Kategorie Mobilität - 7. Februar 2022

Können autonome Busse die Mobilität auf dem Land revolutionieren?

Selbstfahrende Kleinbusse sind schon jetzt auf vielen Teststrecken im Einsatz. Künftig könnten sie, per App bestellt, auch eine flexible Alternative zum Auto auf dem Land bieten.

Sie sehen aus wie Busse im Kleinformat, sind ausgestattet mit einer Reihe an Kameras und Sensoren, aber meist ohne Fahrerkabine, Lenkrad oder Pedale. Denn bei autonomen Bussen übernehmen Algorithmen statt eines menschlichen Fahrers die Steuerung. Was noch vor einigen Jahren wie Zukunftsmusik klang, nimmt in vielen Ländern und Regionen immer konkretere Ausmaße an.


Oft nur mit maximal 25 km/h, auf einigen wenigen Kilometern: Autonome Busse werden derzeit meist noch auf Teststrecken eingesetzt. Dort stoßen sie aber zumindest bereits oftmals auf große Akzeptanz bei den Fahrgästen. © apa

Kein Wunder, denn die Idee klingt äußerst attraktiv: Autonome Busse kommen auf Bestellung, sind rund um die Uhr im Einsatz, vernetzen Menschen in der Stadt sowie in ländlichen und weniger dicht besiedelten Gebieten und sind günstiger als Taxis oder ein eigenes Auto. Auch die CO2-Emissionen sollen sich mit elektrisch betriebenen autonomen Kleinbussen reduzieren lassen.

Solarzellen am Dach

In Frankreich etwa haben Behörden kürzlich den ersten autonomen Bus für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen. Der Bus des Herstellers Easymile kann bis zu zwölf Passagiere mitnehmen und wurde zuvor auf einem Universitätsgelände in Toulouse getestet. Solarzellen am Dach sollen zudem die Reichweite des Busses erhöhen.

Voraussichtlich ab September dieses Jahres darf der Bus dann ohne menschlichen Fahrer auf einer festgelegten (allerdings wahrscheinlich noch relativ kurzen) Strecke auf öffentlichen Straßen unterwegs sein. Über eine gemeinsame Zentrale könnten mehrere der Busse überwacht und bei Bedarf gesteuert werden, heißt es von Easymile.

Auch in Sitten in der Schweiz sind bereits seit einigen Jahren autonome Busse in der Innenstadt unterwegs. In Málaga in Spanien wird seit kurzem sogar mit normal großen selbstfahrenden Bussen experimentiert, in denen allerdings aus Sicherheitsgründen nach wie vor ein menschlicher Fahrer mitfährt, der bei Bedarf eingreifen kann. Die Stadt Berlin will ihre Flotte an elektrischen autonomen Bussen in den nächsten Jahren noch weiter ausweiten, und auch in Wien und Kärnten waren und sind bereits seit einiger Zeit autonome Busse auf Teststrecken unterwegs.

Einsatz auf dem Land

Laut einigen Herstellern bieten die autonomen Shuttles künftig die Chance, nicht nur Menschen in der Stadt, sondern auch auf dem Land besser zu verbinden. Denn umso schneller die Technologie des autonomen Fahrens voranschreite, desto günstiger werden die Fahrten. Laut Prognosen des US-amerikanischen Fahrtendienstes Uber könnten die Kosten von autonomen Fahrzeugen und Kleinbussen in den nächsten Jahren pro Kilometer und Person auf 50 Dollar-Cent sinken, was sie rund dreimal günstiger als herkömmliche Taxifahrten machen würde. Einige Experten bezweifeln derzeit aber noch, dass der Preis so stark und schnell fallen wird.

Die Busse würden bestimmte fixe Strecken abfahren oder könnten beispielsweise auch per App bestellt werden, so die Idee. Nützen könnten sie vor allem jenen Menschen, die kein Auto besitzen, etwa jüngere oder ältere Menschen, oder jene Menschen, die aus ökologischen oder finanziellen Gründen auf ein Auto verzichten.

Mehr Flexibilität

Wie das funktionieren kann, versucht etwa das deutsche Start-up Door2Door zu zeigen, das mit autonom fahrenden Kleinbussen Lücken im öffentlichen Verkehr schließen und kleinere Städte in Deutschland miteinander verbinden will. Die Busse wurden bisher vom US-amerikanischen Van-Hersteller Local Motors im 3D-Drucker produziert. Sie sollen sich von Bewohnern bei Bedarf bestellen lassen und damit die Flexibilität auf dem Land erhöhen.

Laut einer Studie können autonome Shuttlebusse vor allem dazu beitragen, das Erste- und Letzte-Meile-Problem auf dem Land zu lösen, also etwa den Weg vom Zugbahnhof bis zur Haustür zu überbrücken. Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber den selbstfahrenden Bussen scheint in den meisten Fällen relativ hoch zu sein. Jene Menschen, die die Busse bereits testeten, gaben an, sich generell sehr sicher zu fühlen, heißt es in einer anderen Studie. Viele wünschten sich jedoch, dass die Busse – die in vielen Fällen noch eher gemächlich unterwegs sind – künftig schneller fahren, manche sehen diese gar durch ihre niedrige Geschwindigkeit als Verkehrsbehinderung.

Noch viele Hürden

Doch aus rein technologischer Sicht sind viele selbstfahrenden Busse laut Experten noch nicht so weit, im regulären Verkehr zwischen Fußgängern, Fahrrädern und anderen Autos souverän navigieren zu können. Zu wenig erprobt ist die Technologie derzeit noch, zu ungenau und schlecht abgestimmt sind die eingebauten Sensoren, die bereits an vielen einfachen Herausforderungen scheitern können.

Das zeigte etwa auch der Test mit E-autonomen Bussen in der Seestadt Aspern in Wien. In den drei Jahren Testzeit kam es immer wieder zu Problemen. Vor allem mit starkem Wind, Starkregen, Schneefall oder Nebel waren die Busse überfordert und mussten infolgedessen manuell gesteuert werden. Auch deshalb ist derzeit wohl kein weiterer Einsatz der Busse geplant.

So sahen die Busse aus, die die Wiener Linien in der Seestadt Aspern testeten. © apa

Hoffen auf 5G

Auch andere Beispiele waren nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Viele Versuche mit den autonomen Bussen wurden nach einiger Zeit wieder eingestellt, als Fördermittel wegfielen oder die Kosten höher als erwartet ausfielen. Auch Local Motors, jenes Unternehmen, das die Busse im 3D-Drucker produzierte, musste vor kurzem den Betrieb einstellen.

Trotzdem gibt es nach wie vor genügend Start-ups, die sich mit der Weiterentwicklung der autonomen Shuttles beschäftigen. Sie hoffen darauf, dass in den nächsten Jahren die 5G-Technologie ausgeweitet wird, die auch den Betrieb der Shuttles verbessern dürfte, und auf eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz der Fahrzeuge. Bis die autonomen Busse aber wirklich in größerer Zahl über die Straßen rollen und damit auch die Mobilität auf dem Land verändern, dürfte es allerdings noch einige Jahre dauern.

Jakob Pallinger / DER STANDARD

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Das Aktionspaket Automatisierte Mobilität

Was uns morgen durch den Alltag begleiten soll, wird auch vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sorgfältig beobachtet. Es fördert mit vielfältigen Projekten im Bereich automatisierter und vernetzter Fahrzeuge Mobilität in all ihren Facetten.

„Automatisierte Mobilität ist ein Teil der Mobilität der Zukunft“, so Michael Nikowitz, Koordinator für Automatisiertes Fahren im BMK. Gemeinsam mit der Elektrifizierung, der gemeinsamen Nutzung und der Vernetzung stellt sie so eine der wichtigen Säulen auf diesem Gebiet. Seit 2016 beschäftigt sich das BMKintensiv mit dieser Thematik. Der unglaublich rasche Technologiefortschritt bedarf hierbei ebenso schneller Reaktionen auch von Seiten der öffentlichen Hand. „Es ist ganz essentiell, dass wir uns mit der Thematik möglichst breit und interdisziplinär beschäftigen, um sicherzustellen, dass wir als Ministerium die richtigen Fragestellungen und Themen adressieren“, so Nikowitz weiter.

Die Austria Tech ist die Kontaktstelle zum Automatisierten Fahren des BMK. Gemeinsam hat man das Aktionspaket Automatisierte Mobilität sowie das Forum Automatisierte Mobilität ins Leben gerufen, einem jährlichen Symposium, welches die Entwicklung automatisierter Mobilität bestmöglich abbilden und als Dialogveranstaltung dienen soll, um von allen Akteuren von der Industrie, über Verwaltung und Wissenschaft bis zu Start-ups sowohl den neuesten Stand zu bekommen als auch kritisches Hinterfragen der Entwicklungen zu ermöglichen, wie Nikowitz betont.

Für ihn ist ein transparenter und objektiver Wissensaustausch unumgänglich, damit im Falle der Automatisierung nicht vergeblich an der Entwicklung von Lösungen gearbeitet und erst im Nachhinein erkannt wird, dass Best-Practice-Beispiele bereits verfügbar gewesen wären.

Neue automatisierte Mobilitäts-Services gelten als eine der Tech-Revolutionen im 21. Jahrhundert, die neben anderen Zweigen fortschreitender Digitalisierung von großem Einfluß auf unseren Alltag sein wird. Entwicklungen auf dem Gebiet der automatisierten Mobilität – seien es Assistenzsysteme in privaten Pkw, sogenannte Robo-Taxis oder fahrerlose öffentliche Verkehrsmittel werden unsere Mobilität und die Möglichkeiten des [Vor]Ankommens in Städten und auch im ländlichen Raum stark verändern.

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Aktionspaket Automatisierte Mobilität

INFObox: Automatisiertes Fahren kann für mehr Verkehrssicherheit sorgen und ist zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Schon jetzt sind österreichische Autozulieferbetriebe in vielen Bereichen des automatisierten Fahrens international gefragt. Das neue Aktionspaket Automatisierte Mobilität für den Zeitraum 2019-2022 setzt den Fokus auf Straße, Schiene und Luftfahrt (Drohnen). 65 Millionen Euro an Förderbudget stehen zur Umsetzung von 34 Maßnahmen im Bereich Technologieförderung, legislativer Anpassung, gesellschaftlicher Dialog, Einbindung der öffentlichen Hand und Aufbau der Kompetenz im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion bereit.