Kategorie Energie - 14. November 2022

Heißes Becken: Wien will 2026 erste Geothermie-Anlage in Betrieb nehmen

Anlage soll Thermalwasservorkommen in über drei Kilometern Tiefe nutzen – Emissionsfreie Fernwärme für bis zu 20.000 Haushalte – Acht Millionen Euro an Förderungen des BMK bei Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro – Erster Standort am Rande der Seestadt Aspern, drei weitere sollen bis 2030 folgen

2026 soll Wien seine erste Geothermie-Anlage bekommen. Dazu muss ein Thermalwasser-Vorkommen in mehr als drei Kilometern Tiefe angezapft werden – der Beginn der Bohrarbeiten ist für 2024 geplant. Die erste Anlage in Aspern soll bis zu 20.000 Haushalte mit Wärme aus der Tiefe versorgen können, bis 2030 will die Wien Energie bis zu vier Anlagen in der Donaustadt und in Simmering mit einer Gesamtleistung von bis zu 120 Megawatt für 125.000 Haushalte entwickeln.

Dank des Thermalwasservorkommens direkt unter der Stadt und dem gut ausgebauten Fernwärmenetz befände sich Wien im europäischen Vergleich in einer einzigartigen Ausgangslage, um Haushalte mit klimaneutraler Wärme versorgen zu können, konstatierte die Wien Energie in einer Aussendung. In Summe sollen die Tiefengeothermie-Anlagen im Stadtgebiet bis zu 20 Prozent des Fernwärme-Bedarfs decken können.

Dieser „Schatz in der Tiefe“ soll künftig durch die Errichtung der ersten Tiefengeothermie-Anlage für Wien genutzt werden. Wien Energie setzt dieses Leuchtturmprojekt um und rechnet dafür mit einem Investitionsvolumen in der Höhe von rund 80 Millionen Euro. Das Klimaschutzministerium (BMK) fördert das Projekt mit rund acht Millionen Euro.

Die Vorarbeiten für die Errichtung der Anlage sollen bereits im kommenden Jahr starten. Die Tiefengeothermie-Anlage soll künftig zunächst klimaneutrale Fernwärme mit bis zu 20 Megawatt erzeugen, wobei es sich hier um vorläufige Schätzungen handelt, da die exakte thermische Leistung erst nach einer erfolgreichen Erkundungsbohrung bestimmt werden kann. Um die Anlage noch effizienter zu machen, plant Wien Energie zudem den kombinierten Betrieb mit einer Wärmepumpe.

Fördertesst für mögliche Wärmegewinnung wurden im Wiener Becken auch mit Hilfe der © OMV durchgeführt.

Das Wärmereservoir unter der Stadt sei nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich, so Wien-Energie-Geschäftsführer Karl Gruber. Das an die Erdoberfläche gepumpte Wasser wird in einem geschlossenen Kreislauf wieder zurückgeführt, der Entnahme- und der Rückgabepunkt des Thermalwassers liegen etwa vier Kilometer auseinander.

Errichtung der ersten Tiefengeothermie-Anlage für Wien

„Mit 100 Metern Bohrtiefe erhöht sich die Temperatur um jeweils drei Grad. Damit kommt man, wenn man 3.000 Meter tief bohrt, auf etwa 100 Grad Celsius.“ Zur Erschließung des Thermalwassers sind mehrere Bohrungen notwendig, die aber nur einen Durchmesser von etwa 30 cm haben. Aufgrund dieser Tiefe, die etwa hundertmal tiefer als die tiefste U-Bahn-Station Wiens liegt (oder 22x tiefer als der Stepahnsdom hoch ist), und da die Bohrungen nur einen Durchmesser von etwa 30 cm haben, ist dabei mit keinerlei Auswirkungen wie etwa Vibrationen an der Erdoberfläche zu rechnen. Technisch anspruchsvoll sind Bohrungen in solchen Tiefen aber dennoch, deshalb arbeitet die Wien Energie dabei mit der OMV zusammen, die mit ihrer technischen Expertise für die geologische Planung zuständig sein wird.

Geothermie nutzt die in der Erdkruste gespeicherte Wärme. Diese stammt aus dem Erdkern, der zwischen 5.000 und 7.000 Grad heiß, sowie aus natürlichen Zerfallsprozessen im Erdmantel. Die in der Erde gespeicherte Wärme und der stetige Wärmeaustausch mit der Erdkruste ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich. Pro 100 Meter Tiefe nimmt die Temperatur in Mitteleuropa um etwa drei Grad zu. Während die oberflächennahe Nutzung der Erdwärme geringe Tiefen bis zu 300 Meter betrifft, sind bei der Tiefengeothermie für die Erschließung von Thermalwasservorkommen Bohrungen in mehreren tausend Metern Tiefe erforderlich. Das im östlichen Raum Wiens gespeicherte Thermalwasser weist aufgrund seiner Millionen Jahre langen Isolierung im Gestein eine hohe Mineralisation (z.B. Salzgehalt) auf und ist daher nicht trinkbar. Die Gewinnung erfolgt mittels Bohrungen, die nach der Wärmeentnahme an der Oberfläche das Thermalwasser wieder in das ursprüngliche Thermalwasservorkommen zurückführen. Es entsteht damit ein geschlossener regenerativer Kreislauf.

Zunächst wird mit einer Erkundungsbohrung die Beschaffenheit und Verfügbarkeit des Thermalwassers am gewählten Standort untersucht. Nach erfolgreicher Erkundungsbohrung werden zwei weitere Bohrungen durchgeführt. Für die geplante Nutzung kommt ein System namens „Hydrothermale Dublette“ zum Einsatz. Dafür wird zunächst rund ein Kilometer senkrecht in die Tiefe gebohrt, danach verlaufen die Bohrungen schräg in entgegengesetzte Richtungen bis auf eine Tiefe von rund 3.000 bis 3.500 Meter.

Über eine der Bohrungen wird das Thermalwasser mittels einer Förderpumpe an die Oberfläche befördert. Nach der Wärmeentnahme an der Oberfläche über Wärmetauscher wird das Thermalwasser über die zweite Bohrung wieder in das gleiche Thermalwasservorkommen zurückgeführt, es entsteht damit ein geschlossener erneuerbarer Kreislauf. Der Entnahme- und der Rückgabepunkt des Thermalwassers liegen dabei rund vier Kilometer voneinander entfernt. Die in der Tiefengeothermie-Anlage gewonnene Wärme kann anschließend in das Fernwärmenetz eingespeist werden.

Tiefenlage (Meter unter Gelände) des Aderklaaer Konglomerats in Wien. © Geologische Bundesanstalt

Die Nutzung von Tiefengeothermie in Wien ist nur deshalb möglich, weil sich mit dem „Aderklaaer Konglomerat“ eine wasserführende Gesteinsschicht unterhalb der Bundeshauptstadt befindet. Als wichtige Grundlage für die Erschließung dieses Vorkommens hat Wien Energie gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft, Forschung und Industrie im Forschungsprojekt „GeoTief Wien“ in den letzten Jahren eine umfassende Untersuchung der geologischen Gegebenheiten unter der Stadt vorgenommen – samt einer umfangreichen seismischen 3D-Erkundung dieser geologischen Besonderheit.

Das Thermalwasservorkommen unter der Stadt ist so groß, dass bis 2030 bis zu 125.000 Wiener Haushalte mit Fernwärme aus Tiefengeothermie versorgt werden könnten. Das entspricht einer jährlichen CO2-Einsparung von 325.000 Tonnen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Errichtung weiterer Tiefengeothermie-Anlagen im Stadtgebiet geplant, die in Summe bis zu 20 Prozent der Fernwärme-Gesamterzeugung abdecken können.

Zu den Vorteilen der Tiefengeothermie zählt, dass es sich dabei um eine CO2-neutrale Energiequelle handelt, die lokal und rund um die Uhr verfügbar ist und dementsprechend unabhängig von (fossilen) Energieimporten ist. Tiefengeothermie ist eine verlässliche und nach menschlichem Ermessen nahezu unerschöpfliche Ressource, die Wärme und Strom langfristig und zu stabilen Preisen zur Verfügung stellt. Darüber hinaus hat die Tiefengeothermie im Gegensatz zu anderen Alternativenergien einen geringen Flächenbedarf und ist entsprechend landschaftsschonend. Die Anlage selbst ist im Betrieb komplett emissionsfrei.

GeoTief: 3D-Modell liefert Erkenntnisse über großes Heißwasservorkommen unter Wien