Kategorie Innovation & Technologie - 25. August 2015

Neue Anlage gewinnt Wasserstoff aus Windenergie

Auersthal – Vieles spricht für Energie aus erneuerbaren Quellen, doch sie hat einen großen Nachteil: Weder Wind noch Sonne richten sich nach den Stromverbrauchern. Im Gegensatz zu Kohle- oder Gaskraftwerken werden erneuerbare Energiequellen stark durch nicht planbare Umweltbedingungen bestimmt. Dennoch muss die Balance im Stromnetz zwischen Produktion und Verbrauch gehalten werden. Ein neuer Ansatz, wie das erreicht werden kann, wird derzeit in einer Pilotanlage am Standort der OMV-Gasstation im niederösterreichischen Auersthal erprobt, die letzte Woche eröffnet wurde.

Das Grundprinzip der Anlage steht schon in ihrem Namen „Wind2Hydrogen“ – und ist schnell beschrieben: Mittels Strom aus Windenergie wird Wasser gespalten, dadurch entsteht einerseits Wasserstoff, der vielfältig als Energielieferant, auch auf der Straße, eingesetzt werden kann. Außerdem fällt bei der chemischen Reaktion Sauerstoff als Spaltprodukt an – dieser wird in die Luft geblasen. Die Anlage in Auersthal ist europaweit die erste ihrer Art, für die eigens ein Prototyp für Hochdruckelektrolyse entwickelt worden ist. Dieser erzeugt Wasserstoff mit einem Druck von 163 bar – eine Polymermembran trennt die Spaltprodukte Wasserstoff und Sauerstoff und muss dem Druck standhalten. Im nächsten Entwicklungsschritt soll auf 350 bar gesteigert werden.

50 Liter Wasser pro Stunde

Die Anlage besteht aus drei Containern: einer Messwarte, einem Elektrolysecontainer und einer Abfüllstation. Der erste Container ist das Kontrollzentrum der Anlage, in dem alle Daten zum laufenden Betrieb zusammenkommen. Im zweiten Container befinden sich zwölf Module, in denen die Elektrolyse abläuft, Kühlaggregate am Dach des Containers sorgen dafür, dass die entstehende Wärme abgeführt wird. Die maximale Tagesproduktion beträgt 31 Kilogramm Wasserstoff – bei einem Wasserverbrauch von 50 Litern Wasser pro Stunde.

Über eine unterirdische Leitung gelangt der Wasserstoff in den dritten Container, wo sich entscheidet, welchen Weg er in weiterer Folge nimmt. Denn einmalig an der Anlage in Auersthal ist zudem, dass sie nicht auf eine spezielle Form der Abnahme ausgerichtet ist, sondern der gewonnene Wasserstoff auf verschiedene Arten weiterverwendet werden kann. Eine Möglichkeit ist die Einspeisung in das konventionelle Erdgasnetz. Das in Österreich verwendete Erdgas ist relativ rein, erlaubt ist allerdings ein Wasserstoffgehalt von bis zu fünf Prozent.

Da Wasserstoff einen höheren Brennwert als Erdgas hat, steigt der Energiegehalt durch die Beimischung. So kann die vom Wetter abhängige Windenergie in eine Energieform umgewandelt werden, die jederzeit nach Bedarf genutzt werden kann.

Zudem arbeitet das außeruniversitäre Wasserstoff-Forschungsinstitut HyCentA Research, das die Anlage betreibt, in einem Projekt mit der Technischen Uni Wien an einer Methode, die es ermöglicht, den Wasserstoff wieder aus der Erdgasmischung zurückzugewinnen. Das Erdgasnetz kann so als Speicher für erneuerbare Energie genutzt werden.

Eine weitere Abnahmemöglichkeit des Wasserstoffs liegt in der Mobilität: Durch die Abfüllung in Kartuschen können wasserstoffbetriebene Fahrzeuge versorgt werden. Prognosen der Erzeugung für erneuerbare Energie der EVN für Niederösterreich im Jahr 2020 zeigen, dass dreimal so viel Energie aus erneuerbaren Quellen produziert wird, wie verbraucht wird – allerdings nicht immer dann, wenn gerade Bedarf besteht.

Neue Speichertechnologien

Allein in Niederösterreich und im Burgenland haben die Ausbaupläne für erneuerbare Energie bis 2030 einen Stromspeicherbedarf von bis zu zwei Terawattstunden im Jahr, was rund drei Prozent des Gesamtstromverbrauchs von Österreich entspricht. „Wir brauchen daher einen Sprung in der Speichertechnologie“, sagt OMV- Innovationsmanagerin Helga Pražák-Reisinger, die Projektleiterin von „Wind2Hydrogen“.

Die Speicherung und Umwandlung dieser Energiemenge zu Wasserstoff könnte 250.000 bis 300.000 wasserstoffbetriebene Pkws versorgen. Mit knapp 1,3 Millionen Euro hat das Verkehrsministerium „Wind2Hydrogen“ über den Klima- und Energiefonds gefördert. Die Gesamtkosten des Projekts betragen 2,8 Millionen Euro. Die Konsortialführerin des Projekts ist die OMV, beteiligt sind weiters das Unternehmen Fronius, die EVN, das Wasserstoff- Forschungsinstitut HyCentA Research, das an die Technische Uni Graz angegliedert ist, und das Energieinstitut an der Uni Linz.

Wesentlich beim Projekt sind zudem Sicherheitsfragen: Reiner Wasserstoff ist zwar nicht explosiv, in Verbindung mit anderen Elementen besteht allerdings Gefahr. In Auersthal sorgen mehrere Vorkehrungen für Sicherheit: Neben Explosionsschutz wurde ein Brand- und Blitzschutzkonzept für die Anlage erarbeitet. Ein Aufstellungskonzept stellt sicher, dass zwischen den Druckbehältern die erforderlichen Mindestabstände eingehalten werden.

Das Projekt läuft noch bis Ende 2016, bisher wurde an der Errichtung der Pilotanlage gearbeitet, in der verbleibenden Zeit soll der Einsatz in der Praxis getestet, ökonomische und ökologische Rahmenbedingungen sollen geprüft werden. Wie die ersten Daten zeigen, ist die „Wind2Hydrogen“-Anlage wirtschaftlich rentabel und könnte langfristig ermöglichen, über den Umweg der Elektrolyse tausende Autos per Windrad zu betreiben. (Tanja Traxler, 26.8.2015)


Link
Geistesblitz: Selbstlernendes Stromsystem