Kategorie Klima- & Umweltschutz - 1. März 2022
Neuer Bericht des Weltklimarats IPCC: »In welcher Welt wir leben, entscheiden wir hier & heute«
Zweiter Teil des IPCC-Berichts zu Folgen der Klimakrise und Gegenmaßnahmen – Planet könnte für Menschen unbewohnbar werden – Wetterextreme treten häufiger gleichzeitig auf – Österreich seit 2012 mit nationaler Anpassungsstrategie – Klimaschutzministerin Gewessler sieht in EU-Plänen Weg aus der Krise
Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) hat die Ergebnisse seines neuesten Berichts veröffentlicht. Von über 230 Autor:innen verfasst, beschreibt der Report „Klimawandel 2022: Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit“ den aktuellen Wissensstand zu den ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen durch die Klimakrise.
So warnt das Panel erneut vor den „roten Ampeln“ der bereits gegenwärtig wirkenden Klimakrise. Ein Überschreiten droht die Erde in Zukunft zu einem für Menschen unbewohnbaren Planeten zu verwandeln. Die „Lücke in der Umsetzung“ ist laut dem Ko-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe, Hans-Otto Pörtner, weiterhin das Problem. Der zweite Teil des sechsten Sachstandsberichts zeigt neben Folgen und Risiken der Klimaerhitzung, aber auch Möglichkeiten, mit diesen umzugehen.
Mehr Druck auf Mensch & Natur
„In Österreich, Europa und auf der ganzen Welt sind wir von den massiven Auswirkungen durch die Klimakrise betroffen“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. „Die immer häufiger werdenden Extremwetterereignisse und ihre Folgen wirken sich massiv auf uns und unsere Natur aus.“
Der aktuelle Bericht zeigt einmal mehr deutlich auf: Egal wo auf unserem Planeten, wir Menschen sind durch die Klimakrise verwundbarer denn je – ihre Folgen treffen uns immer stärker und regelmäßiger. „Ein weiter wie bisher kann für uns alle keine Option sein. Je eher und rascher wir Einlenken und Emissionen drastisch reduzieren und uns unabhängig von den Fossilen machen, desto lebenswerter und sicherer wird unsere Zukunft sein.“
Auch IPPC-Vorsitzender Hoesung Lee sieht im Report „eine eindringliche Warnung vor den Folgen der Untätigkeit“. Der Pariser Klimavertrag gibt vor, was zu tun ist, nämlich den CO2-Ausstoß insgesamt so weit zurückzufahren, dass die Erderwärmung bis 2050 möglichst unter 1,5 Grad bleibt. Doch bereits der im August 2021 veröffentlichte erste Teil des inzwischen sechsten Sachstandsberichts mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zum Inhalt hatte eine alarmierende Aussage: Bei derzeitigen Entwicklung werde die Erde schon gegen 2030 um 1,5 Grad Celsius wärmer sein im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Ohne eine rasche und drastische Reduzierung der Emissionen droht das Szenario eines zunehmenden Verlusts von Menschenleben, biologischer Vielfalt und Infrastruktur.
„Jede weitere Verzögerung eines global konzentrierten Handelns wird ein kurzes und sich schnell schließendes Zeitfenster verpassen“, zitierte Georg Kaser, IPCC Review Editor von der Universität Innsbruck, eine der Kernaussagen des neuen Berichts und resümierte daher: „die Lage ist also dramatisch“. Die Evidenz an Schäden und Verlusten in Europa habe sich verhärtet, erläuterte Birgit Bednar-Friedl von der Universität Graz bei der Präsentation des Berichts bei einem Pressetermin des österreichischen Klimaforschungsnetzwerk CCCA in Wien. Sie war im IPCC-Bericht beim Kapitel „Europa“ beteiligt. Erstmals habe man auch bezüglich der wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels einen Nachweis liefern, die stärksten Auswirkungen sehe man heute schon, etwa im mediterranen Raum.
Noch ist das Gegenteil der Fall, denn „zunehmende Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen überschreiten bereits die Toleranzschwelle von Pflanzen und Tieren und führen zu einem Massensterben von Bäumen und Korallen“, wie im IPCC-Bericht zu lesen ist. Diese Wetterextreme treten gleichzeitig auf und mit immer schwieriger zu bewältigenden Auswirkungen. Schon jetzt sind so Millionen von Menschen vor allem in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie auf kleinen Inseln einer akuten Nahrungsmittel- und Wasserversorgungsunsicherheit ausgesetzt.
Abhängigkeit von Fossilen stoppen
Der Weg in eine klimafreundliche Zukunft werde von der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern gebremst, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler . „Gerade jetzt müssen wir raus aus den Fossilen und in den Ausbau von Erneuerbaren investieren“, sagte die Ministerin, die wegen Russlands Invasion in der Ukraine bei einem außerordentlichen Treffen der EU-Energieminister in Brüssel weilte. Eine nationale Anpassungsstrategie gibt es indes seit 2012 in Österreich.
„Das Gute ist, das bestätigt uns auch der IPCC-Bericht: Wir können mit ambitionierten Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen die Klimakrise wirksam eindämmen“, so Gewessler. Für Österreich ist bereits Wesentliches auf den Weg gebracht: Mit einem gewaltigen Bahnausbaupaket werden in den nächsten Jahren mehr Öffis unterwegs sein und mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, sorgen wir für die Energiewende mit 100 Prozent erneuerbar produzierten Strom und werden schrittweise unabhängig von fossilen Energieträgern. „Mit dem Green Deal und dem Fit-for-55 Paket haben wir genau das, was es jetzt braucht – einen deutlichen Weg gegen die Klimakrise, hinzu Klimaneutralität in Europa bis 2050 und in Österreich bis 2040.“
„In welcher Welt wir leben, entscheiden wir hier und heute“, sagte Jürgen Schneider, Sektionschef im Klimaschutzministerium, zu den Szenarien des IPCC-Berichts, dessen Ergebnisse am Montag auch im Presseclub Concordia in Wien unter Beteiligung österreichischen Co-Autoren präsentiert wurden. Die dort aufgezeigten Möglichkeiten seien jedes Mal eine Erinnerung daran, schnell aktiv zu werden. 2021 erfolgte die Aktualisierung, sagte Schneider, es müsse bei der Anpassung an den Klimawandel auf allen Ebenen gehandelt werden, bis in die Gemeinden hinab. Der Sektionschef nahm anstelle der Bundesministerin an der Pressekonferenz teil.
📈 420.85 ppm #CO2 in the atmosphere February 24, 2022 📈 Up from 416.30 ppm a year ago 📈 Mauna Loa Observatory @NOAA data & graphic: https://t.co/MZIEphYygh 📈 https://t.co/DpFGQoYEwb tracking: https://t.co/PTTkLiPGm2 🙏 View & share often 🙏 pic.twitter.com/eBppz8Xf5D
— CO2_Earth (@CO2_earth) February 25, 2022
Die erste Klimawandelanpassungsstrategie Österreichs wurde 2012 verabschiedet, die Wichtigkeit derartiger Maßnahmen wurde drei Jahre später im Pariser Klimavertrag hervorgehoben, in dem sie als gleichwertige zweite Säule der Klimapolitik gelten, heißt es dort im einleitenden Kommentar des „Executive Summary“. In dieser Zusammenfassung finden sich die Entwicklungen in den insgesamt 14 „Aktivitätsfeldern“.
Der „Zweite Fortschrittsbericht“ zur österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel wurde vergangenen September dem Ministerrat vorgelegt. Inhalt des 36-seitigen vom Umweltbundesamt im Auftrag des Klimaschutzministerium verfassten Berichts sind die Umsetzungsfortschritte der Anpassung im Zeitraum zwischen 2015 und 2020. Auf seiner Basis wird die Strategie für Österreich derzeit erneut überarbeitet.
Für die beim IPCC-Bericht angesprochene zunehmende Trockenheit in Europa gibt es seit dem Vorjahr auch eine Prognose für Österreich. Demnach werde sich der Bedarf für die Wasserversorgung in Österreich laut einer im September 2021 publizierten Studie des Landwirtschaftsministeriums aufgrund des Bevölkerungswachstums und des Klimawandels bis zum Jahr 2050 um elf bis 15 Prozent auf 830 bis 850 Millionen Kubikmeter pro Jahr erhöhen.
Nur ein kleines Zeitfenster
Von einem sich schließenden Fenster zur Anpassung an die fortschreitende Klimakrise warnt das neue Papier des Weltklimarats (IPCC). „Es ist der erste Bericht, wo man die Auswirkungen schon direkt mit dem was die Menschen erleben in Zusammenhang bringt“, so der Klimaexperte Daniel Huppmann zur APA. In Österreich gebe es Chancen, die Anpassungsfähigkeit zu erhöhen, um die schon deutlich spürbaren negativen Effekte abzufedern. Das Fenster schließe sich aber „dramatisch schnell“.
Frühere Expertenberichte hätten die konkret spürbaren Folgen der Temperaturzunahme oft noch etwas in die Ferne gerückt. Seither habe sich aber viel getan. Die Wissenschaft könne die Auswirkungen des menschgemachten Treibhauseffekte „ganz klar zuordnen“, so der Forscher vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien, der hier vom ersten Papier spricht, „der das ganz klar benennt und dadurch auch greifbarer ist“.
Für Österreich sieht Huppmann die Auswirkungen steigender Temperaturen auf die Gesundheit als „Riesenthema“, das in den immer heißeren Sommern vor allem ältere und vorerkrankte Personen stärker treffen wird. Die Landwirtschaft werde voraussichtlich vielfach mit entweder zu trockenen oder zu feuchten Bedingungen zu kämpfen haben. Auch wenn Österreich beim Trinkwasser in einer weiter guten Lage ist, könne auch Wasserknappheit vermehrt Effekte zeitigen. So etwa, wenn trockenere Wälder durch Borkenkäferbefall weiter unter Druck geraten.
Letztlich gelte für Österreich, dass es durch die steigenden Temperaturen schon vielerorts „ungemütlich ist“. Österreich liegt an der Grenze zwischen dem trockeneren mediterranen Klima, dem feuchteren nordeuropäischen Klima und dem im Osten vorherrschenden Steppenklima. Hier könne sich „sehr leicht sehr drastisch“ etwas verschieben, „wenn nämlich das mediterrane, heiße Wetter einmal über die Alpen hinüberschwappt“.
Um drohende Effekte abzufedern, könne man einiges tun, betonte Huppmann: „Verkehr ist das große Sorgenkind.“ Es bräuchte eine Verringerung der Verkehrsflächen, was mehr Leute auf andere Verkehrsmittel als das Auto umsteigen ließe. Gleichzeitig gebe es dann zusätzliche Möglichkeiten zur Begrünung von Flächen, „was für die Klimawandelanpassung wahnsinnig wichtig ist“. Nicht zuletzt müssten klimaschädliche Subventionen deutlich reduziert werden. Würde man diese in Richtung „Grüne Energie“ und Co umlenken, könne man die Energiewende schon nahezu durchfinanzieren, zeigte sich der Forscher überzeugt.
Österreich sei bei der Anpassung in einer vergleichsweise guten Position. Die Tragik sei aber, dass diese Möglichkeiten in vielen weniger entwickelten Ländern deutlich eingeschränkt sind, bei tendenziell noch stärkeren Auswirkungen des Klimawandels als hierzulande.