Kategorie Innovation & Technologie - 16. August 2018
Nach Unglück in Italien: Wie werden Österreichs Brücken kontrolliert?
Österreichs Brücken werden alle sechs Jahre geprüft – Zudem laufende Überwachung und Kontrollen sowie tägliche Sichtkontrollen durch die ASFINAG
Das schwere Unglück von Genua wirft Fragen auf: Wie werden hiesige Brücken kontrolliert und wie stabil sind ältere Konstruktionen? Zu den Instrumenten der Inspekteure gehören inzwischen auch Drohen.
Österreichs Brücken werden alle sechs Jahre einer Hauptprüfung unterzogen. Diese sind durch die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) festgelegt und sehen auch eine Kontrolle vor, die mindestens aller zwei Jahre zu erfolgen hat. Dabei werden etwa 2.000 Brücken im Jahresdurchschnitt sowie bei der im sechs Jahresrhythmus zu wiederholenden Hauptprüfung etwa 350 Brücken im Jahresdurchschnitt auf Herz und Nieren überprüft.
Eine laufende Überwachung ist ebenfalls vorgesehen, bei der ASFINAG täglich. Ebenso prüfen Straßen-und Brückenmeister jedes Brückenbauwerk alle vier Monate. Dabei werden auffällige Veränderungen im Erhaltungszustand detailliert erfasst und auf Beschädigungen an Leitelementen, feuchte Stellen sowie Schwingungsverhalten überprüft.
Alle zwei Jahre erfolgt ein Kontrolle durch geschultes Fachpersonal. Alle sechs Jahre gibt es dann eine Hauptprüfung durch sachkundige Ingenieure, die mehrere Tage dauern kann. In diesem Verfahren wird eine detaillierte Checkliste abgearbeitet und alles mit Fotos dokumentiert. Die Kontrolleure fertigen Protokolle an, in denen etwaiger Rost im Tragwerk ebenso erfasst wird wie die Dichte des Betons und das Schwingungsverhalten der Konstruktion.
Ständige Kontrolle
Nach Elementarereignissen wie etwa bei Hochwasser, wird auch außerplanmäßig kontrolliert, denn Brückenpfeiler können bei Überschwemmungen binnen weniger Tage gleich um mehrere Meter unterwaschen werden. Zusätzliche Sonderprüfungen sind immer dann durchzuführen, wenn Schäden festgestellt oder durch äußere Anzeichen vermutet werden.
Verkehrsminister Norbert Hofer schrieb in einem Brief an seinen italienischen Amtskollegen Danilo Toninelli, dass solche – zum Glück sehr seltenen – Vorfälle ein ganzes Land erschütterten und die verantwortliche Politiker vor die große Herausforderung stellten, den Menschen Antworten auf die vielen offenen Fragen zu liefern, die bei solchen Katastrophen naturgemäß auftreten. Er bekundigte sein Mitgefühl und bot Italien jede benötigte Hilfe an.
Die österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft ASFINAG hat eine Reihe von international renommierten Bautechnik-Experten in ihren Reihen, die bei Bedarf für die Aufarbeitung der Ursache des Brückeneinsturzes eine externe fachliche Expertise liefern können.“
Am heimischen Autobahnen- und Schnellstraßennetz gibt es über 5.000 Brücken, die einem strengen Prüfzyklus unterzogen werden. Im Rahmen des Streckendienstes findet täglich eine Sichtkontrolle durch die Mitarbeiter der ASFINAG-Autobahnmeistereien statt. Alle zwei Jahre prüft das Team des ASFINAG-Erhaltungsmanagements die Brückenbauwerke. Alle sechs Jahre werden externe Ziviltechniker mit einer Kontrolle beauftragt.
Studie zur Stabilität von Spannbetonbrücken
In Mitteleuropa wurden in den 1950er und 1960er-Jahren viele Spannbetonbrücken gebaut. Deren Tragvermögen wird von den aktuellen Normen deutlich unterschätzt, zeigt eine Studie der Technischen Universität (TU) Wien. Die Brücken seien robuster als gedacht, teure Sanierungen könne man sich daher in vielen Fällen sparen, teilte die Uni im letzten Jahr mit.
In einem vom Verkehrsministerium, der ÖBB und der ASFINAG finanzierten Forschungsprojekt wurde am Institut für Tragkonstruktionen der TU Wien die Tragfähigkeit von Spannbetonbrücken mit Hilfe groß angelegter Experimente und Modellrechnungen untersucht. Bisher habe es bei dieser Brückenart noch nicht so viele Experimente gegeben, wodurch ihre Tragfähigkeit von der Norm zum Teil deutlich unterschätzt worden sei.
Die Wissenschafter haben dazu Spannbetonträger mit einer Länge von 14 Metern und einer Höhe von 75 Zentimetern mit hydraulischen Pressen gezielt so lange belastet, bis sie versagten. Patrick Huber hat im Rahmen seiner Dissertation am Institut auf Basis dieser Versuche ein Berechnungsmodell erstellt, mit dem sich die Tragfähigkeit von Brücken viel realistischer beurteilen lässt als bisher.
Die neuen Erkenntnisse werden in neue österreichische Normen einfließen. Bei einem Brückentragwerk auf der Tauernautobahn habe man aufgrund der neuentwickelten Berechnungsmodelle bereits auf teure Verstärkungsmaßnahmen verzichtet. Für seine Arbeit wurde Huber beim letzten Symposium der internationalen Betonbau-Gesellschaft fib (Federation internationale du beton) in Maastricht mit dem „Achievement Award for Young Engineers“ ausgezeichnet.
Sicherheitscheck per Drohnen
Während eines Pilotversuches im vergangenen Jahr wurden von der ASFINAG sechs Überprüfungen, darunter jene der 190 Meter hohen Europabrücke auf der A13 Brenner Autobahn, durch den Einsatz von Drohnen unterstützt. Durchgeführt wurden das Projekt und die Pilotversuche gemeinsam mit der Firma BLADESCAPE. Das in Schwechat ansässige und international agierende Unternehmen ist spezialisiert auf autonome Zustandserfassung und Digitalisierung von Industrieobjekten mittels unbemannter Luftfahrzeugsysteme.
Mehr als 15.000 Bauwerke wie Brücken, Tunnel, Stützmauern und Lärmschutzwände kontrolliert die ASFINAG am Autobahnen- und Schnellstraßen-Netz in Österreich regelmäßig. Aus den Ergebnissen leitet die Abteilung des Asset Managements mit rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern notwendige Maßnahmen zur Erhaltung ab. Wie oft und nach welchen Intervallen derartige Kontrollen erfolgen, ist abhängig vom Bauwerk und in den Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen festgelegt.