Kategorie Mobilität - 14. November 2019
Wider der Mautflucht: Nationalrat beschließt Maut-Ausnahmen für einzelne Autobahnabschnitte
Die vom Transitverkehr betroffenen Orte auf der Strecke zwischen Deutschland und Italien leiden teils unverhältnismäßig stark unter Lärm und Abgasen der Autos. Als Ultima Ratio wurden dagegen Fahrverbote auf einzelnen Nebenstrecken beschlossen, welche sich im Sommer zum Politikum zwischen Österreich und Deutschland entwickelten.
Doch auch der grenznahe Pendler- und Ausflugsverkehr hat teils gravierende Folgen für Anrainer, die durch Mautflüchtige auf Nebenstrecken entstehen. Die Einführung mautfreier Korridore im Grenzgebiet galt dabei als eine Option für eine Verkehrsentlastung, wenn sich Ortsdurchfahrten vermeiden ließen und die Mehrzahl der Fahrzeuge auf der Autobahn blieben.
Der erste Gesetzesbeschluss der neuen Gesetzgebungsperiode entsprach nun dieser Vorstellung. Herausgekommen ist eine Novelle zum Mautgesetz, die in der ersten Nationalratssitzung nach Neukonstituierung desselben mit breiter Mehrheit beschlossen wurde. Ausnahmen von der Vignettenpflicht sollen künftig insbesondere auf Abschnitten nahe der österreichischen Staatsgrenze gelten, auf denen das Problem der Mautflüchtigen besonders akut ist.
Im Gesetzestext definiert sind Mautstrecken auf der Westautobahn A1 bei Salzburg, für Teile der Mühlkreis Autobahn A7 und der Linzer Autobahn A 26, einen Abschnitt der A 12 Inntalautobahn (Kufstein Süd) sowie der Rheintal-Walgau Autobahn A 14 (Anschlussstelle Hohenems). Die Novelle enthält auch eine Verordnungsermächtigung, über die der Verkehrsminister weitere Ausnahmen festlegen kann.
Mit einer im Budgetausschuss noch vorgenommenen Abänderung wurde in das Gesetz eine Bestimmung über eine Evaluierung der Auswirkung der Maßnahme aufgenommen. Ihre Ergebnisse sind dem Nationalrat spätestens Februar 2021 vorzulegen. In einer Ausschussfeststellung halten die Abgeordneten außerdem fest, dass zusätzlich zu den Ausnahmen von der Vignettenpflicht weitere Maßnahmen gesetzt werden sollen. Diese sollten beispielsweise ein attraktiveres Angebot im öffentlichen Verkehr entlang dieser Routen, die bessere Erreichbarkeit von P&R-Standorten und Tourismuskonzepte für den öffentlichen Nahverkehr umfassen, insbesondere in Hinblick auf Tagestouristen.
Drohen Mindereinnahmen?
Die ASFINAG nahm die Entscheidung zur Vignettenbefreiung zur Kenntnis, befindet „die Abänderung eines über viele Jahre bewährten Systems jedoch bedauerlich, da zur lückenlosen Bemautung des gesamten österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßennetzes nunmehr einzelne Ausnahmen, zumindest temporär, geschaffen werden“, wie sie in einer Aussendung nach dem Beschluss festhielt.
Die Vignette sei laut ASFINAG ein faires, hoch akzeptiertes System. Insbesondere zeichnet sich das System der Vignette dadurch aus, dass jede und jeder, der das Autobahnen- und Schnellstraßennetz benutzt, auch dafür aufkommt – und das in ganz Österreich und ungeachtet der Herkunft des Verkehrsteilnehmenden. Die vorliegenden Ausnahmen von der Vignettenpflicht seien eine politische Entscheidung, die zu akzeptieren ist. Die gesetzliche Grundlage dafür ist das Bundesstraßenmautgesetz. Die ASFINAG wird die Vorgaben aus dem Gesetz natürlich umsetzen, auch wenn es zu einem Rückgang der Erlöse kommen wird.
Solche Erlösminderungen wurden auch bereits in einem Bericht des BMVIT verdeutlicht, den das Ministerium nach Entschließung des Nationalrates zusammen mit externen Experten erstellt hat. Demnach würden die Forderungen nach Ausnahmen etwa 15 Prozent des vignettenpflichtigen Straßennetzes ausmachen. Legte man diesen Prozentsatz auf die Vignetten-Einnahmen 2018 um, würden Verluste von mindestens 75 Millionen Euro entstehen.
Dazu stellte Verkehrsminister Reichhardt gegenüber der Tiroler Tageszeitung fest: „Wir müssen Maßnahmen finden, die einerseits eine Entlastung für die Bevölkerung bedeuten, gleichzeitig aber die Finanzierung unseres hochrangigen Straßennetzes nicht gefährden.“
In punkto Vignettenpflicht auf den Fluchtstrecken sei das Verlagerungspotenzial ähnlich dem der Vignettenbefreiung, hieß es in dem Bericht. Der Vorteil sei jedoch, dass der ASFINAG keine Mindereinnahmen drohen würden. Einführung und Vollziehung einer zeitabhängigen Maut auf dem niederrangigen Straßennetz würden bei den Ländern liegen. Die Gültigkeit der ASFINAG-Vignette könnte auch auf diese Straßen ausgedehnt werden.
Auch die Variante möglicher Fahrverbote auf den betroffenen Abschnitten des niederrangigen Straßennetzes für Pkw ohne Vignette sei bereits 2016 in einer im Auftrag der Ämter der Landesregierungen erstellten Studie positiv beurteilt worden, konstatiert der Bericht des BMVIT. Finanzielle Gründe für ein Ausweichen würden entfallen. Die Verbote hätten durch die Bezirkshauptmannschaften zu erfolgen, der Verlagerungseffekt sei wiederum ähnlich.