) November 11, 2022
Damals waren es 40,9 Milliarden Tonnen, wie aus dem GCB-Bericht hervorgeht, der im Fachjournal „Earth System Science Data“ veröffentlicht wurde. Der von Menschen verursachte CO2-Ausstoß gilt als Hauptursache für die Erderhitzung. Daneben spielen auch andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas ein Rolle.
Sollten die CO2-Emissionen in den kommenden Jahren weiterhin so hoch bleiben, wird die Menge an CO2, die für eine 50-prozentige Chance zum Einhalten des 1,5-Grad-Ziels noch ausgestoßen werden darf, laut dem Bericht in neun Jahren verbraucht sein. In Sharm El-Sheikh muss die internationale Staatengemeinschaft nun zeigen, dass ihr der Ernst der Lage und die Klimakrise als drängenste Aufgabe unserer Zeit wirklich bewusst sind.
Klima-Glossar: Wie Treibhauseffekt, Jetstream & Kippelemente die Erde prägen (werden)