Kategorie Innovation & Technologie - 12. Februar 2016
Materialforschung: Ein Windrad aus Hanf
Herkömmliche Windkraftanlagen sind eine grüne Sache. Sie produzieren sauberen Strom, ohne fossile Brennstoffe zu verheizen oder strahlenden Atommüll zu hinterlassen. Allerdings: Die bis zu über 80 Meter langen Rotorblätter sind bislang aus erdölbasierten, faserverstärkten Kunststoffen, sprich Plastik, zusammengebaut. Und das ist nicht so ökologisch. Vor allem, weil die Entsorgung der Bauteile nach dem üblichen Lebenszyklus von 20 bis 25 Jahren bislang nicht zufriedenstellend geklärt ist. Überhaupt scheint es wenig elegant, wenn eine Technologie antritt, um Erdöl zu sparen, und dann zum Bau ihrer eigenen Anlagen Erdöl benötigt.
Aber das muss nicht so bleiben. „Aus der Hanfpflanze können alle Rohstoffe gewonnen werden, die man zur Herstellung eines Leichtbauwerkstoffs benötigt, der sich in weiterer Folge zum Bau von Rotorblättern einer Windkraftanlage eignet“, erklärt Günter Wuzella, Kunststofftechniker und Teamleiter für Green Composites am Kompetenzzentrum Holz. An Bord des vom Technologieministerium geförderten Projekts „Green2Green“ sind u. a. auch der Bereich Kunststofftechnik der Montan-Uni Leoben und der Hanfanbauer Waldland.
Faser sorgt für Festigkeit
Ein Leichtbau- oder Faserverbundwerkstoff besteht in der Regel aus zwei Komponenten: einer Faser, die für die Festigkeit sorgt, und einer Matrix aus Harz, die dem Bauteil seine nahezu beliebig formbare Gestalt verleiht. Beim neuen Ökoverbundwerkstoff soll gewebtes Hanfgarn die Kohlenstoff- bzw. Glasfasern ersetzen. Und ein Harz aus Hanfsamenöl soll den Job des konventionellen Kunstharzes übernehmen. Das Prinzip bleibt sonst das Gleiche.
Die Vorteile von Hanf-Rotorblättern: Sie bestünden aus einem nachwachsenden Rohstoff. Am Ende ihrer Laufzeit würde beim Verbrennen im Heizkraftwerk lediglich die Menge an klimaschädlichem Kohlendioxid freigesetzt, die der Hanf zuvor während seines Wachstums aus der Atmosphäre gebunden hat.
Die Forscher setzen an allen Punkten der Wertschöpfungskette an: von Anbau und Ernte des Hanfes über die Öl- und Fasergewinnung bis zum Zusammenbau des Windrades. Herausforderungen gibt es dabei genug. Schon die Hanfernte wartet mit Besonderheiten auf: Ein eigens umgebauter Mähdrescher erntet normalerweise die Hanfsamen und schneidet das Stroh, das im Zuge der sogenannten Feldröste zwei bis drei Wochen länger auf dem Acker verbleibt. In dieser Zeit greifen Mikroorganismen die Stängel an und schaffen erst damit die Voraussetzung, dass sich die wertvolle Faser später bei der Aufbereitung vom Stängel lösen lässt. Das bisherige Verfahren ist allerdings auf die Verwertung in Form von Ölen, Dämmstoffen, Seilen oder Bekleidung ausgelegt.
„Es gibt keinerlei Erfahrungswerte, wie der Anbau und die Ernte zu erfolgen hat, die garantieren, dass die Hanf-Rohstoffe in den anschließenden Aufbereitungsschritten zu einem Leichtbauwerkstoff geformt werden können“, sagt Wuzella. Der Stand der Technik sei dafür unzureichend. Es geht also auch um die Suche nach der idealen Erntemaschine, ihren maschinellen Einstellungen, dem richtigen Erntezeitpunkt und vielem mehr.
Ein Gewinn für die Umwelt
Die Forscher untersuchen auch die Frage der optimalen Faserverarbeitung sowie der chemischen Aufbereitung des Hanfsamenöls. Schließlich müssen Fasern und Harz auf Biobasis allen Anforderungen herkömmlicher Verbundstoffe entsprechen. Und vor allem: Am Ende muss ein Gewinn für die Umwelt herausspringen. Mit der sogenannte Lebenszyklusanalyse soll sich die Ökoeffizienz eines Rotorblattes aus dem neuen hanfbasierten Werkstoff im Vergleich zu einem Rotorblatt aus den bisher verwendeten glasfaserverstärkten Kunststoffmaterialien beurteilen lassen.
Der neue Leichtbauwerkstoff aus Hanf soll noch heuer fertig entwickelt werden. Ab Juni 2017 soll dann die Kleinwindkraftanlage mit einem Rotordurchmesser von vier Metern auf dem Hof des Waldviertler Hanfproduzenten Waldland die Leistungsfähigkeit des neuen Materials demonstrieren. (Von Timo Küntzle, Die Presse)