Kategorie Energie - 2. Februar 2021
»Klimaschutz gelingt nur ohne Kernkraft«
„Die Kernenergie ist nicht nachhaltig und kein Beitrag zum Klimaschutz.“
Das ist das Fazit der Studie „Die Taxonomie-Verordnung und Kernenergie unter Berücksichtigung der DNSH-Kriterien: eine Literaturstudie“, die vom Klimaschutzministerium (BMK) beauftragt und von Sigrid Stagl, Professorin der WU Wien, durchgeführt wurde.
Die Ergebnisse dieser Studie wurden in einer Pressekonferenz am 2. Februar 2021 mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Sigrid Stagl, Professorin für Umweltökonomie und Umweltpolitik an der Wirtschaftsuniversität (WU Wien), präsentiert.
Österreichs Haltung zum Thema Kernenergie ist seit langem hinreichend bekannt. Weiters hat Österreich wiederholt festgestellt, dass Kernenergie als Energiequelle nicht erneuerbar ist, nicht zur Erreichung der Klimaziele beiträgt und deswegen am Energiemix der Zukunft nicht teilhaben sollte.
Zu diesem wichtigen Thema wird naturgemäß auch auf europäischer Ebene debattiert, unter anderem im Rahmen der Taxonomie Verordnung. Diese Verordnung schafft EU-weite, wissenschaftlich fundierte Regeln, die vorgeben welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig zu bewerten sind und welche nicht.
Die Taxonomie-Verordnung soll durch diese Bewertung dazu beitragen, „Greenwashing“ zu vermeiden und mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz zu fördern. Ziel ist, Wirtschaftsakteure zu befähigen, aktiv den Umbau hin zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen und belastbaren Wirtschaft und Gesellschaft mitzugestalten.
Bei der Frage der Nachhaltigkeit der Kernenergie gehen die Ansichten und Positionen der EU – Mitgliedsstaaten weit auseinander. Das Anliegen des österreichischen Klimaschutzministeriums (BMK) war es, einen Beitrag dazu zu leisten, die laufende europaweite Diskussion auf eine faktenbasierte, objektive Ebene zurückzuführen.
Das Klimaschutzministerium hat dahingehend die eingangs erwähnte Studie bei Prof. Sigrid Stagl, einer anerkannten Expertin im Bereich der Umweltökonomie beauftragt. Im Rahmen dieser Studie wurde untersucht, ob die Kernenergie den Kriterien der Taxonomie-Verordnung entspricht und damit als „nachhaltig“ bezeichnet werden kann.
Die Studie kommt zu folgenden zentralen Erkenntnissen:
Die Kernkraft leistet keinen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz.
Die Kernenergie ist zwar eine Energiequelle, die weniger CO2-Emissionen als fossile Brennstoffe verursacht. Allerdings gibt es andere Energiequellen, erneuerbare Energieträger (Sonne, Wind, Wasser), mit noch geringeren Treibhausgasemissionen, deren Beitrag zum Klimaschutz nicht durch vergleichsweise hohe Risiken infrage gestellt wird.
Die Kernenergie erfüllt die Taxonomie-Voraussetzung „Do No Significant Harm“ betreffend alle in der Taxonomie genannten Umweltziele nicht.
Diese Umweltziele sind Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser-und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.
Wichtige Punkte der wissenschaftlichen Literatur diesbezüglich sind die folgenden:
- Risiken nuklearer Unfälle können nicht ausgeschlossen werden.
- Durch erhöhte Temperaturen führt der Schutz gegen Klimawandelauswirkungen zu steigenden Kosten bei Kernkraftwerken (KKW). Gleichzeitig sinkt die Produktivität von KKW wegen extremer Klimaschwankungen.
- Kernkraft benötigt überdurchschnittlich viel Wasser – erhöhte Wassertemperaturen und reduzierte Wasserführung haben bereits zu Unterbrechungen der Stromerzeugung geführt.
- Beim Abbau von Uran fallen erhebliche Mengen an Abfallstoffen und Prozesswasser an, die schwach radioaktive Stoffe, Metalle und Säure enthalten.
- Die Frage der Lagerung hochradioaktiver Stoffe ist nach wie vor ungeklärt. Abfälle werden immer noch zwischengelagert und stellen eine weitere Gefahr dar, für die keine weitreichenden Lösungen existieren.
Die Kernenergie entspricht nicht den internationalen Sozialstandards, die im Rahmen der Taxonomie vorausgesetzt werden.
Uranbergbau und -verarbeitung, die für den Betrieb von Kernkraftwerken notwendig sind, haben immer wieder mit Menschenrechts-und Sicherheitsfragen zu kämpfen. Dies betrifft sowohl die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Bergwerken als auch das Menschenrecht auf Zugang zu Ressourcen, wie zu sauberem Wasser und Land für die lokale Bevölkerung.
Weitere Studienergebnisse:
- Die politische, wirtschaftliche, soziale und technische Durchführbarkeit von Sonnen-und Windenergie und Stromspeichertechnologien hat sich in den letzten Jahren extrem gesteigert. Kernenergie hingegen kann keine diesbezüglichen Verbesserungen verzeichnen.
- Kernenergie ist in weiten Teilen der Welt gesellschaftlich wenig akzeptiert.
- Erneuerbare Energieträger sind hingegen einfach realisierbar, weitgehend risikofrei, wirtschaftlicher und werden mit jedem Jahr kostengünstiger.
- Ein Verlass auf die Kernenergie zur Senkung der Treibhausgasemissionen würde wegen der langen Entwicklungszeiten die Stilllegung von fossil befeuerten Kraftwerken verzögern, da letztere für diese Zeit in Betrieb bleiben – damit wäre die Erreichung der Klimaziele nicht mehr möglich.
- Kernenergie behindert aufgrund der hohen Kapitalintensität den Einsatz anderer CO2-emissionsarmer Alternativen, weil dieses Kapital für den Ausbau alternativer Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasser sinnvoller eingesetzt werden könnte.
- Die Kernenergie geht weiterhin einher mit Risiken nuklearer Unfälle, Risiken des Uranabbaus, finanziellen und regulatorischen Risiken, ungelösten Fragen der Abfallentsorgung und Bedenken hinsichtlich der Verbreitung von Kernwaffen.
- Kernenergie ist keine brauchbare Übergangs- und Überbrückungstechnologie.
Die komplette Studie und weitere Infos:
BMK Artikel: Warum Kernenergie keine „grüne“ Investition ist