Kategorie Innovation & Technologie - 12. November 2019
Kombinierte Fernwärme aus Klärschlamm, Müll oder Solarkollektoren
Fernwärme deckt etwa ein Viertel des gesamten österreichischen Wärmebedarfs im Privatbereich ab. Damit ist sie eine der wichtigsten Komponenten der heimischen Energieversorgung.
Insbesondere in dichtbesiedelten Regionen wird sie künftig eine noch größere Rolle spielen. Grund genug, sich forschungsseitig mit der Zukunft der Fernwärme zu beschäftigen. Dieser Aufgabe nimmt sich aktuell der Forschungsverbund Green Energy Lab mit seinem Projekt ThermaFLEX an, gefördert durch den Klima- und Energiefonds.
Dabei wird bewusst ein sehr umfassender Ansatz verfolgt. Betrachtet werden technische Maßnahmen wie Speicher und Energiequellen. Aber auch so genannte systemische Maßnahmen wie die Planung und Regelung von Anlagen und Infrastruktur. Und schließlich gilt das Augenmerk auch „weichen“ Faktoren, etwa der Einbindung von Nutzern oder neuen Geschäftsmodellen der Betreiber.
„In verschiedenen Demonstrationsprojekten soll gezeigt werden, wie Fernwärme in Zukunft nachhaltig gestaltet werden kann“, sagt Projektleiter Ingo Leusbrock vom AEE – Institut für Nachhaltige Technologien. „Wir wollen Best-Practice-Beispiele erarbeiten, um Planern, Betreibern, Städten und Gemeinden das nötige Wissen zu vermitteln.“
Beteiligt sind die großen Energieversorger der Bundesländer Steiermark, Niederösterreich, Wien und Burgenland. Weiters zählen rund zwei Dutzend Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu den Partnern.
Zusammenschluss der Netze
Die naturgemäß zentrale Anforderung an jede Fernwärmeversorgung ist es, dass Wärmeleistung genau dann bereitsteht, wenn man sie braucht. Doch ähnlich wie beim Strom gibt es keine exakte zeitliche Übereinstimmung zwischen Verbrauch und Erzeugung der Wärme. Eine Lösung dafür sind Speicher.
Mittels intelligenter Regelungstechnik sollen Speicher künftig effizienter befüllt und entladen werden. Voraussetzung dafür ist eine genau Kenntnis des Nutzerverhaltens. „Monitoring und Datenauswertung finden derzeit kaum oder nur schlecht statt“, urteilt Leusbrock. Das zu ändern ist deshalb eine Zielsetzung des Projekts.
Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Versorgungseffizienz setzen zwei Energieversorger aus Leibnitz im Rahmen von ThermaFLEX um: Die Nahwärme Tillmitsch und die Bioenergie Leibnitzerfeld schließen ihre Netze zusammen.
Während der eine seine Energie hauptsächlich aus der Tierkörperverwertung bezieht, betreibt der andere sein Versorgungsnetz vorwiegend mit Biomasse. Durch den Zusammenschluss können Erzeugung und Versorgung künftig besser an den realen Verbrauch der Bevölkerung angepasst werden.
Einbindung erneuerbarer Energieträger
Ein gleichermaßen politisch gewünschtes wie auch von der Allgemeinheit getragenes Ziel ist es, erneuerbare Energieträger verstärkt in die Fernwärmeversorgung einzubinden und damit die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bietet hierbei die sogenannte Sektorkopplung, also die Kombination verschiedener Infrastrukturen, ein großes Optimierungspotenzial.
Die Kopplung von Fernwärme mit der Stromerzeugung, wobei das Wärmenetz als eine Art Auffangbecken für überschüssigen Strom verwendet werden kann, ist schon heute gebräuchlich. In einem Teilprojekt von ThermaFLEX wollen die Forscher gemeinsam mit der Kläranlage in Gleisdorf die Kombination aus Fernwärme und Abwasserreinigung erproben.
So lässt sich beispielsweise aus dem Klärschlamm Biogas gewinnen, das man dann in einem Blockheizkraftwerk in Wärme umwandeln kann. Eine andere Möglichkeit ist die energetische Nutzung des Abwassers über Wärmepumpen.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt ein Teilprojekt mit der Müllverbrennungsanlage in Wien-Spittelau. Hier soll versucht werden, Energiepotenziale aus dem Rauchgas, genauer aus der Abwärme der Rauchgaskondensation, zu heben.
In einem Salzburger Teilprojekt wiederum ist das Ziel die Anbindung eines großen Feldes von Solarkollektoren an das Fernwärmenetz der Mozartstadt. Die Sektorkopplung scheint das Gebot der Stunde. Ingo Leusbrock bestätigt das: „Es ist notwendig, verschiedene Ideen zu kombinieren, um das Bestmögliche herauszuholen. Wenn man an Nachhaltigkeit orientiert ist, sind Einzeltechnologien nicht zielführend.
Raimund Lang, DerStandard