Kategorie Innovation & Technologie - 23. Juli 2021
Leuchttürme der Bioökonomie: Mehr Klimaschutz durch nachhaltige Ressourcennutzung
Ganz oben am Tapet der Innenpolitik befand sich jüngst der Klimaschutz in einer aktuellen Umweltschutz-Verzichtsdiskussion, welche sich rund um die Evaluierung größerer Straßenbauprojekte ersponn. Dass über den Klimaschutz an vorderster Front in der Politik diskutiert wird, kann kaum schlecht sein, würde man meinen, denn „die Klimakrise stellt unsere Lebensgrundlage in Frage“, wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler anlässlich der aktuellen Debatte einmal mehr festhielt.
Die Klimakrise verstärkt #Hitzetage und #Naturkatastrophen – auch in Österreich. Meteorologe Manfred Dorninger von der #univie erklärt, wieso es neben schnellerer Klimaanpassung auch stärkere Ursachenbekämpfung braucht. Hier geht es zum Interview 👉https://t.co/HMyLgFHKsK #Presse pic.twitter.com/TVy6KoCZbC
— Universität Wien (@univienna) July 22, 2021
Der menschengemachte Klimawandel schreitet viel zu schnell voran. Verschobene Jahreszeiten, vermehrte Extremwetterereignisse, eine höhere Baumgrenze und mehr Tropentage – die Folgen sind längst auch in Österreich deutlich zu spüren. „Wir haben im letzten Jahr sehr intensiv erlebt, was es heißt, auf einem kranken Planeten zu leben. Auf einem kranken Planeten gibt es kein gesundes Wirtschaften“, so die Ministerin. Sie sieht großen Handlungsbedarf mit dem klaren Ziel, unseren Kindern künftig „ein Stück von diesem wunderschönen Land noch intakt zeigen zu können“.
Damit ist sie freilich nicht alleine. Namhafte Expert:innen wie etwa das österreichische Klimaforschungsnetzwerk (Climate Change Centre Austria CCCA) sahen sich angesichts der Debattenbeiträge zu einer Stellungsnahme für die Notwendigkeit eines umfassenden Klimaschutzes veranlasst und sehen dessen Relativierung im krassen Widerspruch zu internationalen und nationalen wissenschaftlichen Studien.
Nach diesen stünde fest, dass Technik und Innovation alleine die Klimakrise nicht lösen können, sondern zusätzlich soziale Innovation und vor allem geeignete politische und rechtliche Rahmenbedingungen notwendig sind, um auch die Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu transformieren – wie es im Übrigen auch auf vielen Ebenen bereits im Regierungsprogramm festgeschrieben steht.
Es gehe darum, dass „wir in Österreich noch ein gutes Leben haben können 2040, 2050. Dafür müssen wir jetzt etwas tun“, so Gewssler, die dabei auf die Umweltschutzvorhaben in eben jenem Regierungsprogramm verwies.
Eine der dort verankerten Initiativen ist für die Bundesregierung beispielsweise die Umsetzung der österreichischen Bioökonomiestrategie. Über sie möchte man mehr Klimaschutz durch eine nachhaltige Ressourcennutzung erreichen. Entsprechende Maßnahmen dazu wurden im Regierungsprogramm festgelegt. Gestern präsentierte dazu Klimaschutzministerin Leonore Gewessler mit ihren Amtskolleg:innen Wissenschaftsminister Heinz Faßmann und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger bei einem Pressetermin mehrere Leuchtturm-Projekte der Bioökonomie.
Im Rahmen dieser sollen fossile Rohstoffe und Energieträger durch nachwachsende Rohstoffe in möglichst allen Bereichen und Anwendungen ersetzt werden. „Wir müssen den Klimaschutz einbinden in unsere Vorhaben, dass unsere Wirtschaft klimafreundlicher und ressourcenschonender wird“, sagte Gewessler. Neben dem Wechsel von fossilen zu nachwachsenden Rohstoffen gehe es auch um eine längere Ressourcennutzung und mehr Forschung und Entwicklung (F&E) im Bereich Bioökonomie.
Drei Hebel seien dabei entscheiudend: 1. Fossile Rohstoffe durch nachwachsende, biogene ersetzen. 2. Effizienter werden im Umgang mit Ressourcen. 3. Bioökonomie braucht Forschung und Innovation.
Gewessler verwies auch auf den geplanten Reparaturbonus ab 2022. Bei der Aktion werden Reparaturkosten von Elektrogeräten bis zu einem Maximalbetrag von 200 Euro gefördert. Als positives Beispiel für Ressourcennutzung hob die Umweltministerin den oberösterreichischen Faserhersteller Lenzing hervor. Dieser verwende Holzfasern sowie Alttextilen und mache neue Fasern daraus. Die Wirtschaft habe längst erkannt, welche Chance im Klimaschutz liegt, zeigte sich Gewessler erfreut.
Wissenschaftsminister Faßmann betonte, „die Produkte der Bioökonomie müssten wettbewerbsfähig sein, sonst könnten es sich nur wenige leisten“. Als Professor für Geographie und Raumforschung verwies Faßmann auch auf die Wichtigkeit der räumlichen Anordnung des Wohnens, Arbeitens und Wirtschaftens. Wenn dies weit voneinander getrennt sei, dann habe man keine Kreislaufwirtschaft. „Raumordnung tut not“, stellte der Wissenschaftsminister fest. Er erinnerte daran, neben Klimawandel und Erderwärmung auch die Auswirkungen des weltweiten Bevölkerungswachstums nicht aus den Augen zu verlieren. Die Weltbevölkerung werde von aktuell 7,8 Milliarden Menschen bis zum Ende des Jahrhunderts laut aktuellen Schätzungen auf 10,9 Milliarden anwachsen.
Der Wissenschaftsminister stellte mehrere Forschungsprojekte im Bereich der Bioökonomie vor: Beim „CarboFeed“ an der Boku Wien geht es um die Umwandlung von CO2 in Futtermittel mit Hilfe von Hefepilzen, bei „ReGas 4 Industry“ an der TU Wien wird unter anderem Klärschlamm und Gärreste zu Gas umgewandelt. Das HyCentA (Hydrogen Center Austria) in Graz fördert die Nutzung von Wasserstoff als regenerativem Energieträger und an der Montanuniversität Leoben wird zu Verbundmaterialien aus biobasierten Fasern geforscht, die unter anderem in der Automobilindustrie eingesetzt werden können.
Landwirtschaftsministerin Köstinger betonte die zentrale Rolle der Land- und Forstwirtschaft in der Bioökonomie. Österreich habe „beste Voraussetzungen“, weil knapp die Hälfte mit Wald bedeckt sei und mehr Holz nachwachse als entnommen werde. Neben dem Wald als „wichtigste Klimaanlage“ verwende man Schadholz für die energetische Nutzung und aus Holz würden Grundchemikalien und Biokunststoffe erzeugt.
Hintergrund: Bioökonomie steht für ein Wirtschaftskonzept, das fossile Ressourcen (Rohstoffe und Energieträger) durch nachwachsende Rohstoffe in möglichst allen Bereichen und Anwendungen ersetzen soll. Sie umfasst alle industriellen und wirtschaftlichen Sektoren, die biologische Ressourcen produzieren, ver- und bearbeiten oder nutzen.
Die Bioökonomie bietet damit die große Chance, globalen Herausforderungen, wie dem fortschreitenden Klimawandel, der Lebensmittel- und Wasserknappheit oder den zunehmenden Umweltbelastungen zu begegnen und gleichzeitig die ökonomische Entwicklung zu stärken. Die Bioökonomie stellt daher eine der vier fundamentalen Säulen der Dekarbonisierung der Wirtschaft dar und leistet folglich einen wesentlichen Beitrag zur Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität.
Den Rahmen für die Umsetzung der Bioökonomie schafft die 2019 beschlossene österreichische Bioökonomiestrategie. Darin wurden – im Abgleich mit den Nachhaltigkeitszielen der UN (SDGs) – Leitlinien entwickelt, um möglichen Zielkonflikten zu begegnen und Synergien mit anderen Zielsetzungen der Agenda 2030 zu optimieren, an denen sich in weiterer Folge alle Aktivitäten im Bereich der Bioökonomie orientieren.
Broschüre „Leuchttürme der Bioökonomie in Österreich“. Zusätzlich zu den bereits in Umsetzung befindlichen Leuchttürmen der Bioökonomie wird noch 2021 der Aktionsplan für Bioökonomie, in Form einer öffentlich einsehbaren Datenbank, veröffentlicht.