Nach dem Rekordsommer: Gibt es Technologien gegen die Klimaerwärmung?
Es war ein Rekordsommer. Ein nie enden wollender Sommer, der nicht nur wegen seiner Hitze, sondern auch durch seine langanhaltende Dürre von sich Reden gemacht hat. In einer dreiteiligen Serie versuchen wir hier dessen Folgen und den Umgang mit ihnen nachzugehen. Im dritten Teil stellen wir technologische Ansätze vor, deren ambitionierten Ziele weithin unter dem heiklen Begriff des Geoengineering zusammengefasst werden.
Hitzewellen sind länger & häufiger geworden
Eine Auswertung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zeigt, dass die durchschnittliche Dauer einer Hitzewelle in den letzten Jahrzehnten um rund zwei Tage zugenommen hat. Außerdem kommen Hitzewellen mittlerweile um mehr als 50 Prozent öfter vor als früher.
Dazu kam eine extreme Trockenheit: Im Großteil Österreichs brachte der Juli 2018 um 50 bis 75 Prozent weniger Niederschlag als ein durchschnittlicher Juli. In Linz war beispielsweise die trockenste Periode seit Messbeginn im Jahr 1852 zu beobachten. Die Folge: Niederwasser an den Flüssen mit eingeschränkter Schifffahrt sowie verdürrten Landstrichen mit Folgen für die Landwirtschaft.
Beunruhigende Prognosen, die aufhorchen lassen.
Ein wesentlicher Faktor: Kohlendioxid (CO2), welches unter anderem bei der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) entsteht und den Großteil des vom Menschen zusätzlich verursachten Treibhauseffektes ausmacht.
Zuletzt haben Bundesminister Norbert Hofer und Generalsekretär Andreas Reichhardt auch im Rahmen der Technologiegespräche in Alpbach nochmals die Notwendigkeit der sogenannten Dekarboniseriung, also hin zu einem kohlenstoffarmen oder gar -freien Wirtschafts- und Verkehrssystem, betont, um an den Klimazielen festhalten zu können.
2030 als nächste festgelegte Etappe zur Dekarbonisierung ist durch das Pariser Klimaabkommen und die Klimaziele der EU festgelegt: Für Österreich bedeutet es bis dahin eine CO2-Emissionsreduktion von minus 36 Prozent gegenüber 2005 (für Emissionsquellen außerhalb des Emissionshandels) zu erreichen.
Der Verkehr – nach wie vor Hauptverursacher von CO2– soll bis 2050, dem langfristigen Ziel der österreichischen Klimastrategie, CO2-neutral werden.
Dekarboniserung & Carbon-Engineering
Nur: Reicht die Dekarboniserung der Wirtschaft und des Verkehrswesens, um eine solche Menge an CO2-Ausstoß zu reduzieren? Was haben wir außerdem für technologische Möglichkeiten, die Klimaerwärmung aufzuhalten?
Weltweit zielen klimapolitische Strategien darauf ab, einen weiteren Anstieg der globalen Erderwärmung einzudämmen. Neben Maßnahmen zur Energieeinsparung, zur Erhöhung der Energieeffizienz sowie zum Umstieg auf erneuerbare Energieträger können Technologien zur Abscheidung und Nutzung von CO2 aus Kraftwerken und Industrieanlagen in den nächsten Jahrzehnten dazu beitragen, die angestrebten Klimaziele zu erreichen.
Ein Wunschtraum quasi: CO2, welches als Treibhausgas gerade für einen Rekordsommer samt Hitze und Dürre mitverantwortlich ist, einfach aus der Luft saugen. Experten meinen, wir müssten die Erwärmung auf höchstens zwei Grad begrenzen, um katastrophale Konsequenzen für uns zu verhindern. Das ginge aber nur, wenn wir nicht nur weniger CO2 produzieren, sondern auch das vorhandene CO2 einfangen und umwandeln.
Carbon Capture: Nutzung vs. Speicherung
Dass das keine Science-Fiction-Fantasie ist, haben Unternehmen bereits bewiesen: Seit 2015 fängt eine große Anlage im kanadischen Squamish in British Columbia Kohlendioxid ein, im Augenblick etwa eine Tonne pro Tag. Technisch nicht ganz einfach, schließlich ist der CO2-Gehalt in der Luft zwar um fast 50 Prozent gestiegen, liegt aber dennoch nur bei 0,04 Prozent.
Ein Problem bisher: Das Verfahren ist schlicht zu teuer. Für eine Tonne CO2 tausende Dollar aufwenden? Und wohin damit überhaupt? Unterirdisch speichern? In Gewächshäuser einspeisen?
Seit Ende letzten Jahres verwandelt Carbon Engineering in Kanada das Kohlendioxid in Benzin. Damit lohnt sich der Prozess plötzlich, denn nun hat die Firma ein Produkt, das sich nicht nur gut verkaufen, sondern umweltfreundlich vermarkten lässt: klimaneutralen Treibstoff.
Die Herstellung von Treibstoffen aus einem Wasserstoff/ Kohlenmonoxid-Gemisch (Synthesegas) ist nicht ganz neu und wird schon seit dem letzten Jahrhundert zum Beispiel im Fischer-Tropsch-Verfahren angewendet.
Synthesegas kann aus Erdgas (Gas to Liquid) aus Biomasse (Biomass to Liquid) hergestellt werden oder wie im Falle der Firma Carbon Engineering aus CO2 und über Hydrolyse erzeugten Wasserstoff.
Das Projekt zur Herstellung von Treibstoffen aus Luft-CO2 ist eine Form des Carbon Capture and Utilization (CCU), bei dem emittiertes CO2 zur Herstellung von Treibstoffen genutzt wird, um danach in einem Kreislauf wieder als Energieträger in einer Verbrennung zur Verfügung zu stehen.
Die auf diese Weise gewonnene Benzine haben ausgezeichnete Kraftstoffeigenschaften und können problemlos in bestehenden Fahrzeugen eingesetzt werden, ohne dass an diesen Adaptionen durchgeführt werden müssen – weder an Fahrzeugen noch an weiterer Infrastruktur. Synthetische Kraftstoffe können pur wie auch in Beimischung verwendet werden und verbrennen aufgrund der Schwefel- und Aromatenfreiheit sauberer als konventionelle Kraftstoffe.
Nationale Forschungs- und Entwicklungs-Projekte (F&E) zum Thema CCU werden mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und des Klima- und Energiefonds von österreichischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen durchgeführt. In Demonstrationsanlagen werden die neuen Lösungen getestet und weiterentwickelt.
Pilotanlage in Wien
Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität (TU) Wien und der Universität für Bodenkultur (BOKU) kooperieren derzeit mit Shell und weiteren Partnern um eine neue, kostengünstige und energieeffiziente Kohlendioxid-Abscheidetechnik zu entwickeln. Im ersten Halbjahr 2018 soll eine Pilotanlage am Biomassekraftwerk Simmering der Wien Energie in Betrieb gehen, wo die neue Technologie im Realbetrieb getestet wird.
Laut Experten des BMVIT kann CCU jedoch kaum die Lösung für eine wirksames Instrument gegen die Klimaerwärmung sein, sondern nur eine Übergangstechnologie darstellen, die zudem in Konkurrenz zu einem weiteren Verfahren steht.
Dieser zweite Ansatz wäre das Carbon Capture and Storage (CCS), bei dem CO2 dauerhaft der Athmosphäre entzogen wird. Als eine klimapolitische Handlungsoption für große Emissionsquellen, wie Kraftwerke oder Industrieanlagen, gilt die Abscheidung und geologische Speicherung von CO2. Die gesamte Einlagerungstechnik befindet sich jedoch noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium und muss erst noch hinreichend geprüft werden.
Zudem ist in Österreich die geologische Speicherung von CO2 derzeit ausschließlich zu Forschungszwecken und nur mit einem geplanten Gesamtspeichervolumen von weniger als 100.000 Tonnen erlaubt (CCS Gesetz, BGBI. Nr. 144/2011).
FEMtech-Expertin zur CO2-Verwertung
Auch unsere aktuelle FEMtech-Expertin Magdalena Teufner beschäftigt sich seit inzwischen sechs Jahren mit Technologien zur CO2-Verwertung als Rohstoff für die Industrie. Vor drei Jahren begann sie zudem ihre Dissertation an der Technischen Universität Wien zu diesem Thema.
„Bei der Synthese von Diethylcarbonat (DEC) aus Ethanol und CO2 haben wir den theoretisch nötigen Energieeinsatz erheblich reduzieren und hohe Ausbeuten vorweisen können. DEC kann als Treibstoffzusatz verwendet werden und ist ein wichtiges Ausgangsmaterial für die Synthese von Kunststoffen, Medikamenten, Pflanzenschutzmitteln. Außerdem wird als Elektrolyt in Batterien eingesetzt.“
CO2 hat also nicht nur Nachteile, sondern kann auch als Rohstoffquelle für die Herstellung von Chemikalien oder Treibstoffen genutzt werden. Im Prinzip besteht CO2 aus Kohlenstoff, sowie viele andere Treibstoffe und Chemikalien auch. Die Idee der CO2-Verwertung ist genau so simpel wie es sich anhört: Kohlenstoff-Bausteine sollen einfach wiedereingesetzt und verwendet werden.
Einen großflächigen Einsatz hält sie für denkbar: „Anstatt CO2 unsere Umwelt zerstört, recyceln wir es wieder.“ Aber: Technisch ist es natürlich nicht ganz so einfach. Als Endprodukt von Verbrennungsprozessen ist CO2 thermodynamisch stabil und nur mit hohem Energieeinsatz reaktiv. Aus diesem Grund ist CO2 als Rohstoff für großtechnische Anwendungen bisher wenig interessant. Die Lösung: CO2 muss aktiviert werden um wirtschaftlich zu einem höherwertigen Produkt zu reagieren. „In Österreich werden wir sicher von Technologien zur CO2 Nutzung profitieren können. Im Rahmen von Forschungsprojekten sind derzeit schon vielversprechende Test in Betrieb“, so Teufner weiter.
Leitprojekte zur CO2-Nutzung
Ein vielversprechendes Konzept ist laut Teufner das sogenannte Power-to-Gas. Dabei wird in Zeiten wo viel Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht Wasserstoff aus Strom produziert.
„Im Prinzip ist Wasserstoff schon ein sehr wertvoller Energieträger. Jedoch kann Wasserstoff nur mit viel Energieaufwand verlustfrei gespeichert werden. Darum beschäftigen sich viele Forscher und Forscherinnen mit der Umwandlung in einen Energieträger, der ohne Verluste, langfristig speicherbar ist. Seit ein paar Jahren sind bereits erfolgreiche Demonstrationsanlagen in Betrieb welche, Wasserstoff mit Kohlendioxid (CO2) in Methan (Erdgas) umwandeln.“
Underground.SUN.Conversion heißt eines dieser Leitprojekte und dient zur Erforschung der Grundlagen, um in Zukunft große Mengen von erneuerbarem Erdgas CO2-neutral produzieren. Es baut auf dem erfolgreichen Forschungsprojekt Underground.SUN.Storage zur Speicherung von Wind- und Sonnenenergie in natürlichen Erdgaslagerstätten auf. Projektpartner sind die Montanuniversität Leoben, die Universität für Bodenkultur Wien (Department IFA Tulln), die acib GmbH (Austrian Centre of Industrial Biotechnology), das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz sowie die Axiom Angewandte Prozesstechnik GmbH.
In einer oberirdischen Anlage wird aus Sonnen- oder Windenergie und Wasser zunächst Wasserstoff hergestellt. Gemeinsam mit CO2 (z. B. aus einer Biomasseverbrennung) wird der Wasserstoff in eine vorhandene Erdgaslagerstätte in über 1.000 Meter Tiefe gepumpt. Laborversuche aus dem Vorläuferprojekt haben gezeigt, dass der in die Lagerstätte eingebrachte Wasserstoff mit CO2 in relativ kurzer Zeit mikrobiologisch in Methan umgewandelt wird.
Der Methanisierungsprozess findet somit auf natürlichem Weg in untertägigen Gesteinsschichten statt, abgekürzt um Millionen von Jahren. Gleichzeitig wird ein nachhaltiger Kohlenstoff-Kreislauf geschaffen. Das in der Tiefe erzeugte erneuerbare Erdgas kann direkt in der Lagerstätte gespeichert, bei Bedarf entnommen und über die vorhandenen Leitungsnetze zu den VerbraucherInnen transportiert werden.
Kunststoff aus dem Bioreaktor
Ein neuer Ansatz zur Nutzung von Kohlendioxid ist das Recycling von CO2 im Rahmen von biotechnologischen Prozessen. Dabei wird Kohlendioxid aus Abgasen gezielt einem pflanzlichen Produktionszyklus zugeführt und durch Photosynthese zu Biomasse umgewandelt. Im Projekt CO2USE wurde die Bindung von Kohlendioxid in biotechnologischen Prozessen erforscht.
Ziel war es, ein neuartiges, nachhaltiges und umweltfreundliches Verfahren zur Produktion von Biokunststoff zu entwickeln. Das Projekt wurde von der EVN AG in Kooperation mit ANDRITZ AG sowie mehreren Forschungspartnern (Universität für Bodenkultur Wien, Technische Universität Graz, JOANNEUM Research Forschungsgesellschaft, Czech Academy of Science) durchgeführt.
Die Produktion von Biokunststoff (PHB) aus CO2-haltigen Abgasen mittels photoautotropher Cyanobakterien ist ein vielversprechendes Konzept. PHB ist ungiftig, wird biologisch ohne schädliche Rückstände abgebaut und hat das Potenzial, hochwertige fossile Kunststoffe zu ersetzen.
F&E-Aktivitäten in Österreich
Um CO2 effizient und kostengünstig abscheiden und industriell nutzen zu können, werden innovative Technologien und Konzepte benötigt. Österreichische Expertinnen und Experten nehmen an verschiedenen internationalen F&E-Initiativen teil, wie z. B. am Technologieprogramm Greenhouse Gas R&D Programme(GHG) der Internationalen Energieagentur (IEA).
Die zuverlässigste Methode, um die Klimaerwärmung zumindest einzudämmen und dadurch auch Wohlstand und Gesundheit von Menschen zu bewahren, wäre es wohl CO2 gar nicht erst in die Luft zu lassen und als erstes zu versuchen, den Kohlendioxidausstoß zu bremsen. Es ist sicher billiger, CO2 gar nicht erst auszustoßen als es dann wieder einzusammeln – nur: wenn wir das nicht hinbekommen, ist das großflächige Einfangen von CO2 wohl alternativlos.
Service: Weiterführende Informationen zu den Projekten finden Sie auf https://www.energy-innovation-austria.at/
Hier gehts zu den anderen Teilen der Serie zum Rekordsommer: