Kategorie Innovation & Technologie - 17. März 2017

Mit Haifischhaut durch die Lüfte strömen

Wenn Emil Göttlich fliegt, empfindet er bisweilen eine gewisse Unsicherheit. Schon öfter ist es dem Professor für Thermische Turbomaschinen der TU Graz nämlich passiert, dass er allein am Ziel stand – also ohne Koffer. Dass dieser eine alternative Route wählen könnte, ist allerdings seine einzige flugbedingte Sorge.

Der 42-Jährige macht sich eher über die Flugzeuge der Zukunft Gedanken. „Der Trend im Triebwerksbau geht in Richtung immer leiserer und effizienterer Maschinen und somit zu Triebwerken mit größerem Durchmesser, die langsamer durchströmt werden“, erklärt er. Der Zusammenhang ergibt sich aus dem Funktionsprinzip: „Das Triebwerk saugt vorne Luft an, die hinten mit einer viel höheren Geschwindigkeit wieder ausgestoßen wird. Diese Änderung der Geschwindigkeit, und damit des Impulses der Luft, verursacht eine Kraftwirkung nach vorne, den Schub.“ Heißt also: Bei größerem Durchmesser muss sich die Turbine weniger schnell drehen, um dieselbe Schubkraft zu erzeugen. Das spart Kraftstoff. Gleichzeitig sorgen größere Bauteile aber für mehr Gewicht und somit für mehr Verbrauch. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Turbulente Strömung

Gewicht und Kraftaufwand sollen über weitere Konstruktionsänderungen eingespart werden. Dazu beschäftigen sich Göttlich und seine Kollegen ab Frühjahr im von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekt TURANDOT vor allem mit dem sogenannten Turbinenübergangskanal.

Aber der Reihe nach: Vorne am Triebwerk wird Luft angesaugt, verdichtet und erwärmt. Nachdem in der Brennkammer Kerosin hinzukommt und verbrannt wird, dehnt sie sich aus und treibt dabei die Turbinenschaufelräder an. Diese leiten einen Teil der Strömungsenergie nach vorne zum Verdichter. Der Rest des Abgases entspannt sich über die Düse und sorgt für den Schub. Die Turbine selbst unterteilt sich in die Hochdruckturbine unmittelbar nach der Brennkammer und die Niederdruckturbine; getrennt durch eben jenen Turbinenübergangskanal. „Dieser überbrückt einen erheblichen Radiusunterschied und soll so kurz wie möglich sein, um das Triebwerk nicht zu lang und zu schwer werden zu lassen“, vertieft Maschinenbauer Göttlich.

„Wird der Kanal zu kurz, bricht die Strömung ab und der Wirkungsgrad der Turbine sinkt.“ Überhaupt sei die Strömung sehr komplex, weil stark dreidimensional und hoch turbulent. Das hat zwar nichts mit jenen Turbulenzen zu tun, die Passagiere heißen Kaffee verschütten lassen, beeinträchtigen aber die Leistung. „Wir haben noch nicht alle Strömungseffekte komplett verstanden.“

Die Forscher wollen ihre Erkenntnisse auch mittels berührungsloser Lasermesstechnik vertiefen. So soll die Strömung in der Versuchsturbine nicht verfälscht werden. Mit an Bord sind auch der Triebwerksproduzent General Electric und das Start-up Bionic Surface Technologies. Es hat die Mikrostruktur von Haifischhaut auf technische Anwendungen übertragen. Ihre Strömungseigenschaften sollen nun auch Bauteile innerhalb des Turbinenübergangskanals verbessern und damit andere Bauteile überflüssig machen.

Insgesamt erhofft man sich eine Gewichtsersparnis von mehreren hundert Kilogramm pro Triebwerk. Da sollte dann auch für den Koffer von Forscher Göttlich genug Puffer sein. (Von Timo Küntzle, Die Presse)