Kategorie Klima- & Umweltschutz - 18. März 2022
Europas Permafrost-Moorgebiete vor kritischem Punkt
Moore haben für das Klima besondere Bedeutung, da sie sehr große Mengen an Kohlenstoff binden. Viele dieser Gebiete befinden sich in Permafrostgebieten im hohen Norden. Steigende Temperaturen können dort große Mengen an Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) freisetzen, wenn diese Böden großflächig tauen.
Im Fachblatt „Nature Climate Change“ warnen Forscher:innen nun davor, dass vor allem Europas Permafrost-Moorgebiete bald an einen Kipppunkt geraten könnten. Das Team um Richard Fewster von der University of Leeds (Großbritannien), dem auch der u.a. am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien tätige Forscher Christopher Smith angehörte, hat sich mit dem Zustand der großteils in arktischen Breiten liegenden Gebiete auseinandergesetzt. Deren mögliches Verhalten sei in Klimamodellen bisher unterrepräsentiert, schreiben sie in ihrer Arbeit. Bei einer Klimaerwärmung von zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Durchschnittswert könnten rund 700.000 Quadratkilometer an Permafrost-Mooren auftauen – eine Fläche mehr als acht Mal so groß wie Österreich.
Warnung vor Kipppunkt
Das würde aus den bisher als Kohlenstoffsenken wirkenden nördlichen Feuchtgebieten Kohlenstoffquellen machen – die Wissenschaft spricht in solchen Fällen vom Erreichen eines „Kipp- oder Umschlagpunktes“, ab dem sich die Voraussetzungen abrupt ändern können. Wann das aber passiert, sei „höchst unsicher“, heißt es.
Die neuen Modellierungen würden nun zeigen, dass die nördlichen Moorgebiete in Europa und Westsibirien offenbar schon recht knapp vor einem Umschlagpunkt stehen. In Norwegen, Schweden, Finnland und dem äußersten Nordwesten Russlands (Fennoskandinavien) prognostizieren die Forscher:innen einen weitreichenden Verlust des klimatischen Raumes für Permafrost-Moore noch im kommenden Jahrzehnt. Demnach würden unter verschiedensten Klimaannahmen in den 2030er Jahren nur noch 8.000 bis 16.000 Quadratkilometer die klimatischen Voraussetzungen für solche Bodenformen bieten. Diese Gebiete wären dann 89 bis 94 Prozent kleiner als im Vergleichszeitraum von 1961 bis 1990.
Permafrost-Moorgebiete könnten verschwinden
In Westsibirien sei auch unter relativ optimistischen Erwärmungsszenarien mit ähnlich großen Flächenverlusten zu rechnen. Allerdings wäre dieser Prozess dort erst in den 2070er Jahren abgeschlossen, heißt es in der Arbeit. Unter pessimistischen Klimaannahmen, bei denen die Erwärmung auch bis in die 2090er Jahre anhält, würde es zu einer Situation kommen, wo ganz Europa und Westsibirien nahezu keine Permafrost-Moorgebiete mehr beherbergen können.
Die gesamten Gebiete, die wegfielen, wenn sich die Erde um mindestens zwei Grad Celsius erwärmt, enthalten geschätzte 37 bis 39,5 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist laut Forschung rund das doppelte an Kohlenstoff, der zur Zeit in Europas Wäldern eingelagert ist. Weitere Untersuchungen brauche es aber dahin gehend, wie ein durch wärmere Temperaturen im Norden gesteigertes Pflanzenwachstum und eine erhöhte Torfbildung die Kohlenstoffbilanz wieder positiver ausfallen lassen können.
Trendwende möglich
Würden jedoch rigorosere Maßnahmen zur Emissionsreduktion umgesetzt, könnten in den 2090er Jahren Bedingungen herrschen, die in Westsibirien Permafrost-Moore erlauben, die fast 14 Gigatonnen Kohlenstoff binden. Das zeige, wie stark die Klimapolitik noch mitgestalten könne, wie sich diese Gebiete verändern werden, so die Wissenschafter:innen. Die Ergebnisse der Untersuchung unterstreichen wieder deutlich, wie wichtig es ist, dass rasch weitere Schritte zur Treibhausgas-Emissionsreduktion ergriffen werden müssen, vor allem im Lichte des 1,5°C-Ziels aus dem Pariser Klimaübereinkommen.
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