Kategorie Innovation & Technologie - 2. Oktober 2015
Mit Lasern das Klima messen
Veronika Proschek ist technische Physikerin im auf globalen und lokalen Klimawandel spezialisierten Wegener Center der Universität Graz. Doch vor vier Jahren saß sie nicht in der Steiermark, sondern in der Empfängerstation des Verschiebeteleskops der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) am Observatorio del Teide auf der kanarischen Insel Teneriffa. Dort gab es zu diesem Zeitpunkt keine Wolken und kaum Feuchtigkeit: ideale Bedingungen, um mit einem Bodenexperiment eine neue Messmethode für die Bestimmung der Treibhausgase in der Atmosphäre zu testen.
Die Forscher empfingen dort Infrarotsignale von der 144 Kilometer entfernten Sendestation der Insel La Palma. Bei ihrem Weg durch die freie Atmosphäre, die etwa zwei bis drei Kilometer über der Erdoberfläche beginnt, werden diese Signale gebrochen und teilweise absorbiert. Die verschiedenen Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan oder Wasserdampf haben charakteristische Absorptionslinien. Das liefert genaue Daten ihrer Zusammensetzung. Konkret heißt das: „Wir senden schmalbandige Lasersignale hinüber, die für gewisse Gase sensitiv sind und dadurch die Atmosphäre scannen“, sagt Proschek, deren Projekt vom Weltraumprogramm des Österreichischen Technologieministeriums unterstützt wurde.
Quantensprung der Klimabeobachtung
So können die Wissenschaftler weltweit die Konzentration der Treibhausgase berechnen. Zusätzlich ergeben sich Profile zu Temperatur, Druck und Feuchtigkeit. Der große Vorteil dieser Methode ist, dass sie unabhängig von externen Daten funktioniert und sich gleichzeitig ein Höhenprofil errechnen lässt. Das war bisher noch nicht möglich: „Mit diesem Treibhausgas-Monitoring können Klimamodelle verbessert und das Verständnis davon vertieft werden“, sagt Proschek. Das Team spricht gar von einem „Quantensprung in der globalen Klimabeobachtung“.
Dass es einen natürlichen und einen menschlich gemachten Klimawandel gibt, ist für Proschek völlig klar: „Praktisch alle Klimaforscher stimmen diesem Fakt zu“, sagt sie. Dass gewisse Dinge angezweifelt werden, sei Forscheralltag. Es brauche kritische Stimmen, um in der Wissenschaft voranzukommen: „Es ist aber fatal, wenn das vorhandene Wissen ignoriert wird und dadurch etwa politische Entwicklungen eingeleitet werden, die für die gesamte Menschheit problematisch sind“, sagt Proschek. Wenn Politiker öffentlich den Klimawandel bestreiten, regt sie das auf. Hier stecke eine Wahltaktik dahinter, denn das komplexe Thema Klima kann – gerade für Laien – angstbehaftet sein und somit zum Politikum werden: „Wenn diverse Politiker gegen den Klimawandel wettern, greife ich mir manchmal an den Kopf und kann nicht glauben, was da gesagt wird“, sagt sie. Die Forscherin will weiterhin versuchen, Zweiflern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sie wird gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Wegener Center die Grundlagenforschung in nutzbare Hardware umsetzen. Zudem möchte sie in einem weiteren Forschungsprojekt auch Messungen in einem anderen Wellenbereich, genauer gesagt im Radiookulationsbereich, durchführen. Sie kann mit diesen Radiowelllen noch mehr Daten zur Klima- und Wetteranalysen aus der Atmosphäre herausziehen.
Proschek findet nicht nur Wetter- und Klimamodelle interessant, sondern auch die Arbeitsatmosphäre im Wegener Center: „In der technischen Physik gibt es sehr wenig Frauen, hier bei uns allerdings verhältnismäßig viele. Das führt zu einem tollen Klima“, sagt Proschek lachend. Ihren Ausgleich sucht sie auf dem Rad, in der Natur und beim Singen. Proschek ist seit ihrer frühen Kindheit Mitglied eines Chors: „Ich bin eine singende Physikerin, denn als Ausgleich zum Kopflastigen brauche ich auch etwas für die Seele, nicht nur für den Geist.“ (Die Presse, Ronald Posch)