Kategorie Innovation & Technologie - 3. Juli 2015
Maschine mit menschlichem Blick
Dass Männer und Frauen einen anderen Blick auf Dinge haben, wissen wir nicht nur aus den typischen Witzen, dass Männer nie etwas finden, was ohnehin vor ihrer Nase steht. Auch die Wissenschaft interessiert sich für die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Wolfgang Heidl vom außeruniversitären Forschungszentrum Profactor in Steyr bat 50 Männer und 50 Frauen zu Versuchen ins Labor: Sie mussten am Bildschirm mit einem schnellen Blick Gussteile als gut oder schlecht bewerten. Bei Profactor wird Produktionsforschung betrieben – basisfinanziert vom Land Oberösterreich und dem Technologieministerium mit Forschungsförderungen der FFG und aus EU-Projekten. Heidls Fachgebiet ist die automatische Bildverarbeitung. Es geht darum, Maschinen beizubringen, Fehler in Produkten automatisch zu erkennen.
Am besten erkennen immer noch Menschen eine Delle in einem Blech oder einen Kratzer in einer Oberfläche. Doch da der Job am Fließband, bei dem man stundenlang die immer gleichen Teilen schnell als gut oder als fehlerhaft einstufen muss, sehr ermüdend und fordernd ist, soll die visuelle Qualitätskontrolle immer mehr von Maschinen erledigt werden. „Dazu muss die Maschine aber lernen, es genauso gut wie ein Mensch zu machen“, sagt Heidl.
Die Frage ist: Wie welcher Mensch? Soll die Maschine so gut sehen wie ein 17-jähriger Bursche oder wie eine 60-jährige Frau mit Berufserfahrung? Viele Faktoren spielen mit, wenn es darum geht, wie gut jemand die guten von den schlechten Teilen trennt – ohne saubere fälschlich als fehlerhaft wegzuwerfen, oder noch schlimmer, fehlerhafte Teile positiv zu bewerten. „In dem Fall würde etwa ein Motor im Auto bald den Geist aufgeben, wenn ein fehlerhaftes Teil verarbeitet wurde“, sagt Heidl.
In seiner Dissertation bei Profactor und am Institut für Wissensbasierte Mathematische Systeme der Uni Linz fand er, dass Männer und Frauen tatsächlich unterschiedlich handeln, wenn sie schnell entscheiden müssen, welches Gussteil gut und welches schlecht ist. „Frauen sortieren, wenn sie sich nicht sicher sind, ein Teil eher aus. Männer bewerten Teile, bei denen sie nicht sicher sind, eher als gut“, sagt Heidl. Noch spannender war für ihn, wie sich die Entscheidungsfindung unterschied. „Männer nutzen einfachere Strategien, um zu entscheiden. Frauen ziehen mehr Kriterien heran, um eine Entscheidung zu treffen.“ Dies zeigte die Software, die für jeden einzelnen Probanden analysierte, nach welchen Kriterien jemand einen Gussteil als fehlerhaft oder als fehlerfrei einstufte. Die Abbildung der Entscheidungsfindung, sogenannte Entscheidungsbäume, waren bei Frauen größer und verzweigter als bei Männern.
Für die Produktionsforschung ist das wichtig, weil das Programm nun für jede Person ein Modell erstellen kann, das mit 90-prozentiger Sicherheit vorhersagt, wie sich diese Person entscheiden würde. „Anstatt wie früher aus vielen Personen ein Durchschnittsmodell zu erstellen, ist es nun genauer, für jede Person ein Modell zu erstellen und aus den vielen Modellen die Maschine lernen lassen.“
Maschinen, die nachfragen
Beim Machine Learning soll in Zukunft die Lernphase immer schneller ablaufen: „Wir arbeiten daran, dass die Maschine nicht tausende Teile und ihre Fehler eingelernt bekommt, sondern sie lernt einige wenige. Und wenn eine neue Situation auftaucht, bei der sich die Maschine nicht sicher ist, fragt die Maschine nach.“ Für Heidl ist es wichtig, dass die Lernphase bei automatischen Inspektionsanlagen einfach zu handhaben ist: „Damit das, was früher nur Wissenschaftler gemacht haben, heute von Anlagenbetreuern mit wenig Aufwand, aber hoher Sicherheit erledigt werden kann.“