Kategorie Innovation & Technologie - 12. April 2021
Klimastatusbericht: 2020 war zu warm, zu trocken & zu stürmisch
Klimastatusbericht 2020 für Österreich zeigt: Die Reihe an außergewöhnlich warmen Jahren setzt sich fort – 2020 brachte zweitwärmsten Winter seit 1768
Das vorige Jahr war zu warm, zu trocken und zu stürmisch, berichtet Herbert Formayer von der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien mit Kolleg:innen im aktuellen Klimastatusbericht 2020. Der Bericht, der jährlich im Auftrag des Klima- und Energiefonds und der Bundesländer erstellt wird, beschreibt jeweils das vergangene Klimajahr. Mit einem Februar, der 4,5 Grad Celsius zu warm war, geht der Winter 2019/2020 damit als zweitwärmster Winter in die 253-jährige Messgeschichte ein. Stürme im Februar legten ganze Verkehrsadern lahm und beschädigten – mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten als Folge – die heimische Infrastruktur.
Am ersten Jänner 2021 begann für die Klimaforschenden eine neue 30-jährige Messperiode. In den drei Jahrzehnten von 1991 bis 2020 wurde es in Österreich im Vergleich zur vorigen „Klimanormalperiode“ (1961-1990) um 1,3 Grad Celsius wärmer – mit drastischen Folgen für die Bevölkerung, Landwirtschaft und den Tourismus.
„Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit und schon lange in Österreich angekommen“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. „Wir müssen jetzt handeln, um sie zu stoppen. Der Klimastatusbericht zeigt uns ganz deutlich die Folgen für unsere Regionen, liefert aber auch wichtige Daten, damit wir punktgenaue Maßnahmen setzen können.“
Besonders die Menschen in der Stadt würden unter der zunehmenden Hitzebelastung leiden, so Formayer, der am Institut für Meteorologie und Klimatologie der BOKU Wien arbeitet. Die Anzahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius hat sich in den Landeshauptstädten verdoppelt bis vervierfacht. Auch „Tropennächte“, bei denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius sinkt, kämen nunmehr regelmäßig in allen Bundesländern vor. Sie sind eine große Belastung für den menschlichen Kreislauf. „Zuvor, also in der Periode von 1961 bis 1991 gab es etwa in Klagenfurt und Innsbruck hingegen keine einzige derart warme Nacht“, so der Forscher.
Die Land- und Forstwirtschaft wird vermehrt von Unwettern, Schädlingen und Waldbränden heimgesucht. Diese Ernteausfälle werden aber teils durch stärkeres Pflanzenwachstum wegen der höheren Temperaturen und längeren Vegetationsperioden kompensiert. Der Wintertourismus wird vermehrt mit Schneemangel kämpfen müssen. Laut dem Forschungsprojekt „Future Snow Cover Evolution in Austria – FUSE“ hat die mittlere Schneehöhe zwischen November und April in Österreich zwischen 1961 und 2020 um 15 Zentimeter abgenommen. Der Schnee bedeckt das Land im Mittel um 42 Tage weniger. Vor allem in den Tallagen gibt es deutlich weniger Tage mit geschlossener Schneedecke, die Zeiten mit „winterlichem Erscheinungsbild“ sind verkürzt und besonders im Advent regnet es häufiger.
Das Jahr 2020 war wieder extrem warm – und hinter 2018, 2014, 2019 und 2015 das fünftwärmste der 253-jährigen Messgeschichte. Zunächst ließen Stürme im Februar mit teils orkanartigen Windspitzen Bäume auf Straßen, Schienen, Autos, Häuser und Stromleitungen fallen. Zehntausende Haushalte waren stundenlang ohne elektrischen Strom. Die Stürme bewerkstelligten Anfang 2020 auch, was nicht einmal die Covid-19-Pandemie im heurigen Winter schaffte: Skilifte standen still.
Besonders einschneidend war für Formayer die starke Trockenheit im Frühjahr 2020, wie er gegenüber der APA mitteilte. Dies könnte dem Land noch öfter blühen, denn es gab mittlerweile schon mehrere Jahre, wo sich in Mitteleuropa im April stabile Hochdrucklagen aufbauen. „Das ist für die Landwirtschaft problematisch, weil die Pflanzen in dieser Zeit noch keine guten Wurzeln haben“, erklärte er. Zahlreiche Wald- und Flurbrände brachen aus: Rund 700 Hektar vom Schilfgürtel des Neusiedler Sees standen in Flammen, das entspricht der Fläche von rund 1.000 Fußballfeldern. In Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg brannten ebenfalls Wälder.
„Zum Glück ist dann ein relativ nasser Juni gefolgt“, so der Forscher. Er leitete einen feucht-warmen Sommer ein. „Früher war es klar, dass ein feuchter Sommer auch kalt ist“, sagte er. Denn durch die Bewölkung gäbe es weniger Sonneneinstrahlung und bei der Verdunstung kühlt sich die Umgebung ab (so wie Schwitzen den Körper kühlt). Durch den rasch voranschreitenden Klimawandel wären aber nun auch in feuchten Sommern die Temperaturen „normal“ hoch. „Das wird in Zukunft Probleme für die Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit verursachen, weil Feuchtigkeit und Wärme das Wachstum von Schimmel und anderen Pilzerkrankungen steigern“, so Formayer.
Weiters gab es 2020 sehr starke Niederschläge durch feuchte Luftmassen aus dem Mittelmeerraum. „Dies ist nichts Besonderes mehr und daran müssen wir uns wohl gewöhnen“, meint er. Das Mittelmeer sei viel wärmer als früher und gäbe somit mehr Feuchtigkeit ab. Diese sammelt sich in der Luft und wenn ein „Italientief“ gen Norden zieht, bringt es „riesige Wassermengen“ mit sich, die sich hierzulande abregnen.
In Osttirol und Oberkärnten verursachte in den letzten Monaten des Vorjahres ein Wintereinbruch mit Rekordmengen an Neuschnee Verkehrsbehinderungen. Mehrere tausend Haushalte waren vorübergehend ohne Strom. In tieferen Lagen bei Lienz kam der Niederschlag hingegen als Regen zu Boden, überflutete zahlreiche Keller und Straßen und verursachte Hangrutsche.
Formayer stellt den Klimastatusbericht Österreich 2020 am Montagnachmittag bei einer Onlinekonferenz zum „21. Österreichischen Klimatag“ vor, die vom 12. bis 13. April stattfindet. Der Bericht wurde vom Climate Change Centre Austria (CCCA) mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der BOKU Wien erstellt.
SERVICE: Link zum Klimastatusbericht 2020