Kategorie Mobilität - 31. Oktober 2016
Schleuse Nussdorf: Die Geisterinsel der via donau
Die Nussdorfer Wehr- und Schleusenanlage ist eine Welt für sich. Diese kleine, dem 20. Wiener Gemeindebezirk vorgelagerte Insel schützt die Wiener Innenstadt dank ihrer Wehranlage vor Hochwasser und dient als Tor zum Donaukanal. Dass Wiens legendärer Stadtplaner Otto Wagner am Bau der Anlage beteiligt war, ist am Stil der auf die Insel führenden Schemerlbrücke und des Verwaltungsgebäudes leicht zu erkennen. Hier arbeitet seit 1979 Schleusenaufseher Kurt Zemsauer. In mehr als 35 Dienstjahren hat er schon Vieles gesehen: bei Glatteis ins Schlingern geratende und in die Donau stürzende Autos, Schlauchboote in Seenot oder in der Schleuse illegal trainierende Wildwasser-Kajaksportler. Und immer wieder im Wasser treibende Leichen und namenlose Tote. Die Donau ist nicht nur Schiffsroute und Lebensraum, sondern auch ein Ort zum Sterben.
„Wenn wir jemanden finden, rufen wir die Feuerwehr“
„Ab und zu“ findet Kurt Zemsauer einen Körper im Wasser. Einmal sogar eine kopflose Leiche, die er aufgrund der Strumpfhose und der Damen-Armbanduhr als Frau identifizierte. Psychologische Betreuung erhält er nicht, und das sei auch gar nicht nötig, sagt er: „Wenn wir jemanden finden, rufen wir die Polizei und die Feuerwehr, die fischen die Leiche aus dem Wasser, der Bericht hat vielleicht drei Zeilen.“ Und überhaupt habe er nie Angst vor Toten gehabt, schon der Papa sei OP-Helfer im Spital gewesen.
Kurt Zemsauer erklärt an der Schleuse, was bei einem Leichenfund passiert
https://www.youtube.com/watch?v=vAtWyGcIWDk
Die meisten Toten treiben vorbei
Seit die Anlage auch über ein kleines, unter der Schleuse angelegtes Kraftwerk verfügt, treiben die Leichen nicht mehr an der Oberfläche, sondern werden meist erst gefunden, wenn Wasser abgelassen und das Becken gereinigt wird. Die meisten treiben an der Anlage in Nussdorf vorbei und werden erst beim Kraftwerk Freudenau aus dem Wasser gefischt, so wie der bulgarische Schiffskapitän, der Anfang Februar von der Anlegestelle seines Schiffs bei Korneuburg mehr als 20 Kilometer die Donau hinabtrieb.
Kurt Zemsauer hat viele Geschichten zu erzählen. Der größte Teil handelt nicht von Tod und Wasserleichen. Denn die meiste Zeit ist die kleine Welt auf der Schleuseninsel eine ziemlich friedliche. Zemsauer bietet auf Anfrage sogar Führungen an.