Kategorie Innovation & Technologie - 1. Dezember 2015

Neue Ideen für die öffentliche Beschaffung


APA/Münze Österreich

Mit Open Innovation will auch der Staat in öffentlichen Einrichtungen – seien es Ministerien, Universitäten, Schulen, Museen, Länder oder Gemeinden – neue Standards setzen. Neben der Open Innovation-Strategie der Bundesregierung, die gerade erstellt wird, setzt auch die öffentliche Beschaffung auf die Kraft der Bevölkerung. Zu einem florierenden Marktplatz für innovative Ideen und Produkte für die öffentliche Hand soll die Ende September gelaunchte Plattform www.innovationspartnerschaft.at werden. Unternehmen haben die Möglichkeit, ihr Angebot kostenlos vorzustellen und können von öffentlichen Einkäufern direkt kontaktiert werden.

Zuvor werden die angebotenen Lösungen von einer Jury auf ihre tatsächliche Innovationskraft geprüft. Bis jetzt gab es zwei Jury-Sitzungen, die letzte davon im Oktober. „In Summe haben sich bereits mehr als fünfzig Unternehmen mit innovativen Angeboten gemeldet“, heißt es seitens Stefan Wurm, dem Leiter der Servicestelle für innovationsfördernde öffentliche Beschaffung (IÖB) in der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) gegenüber APA-Science. Knapp 30 davon erhielten eine Freigabe und sind nun auf der Onlineplattform einsehbar. Das Ziel sei, einen einfachen, raschen und niederschwelligen Zugang für Unternehmen zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen Produkte oder Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung von Nutzen und praktisch einsetzbar sein.

Das Angebot ist recht unterschiedlich, wie ein Blick auf die Seite zeigt: Vom Carport mit Ladestation für Elektroautos über verrottbare Absperrbänder bis hin zu einer Technologie zur leichteren Orientierung in Gebäuden reicht die Bandbreite.

Der Zuspruch zur Plattform, die derzeit noch in der Beta-Version läuft und von der IÖB-Servicestelle betrieben wird, sei groß, besonders von Start-ups. Hier gebe es eine enge Zusammenarbeit etwa mit der Förderbank aws (Austria Wirtschaftsservice GmbH), einer von derzeit vier Kompetenzstellen der IÖB. Auch bei Festivals oder Innovationskongressen wurde schon die Werbetrommel für die Plattform gerührt. „Wir sind auf unterschiedlichsten Kanälen aktiv“, betont der Leiter der IÖB-Servicestelle.

„Challenges“ als Herausforderung

Neben seiner Funktion als Marktplatz bietet die Plattform auch die Möglichkeit, in Form einer „Challenge“ nach der Lösung für ein konkretes Problem zu suchen. Diese „Herausforderungen“ seien auch für die Betreiber der Plattform eine „Challenge“, denn die Vorgangsweise bedinge einen Kulturwandel in der öffentlichen Hand. Der Open Innovation-Ansatz bedeute, sehr viel früher als bisher im Wertschöpfungsprozess anzufangen, um Raum für Innovationen zu lassen. Sei es lange Zeit darum gegangen, dass Maßnahmen eine gewisse Wirkung bzw. ein bestimmtes Ergebnis bringen müssten, so werde nun mit interessierten öffentlichen Organisationen erst einmal über ein konkretes Problem gesprochen. Dieser offene Zugang erfordere viel Fingerspitzengefühl – Aufklärungsarbeit wird hier im persönlichen Kontakt betrieben.

Zurzeit sind zwei „Challenges“ online: Zum einen sucht die Universität Salzburg nach einem Tool, um auf einfache Weise Personaleinsatzpläne unter Einbeziehung von höchst komplexen arbeitszeitrechtlichen Bedingungen erstellen zu können. Zum anderen sucht die IÖB-Servicestelle nach Ideen, ihren Bekanntheitsgrad zu fördern. Dem Prozess einer Challenge wollte man sich selbst stellen, um Authentizität zu schaffen – wer etwas ändern wolle, müsse mit gutem Beispiel vorangehen, heißt es.

Servicestelle soll neue Perspektiven eröffnen

Eine innovative Alternative zu Audioguides für Museen? Ressourceneffiziente Beleuchtung? Umweltfreundlichere Dienstautos? „Oft weiß der Einkäufer in öffentlichen Einrichtungen gar nicht, welche Innovationen es am Markt gibt“, erzählt Bernd Zimmer, Referent in der Abteilung Innovation und Transfer im Wirtschaftsministerium. Die seit 2013 tätige Servicestelle für innovationsfördernde öffentliche Beschaffung (IÖB) samt der Open Innovation-Plattform soll hier einen Überblick schaffen und neue Perspektiven eröffnen.

Neben Beratungen, Trainings, der Organisation von Veranstaltungen wie der Ecovation-Konferenz zur Zukunft des öffentlichen Beschaffungswesens, der Initiierung von Projekten und einer Vielzahl weiterer Aktivitäten ist es eine wichtige Aufgabe der Servicestelle, Bewusstsein zu schaffen. Denn werden innovative Produkte nachgefragt, stärkt das die Unternehmen, fördert die Bereitschaft, innovative Anwendungen in der Praxis zu erproben und bringt in Folge einen Mehrwert für die Bürger, so der offizielle Leitgedanke der vom Wirtschaftsministerium und vom Verkehrsministerium getragenen Initiative.

Sensibilisierung durch Projektwettbewerb

Seit 2014 gibt es einen Projektwettbewerb, bei welchem innovative Beschaffungsvorhaben eingereicht werden können. Die besten Projekte werden von der IÖB-Servicestelle in der Umsetzung begleitet und finanziell unterstützt. „In der ersten Welle des Bewerbs – er findet seit heuer gestaffelt statt – wurde etwa die Gemeinde Litschau für ihre Pläne, einen ressourcenschonenden Wärmetauscher mit speziellen Anforderungen für das Hallenbad anzuschaffen, ausgezeichnet. Die Servicestelle sucht nun nach dem optimalen Lieferanten“, erzählt Zimmer.

„In der ersten Projektwelle gab es vier Einreichungen, drei davon werden unterstützt“, erklärt der Referent. Pro Jahr stehen 80.000 Euro für die Projekte zur Verfügung. Um das Thema an den Mann und die Frau zu bringen, wird auf ein Netzwerk von derzeit vier Kompetenzstellen zurückgegriffen: Die Förderbank aws (Austria Wirtschaftsservice), FFG (Forschungsförderungsgesellschaft), Energieagentur sowie die BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) ergänzen die IÖB-Servicestelle thematisch „und liefern Experten-Input beispielsweise für Workshops“. Daneben fänden Veranstaltungen namens „Plattform Innovation“ statt, etwa zu Themen wie innovativer Beleuchtung oder Gebäudetechnologie.

Was Innovation eigentlich ist, dazu gibt es in der IÖB keine strikte und einschränkende Definition – man orientiere sich jedoch an der OECD-Definition gemäß Oslo-Manual. „Grundsätzlich sind wir hier recht offen – Innovation kann letztendlich überall entstehen. Die Frage ist auch nicht nur, wie man Innovation definiert, sondern auch, wie man den Innovationsgrad bestimmt: Muss etwas neu am Weltmarkt sein oder neu in Österreich oder neu für den Beschaffer selbst?“, gibt der Experte zu bedenken. Die IÖB taucht übrigens auch in der neuen Strategie der Stadt Wien zu Forschung, Technologie und Innovation („FTI„) auf. Wie die Zusammenarbeit konkret aussehen werde, sei aber noch nicht festgelegt.

Vorbild für andere

EU-weit gehöre die IÖB, wie sie in Österreich aufgestellt ist, zu den Vorreitern, betont der gelernte Betriebswirt Bernd Zimmer. So wurde die Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) unlängst mit dem „Public Procurement of Innovation Award“ der Europäischen Kommission für das Verfahren zur Beschaffung einer innovativen Abwasseraufbereitungsanlage für die Münze Österreich ausgezeichnet.

„Wir sind das einzige Land, das einen derart umfassenden Strategiefindungsprozess angestoßen hat – denn neben den Ministerien wurden auch alle relevanten Stakeholder, wie beispielsweise die Sozialpartner, einbezogen. Zweimal jährlich tritt außerdem der IÖB-Beirat zusammen, ein Gremium, um das uns etwa Deutschland beneidet“, meint der Experte. Das Nachbarland habe zeitgleich mit Österreich ein Kompetenzzentrum für IÖB gegründet, jedoch sei dieses in eine nicht so breit aufgestellte „IÖB-Governance“ eingebettet.

Neben der kommerziellen Beschaffung – der Ankauf von Produkten und Dienstleistungen, die bereits am Markt sind – befasst sich die IÖB auch mit der Entwicklung von neuen, maßgeschneiderten Angeboten, „im Idealfall von Beschaffer und Unternehmen gemeinsam“, erklärt Zimmer. Als Beispiel für die vorkommerzielle Beschaffung nennt er ein Projekt des Wirtschaftsministeriums in Zusammenarbeit mit der Burghauptmannschaft und der FFG, das sich mit dem innovativen Heizen und Kühlen in historischen Gebäuden – konkret am Beispiel Stubenring 1 – befasst. Am Projekt beteiligt sind unter anderem das Institute of Building Research and Innovation und das Unternehmen E7 – Energie Markt Analyse.

Auch die neue Vergaberichtlinie der EU, die bis kommenden April umgesetzt werden muss, stärke Innovationspartnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und Unternehmen, ist Zimmer überzeugt. Letztlich sei die IÖB ein Verwaltungsreformprojekt. Oftmals gehe mit innovativen Beschaffungen eine Kostenersparnis einher.

Schulungen und Weiterbildungen

Wissenschaftlich begleitet wird die Initiative, die Ende 2017 evaluiert werden soll, vom Austrian Institute of Technology (AIT). „Dabei hat sich gezeigt, dass Veranstaltungen zwar hilfreich sind, wir aber noch tiefer gehen müssen: mit Weiterbildungen, Schulungen und konkreten Unterstützungsleistungen für die Beschaffer“. Der persönliche Kontakt sei sehr wichtig, weil man immer erst Überzeugungsarbeit leisten müsse. „Natürlich bedeutet es für den Beschaffer zunächst einen Mehraufwand, aber im Endeffekt entsteht für alle Beteiligten ein Mehrwert.“ Zimmer: „Es ist ein sehr komplexes Thema“.

Service: Diese Meldung ist Teil eines Dossiers zum Thema Open Innovation, das unter http://science.apa.at/dossier/openinnovation zu finden ist.