Kategorie Mobilität - 29. Mai 2018

Luftfahrt steuert auf neue Antriebe zu

Für den Flugverkehr war lange keine Alternative zu Kerosin als Treibstoff vorstellbar. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Start-ups und Luftfahrtkonzerne wollen mit Elektro- und Hybridantrieben abheben.

Wie lange wird es dauern, bis Flugzeuge verbreitet alternative Antriebe nutzen? Während die Elektrifizierung und Hybridisierung des Straßenverkehrs langsam in die Gänge kommt, galt ein weitgehend kerosinfreier Personen- und Frachtverkehr über den Wolken lange Zeit als Utopie. Doch neuere Entwicklungen eröffnen auch hier Perspektiven. In etwa 20 Jahren soll eine ganze Reihe von elektro- und hybridgetriebenen Flugzeugen verfügbar sein.

Unter dutzenden einschlägigen Entwicklungsprojekten weltweit sind viele Start-ups zu finden. Aber nicht nur: Aufsehen erregte etwa eine Ankündigung des Technikkonzerns Siemens gemeinsam mit dem europäischen Luftfahrtriesen Airbus und dem Triebwerkshersteller Rolls-Royce: 2020 soll der „E-Fan X“ in der Luft sein, ein hybrid-elektrisches Demonstrationsflugzeug in der Größe einer 100-sitzigen Maschine. Als Vehikel für die Versuchsplattform, die aus der seit 2016 laufenden Kooperation entstanden ist, wird ein Flugzeug des Typs BAe146 eingesetzt.

 

Eine Basis dafür legen unter anderem Erkenntnisse, die durch die bereits weit fortgeschrittene Entwicklung von Lufttaxis und Transportdrohnen gewonnen wurden. In der Siemens-Abteilung E-Aircraft hat man zudem etwa bereits das Kunstflugzeug Extra 330LE mit einem Elektroantrieb ausgestattet und damit 2016 einen Rekordsteigflug aufgestellt.

Elektromotortest

„Mit den bisher von E-Aircraft entwickelten elektrischen Antriebssystemen bewegen wir uns im Leistungsbereich bis zu einem Viertel Megawatt (MW). Nun entwickeln wir ein zwei MW starkes elektrisches Antriebssystem für Regionalflugzeuge – also etwa die achtfache Leistung des Systems, das unsere Extra 330LE antreibt. Vier bis acht solcher Motoren könnten an den Tragflächen eines Regionalflugzeugs künftig die Propeller oder Fans antreiben“, erklärt Wulf Roscher, der Projektleiter bei Siemens.

In der umgebauten BAe146 wird zuerst eines der vier Gasturbinenstrahltriebwerke durch den Zwei-Megawatt-Motor ausgetauscht. Die elektrische Energie kommt von einem Generator im Rumpf der Maschine und Batterien mit 700 Kilowatt Leistung. Bewährt sich das System, soll auch noch ein zweites Triebwerk durch einen Elektromotor ersetzt werden.

Moderne Leichtbau- und Simulationstechnologien sollen Gewicht und Platzbedarf der Antriebssysteme im Rahmen halten. „Der E-Fan X ist ein wichtiger Schritt in Richtung unseres Ziels, das elektrische Fliegen in naher Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen“, lässt sich etwa Paul Eremenko, Chief Technology Officer von Airbus, zitieren.

Auch Airbus-Konkurrent Boeing schielt längst in Richtung neuer Antriebe für seine Flugzeuge. Um diesen Bereich weiter voranzutreiben, übernahm der Konzern den Luftfahrtspezialisten Aurora, bei dem neben Lufttaxis und Senkrechtstartern auch Elektroantriebe auf dem Forschungsplan stehen. Zudem will Boeing gemeinsam mit dem Luftfahrt-Start-up Zunum Aero bis 2022 einen hybriden Zwölfsitzer auf den Markt bringen.

Klein und ganz elektrisch

Gerade bei Kleinflugzeugen liegt die Transformation zu marktreifen, neuen Antrieben viel näher. Ambitionierte Pläne verfolgt etwa das israelische Start-up Eviation. Dort arbeiten die Ingenieure an einer Maschine namens Alice, die neun Passagiere und zwei Piloten mit einer Reichweite von 1200 Kilometern transportieren soll.

Bereits 2019 soll Alice abheben und durch die geringeren Energie- und Wartungskosten des Elektroantriebs Direktflüge zwischen nahegelegenen Städten wirtschaftlicher machen.

Laut Zahlen von 2014 verursacht der Verkehr etwa 23 Prozent der weltweiten Gesamt-CO2-Emissionen. Während etwa 17 Prozent auf die Straße entfallen, kommen mehr als 2,5 Prozent aus dem Luftverkehr, dessen Bedeutung insgesamt zunimmt. Der Rest verteilt sich großteils auf die Schifffahrt. Laut EU-Richtlinien sollen Flugzeuge in Europa bis 2050 um 75 Prozent weniger CO2 und 90 Prozent weniger Stickoxide ausstoßen sowie 65 Prozent weniger Lärm generieren als Maschinen, die 2000 auf den Markt kamen.

Vorreiter ist Norwegen. Das Land, das bereits beim Einsatz von E-Kfz und bei E-Schifffahrtsprojekten vorbildlich ist, will laut Airportbetreiber Avinor bis 2040 alle Kurzstreckenflüge bis eineinhalb Stunden Flugdauer auf rein elektrischen Antrieb umgestellt haben.

Alois Pumhösel