Kategorie Klima- & Umweltschutz - 12. August 2020

Klimawandel: Österreichs Wälder leiden unter Hitze- & Trockenstress

Der Klimawandel beschert uns einige Extreme und zweifelhafte Rekorde: Eine der deutlichsten Auswirkungen dessen ist die stetige Erwärmung. In den Sommern führt das zu einer deutlichen Zunahme von Hitzewellen. Eigentlich Ausnahmeereignisse, die sich nun häufen und auf die auch Pflanzen äußerst sensibel reagieren.

Hitze und Trockenheit sorgen gerade bei Bäumen für einen regelrechten Klimastress und setzen auch hierzulande den Wäldern gehörig zu. Baumstämme ziehen sich bei großer Trockenheit zusammen und die Bäume wachsen langsamer. Sie kommen buchstäblich an ihre physiologischen Limits – selbst Baumarten, die eigentlich als trockenresistent gelten. Das belegen neue Erkenntnisse zu Dürreeffekten im Gebirgswald vom Forschungsstandort Zöbelboden (Bezirk Steyr-Land), der gemeinsam vom Umweltbundesamt, den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) und dem Nationalpark Kalkalpen betrieben wird.

© Umweltbundesamt/B. Gröger

Lange Trockenperioden haben demnach in den feuchten Gebirgswäldern Österreichs Auswirkungen auf Baumwachstum und Kohlenstoffbindung. Und das, obwohl dort selbst in Dürrejahren so viel Niederschlag fällt, wie in anderen Regionen Österreichs in einem durchschnittlichen Jahr. „Leidet der Wald an Wassermangel, kann er seine Klimaschutzfunktion nur mehr eingeschränkt erfüllen. Lange Trockenperioden, die durch den Klimawandel zunehmen, schwächen die Bäume und machen sie anfälliger für Schädlinge. Sie führten zu Trockenstress“, so Rudolf Freidhager, Vorstand der Österreichischen Bundesforste.

Die Folgen sind nicht sofort sichtbar, wie Auswertungen des Umweltbundesamtes zu den Auswirkungen von Dürre auf einen Fichten-Buchen-Gebirgswald der Bundesforste belegen. Einzelne Trockenjahre verringern den jährlichen Stammzuwachs einzelner Bäume nur minimal. „Ein schleichender Prozess, der aber messbar ist und die Kohlenstoffbindung im Wald beeinträchtigt“, so Monika Mörth, Geschäftsführerin des Umweltbundesamtes. Die Auswirkungen lassen sich laut Mörth erst mit zeitlicher Verzögerung messen, denn Stressschäden an Wurzeln und Wasserkanälen im Stamm benötigen Zeit zur Reparatur: „Mit einer dem Standort angepassten Baumartenmischung kann aber gegengesteuert werden.“

Verheerende Dürreeffekte

Der Vergleich von Trockenjahren mit Jahren mit durchschnittlichem Niederschlag zeigt, wie sich wiederholte Dürreperioden im Wachstum auswirken. Hinweise darauf liefern Messungen des Stammumfangs mit Hilfe von sehr sensiblen Baumumfangssensoren, sogenannten Dendrometern. Sie können Umfangsänderungen eines Baumes im Millimeterbereich ermitteln. Denn bei Trockenheit nimmt der Stammumfang ab, der Baum zieht sich förmlich zusammen und dehnt sich erst wieder aus, wenn der Flüssigkeitshaushalt wiederhergestellt ist. Die Messergebnisse zeigen, dass die Bäume am Zöbelboden im Trockenjahr 2018 viel häufiger unter Trockenstress standen als im feuchteren Jahr 2019. Über den Untersuchungszeitraum von zwanzig Jahren verringerte sich das jährliche Stammwachstum von 3.080 Kilogramm pro Hektar aufgrund von Dürren auf 2.760 Kilogramm pro Hektar. Das entspricht einem Einbruch um zehn Prozent.

High-Tech-Forschung im Wald: Mehr als 600 unterschiedliche meteorologische und Schadstoff-Parameter werden auf der Messstation Zöbelboden im Reichraminger Hintergebirge in Oberösterreich (Nationalpark Kalkalpen) täglich gemessen. Insgesamt sind über hundert hochspezielle Messsensoren auf der gesamten Forschungsfläche im Wald verteilt und liefern seit mehr als einem Vierteljahrhundert im Viertel- bzw. Halbstundentakt umfangreiche Messdaten zu Folgen und Erfolgen der Luftreinhaltung an das Umweltbundesamt. Mit der Weiterentwicklung des Standortes zu einem der bestausgerüsteten Forschungsstandorte für ökologische Langzeitforschung (LTER) in Österreich wurden in den letzten Jahren neue Akzente gesetzt. Stand zu Beginn des Monitorings am Zöbelboden in den 1990er Jahren der Kampf gegen das Waldsterben im Vordergrund, liegt der Fokus seit gut zehn Jahren auch auf dem Einfluss des Klimawandels.

 

Mit dem Abnehmen des Stammwachstums verringert sich auch die Klimaschutzleistung, da weniger Kohlenstoff im Baum gebunden werden kann. Umgerechnet wurden in den vergangenen 20 Jahren am Zöbelboden um rund 1,6 Tonnen weniger Kohlenstoff pro Hektar im Stammholz gebunden. Das ist in etwa so viel, wie der Wald am Zöbelboden in einem Jahr an Kohlenstoff bindet. Dazu kommen weitere Effekte von Trockenheit und Hitze, die die Klimaschutzleistung des Waldes verringern. So konnten die Experten des Umweltbundesamtes nachweisen, dass es durch hohe Bodentemperaturen in Trockenjahren zu einer stärkeren Bodenatmung kommt, d.h. durch Abbauvorgänge im Boden wie Zersetzung und Humusbildung wird mehr Kohlenstoff freigesetzt.

Die Bundesforste haben bereits damit begonnen, die Wälder an den Klimawandel anzupassen und umzubauen. Der Wald der Zukunft wird ein artenreicher, bunter Mischwald sein, da sich Mischwälder als widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse erwiesen haben als Monokulturen. „Mischwälder puffern Dürreeffekte gut ab, da indirekte Folgen von Trockenstress wie etwa eine höhere Anfälligkeit für Schädlinge, nur eine Baumart betreffen und nicht den ganzen Bestand“, erklärt Freidhager. Baumarten, die mit längeren Trockenperioden besser umgehen können, werden zunehmen, die Fichte, Österreichs häufigste Baumart, hingegen abnehmen. Sie wird sich aus Lagen unter 600 Meter Seehöhe langfristig zurückziehen.

Hitzestress durch lückenhafte Baumkronen

Dass Bäume mit ihrem Blätterdach selbst eine wichtige Schutzfunktion gegen den Klimawandel ausüben und Waldorganismen vor Temperaturextremen schützen können, zeigte jüngst eine Studie von Forschenden der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Die Klimaerwärmung unter dem Kronendach konnte so erstmals mit Zahlen belegt werden. Das Problem ist, dass die Klimaerwärmung vorwiegend in der offenen Landschaft gemessen wird, diese Daten aber für die Waldorganismen nur bedingt aussagekräftig sind. Immerhin lebt ein Großteil aller landlebenden Arten weltweit in Wäldern.

Das Blätterdach schützt Waldorganismen vor Temperaturextremen. © apa

Der Datenfundus stammt aus langfristigen Beobachtungsprogrammen der Baumkronendichte an fast 3.000 Standorten. Auch in diese Studie flossen Vegetationsdaten ab dem Jahr 1993 von der Forschungsstation Zöbelboden ein. Die Messdaten wurden im Computermodell mit neuen Temperaturmessungen von 100 Standorten im Inneren von Wäldern kombiniert.

Wird das Kronendach dichter, verringert es für die darunter lebenden Organismen die Klimaerwärmung, lichtet es sich, wird es sprunghaft wärmer. Wichtig, um zu verstehen, wie sich der Klimawandels auf die Biodiversität im Wald auswirkt. Öffnet sich das Kronendach, beispielsweise durch Bewirtschaftung oder Störungen sind Waldpflanzen abrupt einem Klima ausgesetzt, das sie nicht vertragen.

Für die Bewohner von Unterwuchs und Boden ist das fatal, denn jeder Waldorganismus hat laut Studie sein Temperaturoptimum, das er nur mit Verzögerung an neue Bedingungen anpassen kann. Wird es heiß, dann werden die Waldbewohner, die Kühle bevorzugen, von Hitze liebenden Arten verdrängt oder ausgerottet und umgekehrt.

Die Baumkronendichte ist demnach entscheidend für die Artenvielfalt im Wald. Ein Verlust der schützenden Baumkronen – sei es durch die Natur oder durch Menschen verursacht – bedeutet eine zusätzliche, drastische Erwärmung für die darunter wachsenden Pflanzen, auf die sie schlecht vorbereitet sind. Einige sind mit der Anpassung bereits jetzt im Rückstand, „viele Arten leben in einem zunehmend suboptimalen Temperaturbereich in Bezug auf den globalen Klimawandel“.

Angesichts der zu erwartenden Zunahme von sommerlichen Hitzewellen in Europa dürfte dies die Waldbiodiversität verändern und könnte einzelne Arten in arge Schwierigkeiten bringen, wie die Studienautorinnen und -autoren hervorhoben. Waldbewirtschaftenden wird nahegelegt, die Auswirkungen von Forsteingriffen auf die Klimabedingungen im Waldesinnern und deren Einfluss auf die Biodiversität zu berücksichtigen.

Weiterlesen: So reagieren Bäume auf Hitze.

Die Österreichische Bundesforste betreuen und bewirtschaften jeden zehnten Quadratmeters des Landes, pflegen und schützen die natürlichen Ressourcen der Republik Österreich – Seen, Wälder, Berge – im Sinne der Nachhaltigkeit. Aus der Forstwirtschaft kommend bedeutet es, dass der Natur nur so viel Rohstoff entnommen wird, wie laufend nachproduziert wird.


Nationalparks Austria ist die Dachmarke aller österreichischen Nationalparks und wurde in Kooperation mit dem Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie Expertinnen und Experten der österreichischen Nationalparks ins Leben gerufen. Die sechs österreichischen Nationalparks bewahren echtes Naturerlebnis und übernehmen zugleich Verantwortung für ein authentisches Naturerbe, sowohl durch professionellen und innovativen Naturschutz als auch durch erlebnisbetonte Umweltbildung und praxisorientierte Forschung.