Kategorie Innovation & Technologie - 12. März 2019

Oberflächen-Engineering: Ursula Palfinger ist FEMtech-Expertin des Monats

Die Experimentalphysikerin Ursula Palfinger ist unsere FEMtech-Expertin des Monats März. Die promovierte Gleisdorferin arbeitet als Senior Scientist und Projektleiterin an der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft, der größten außeruniversitären Forschungseinrichtung in der Steiermark. Dort forscht sie an Oberflächenstrukturen, welche mittels Mikro- und Nanoprägung für industrielle Anwendungen hergestellt werden.

„Schon in meiner Diplomarbeit habe ich mich mit der Herstellung kleiner Strukturen befasst. Das Mikro- und Nanoprägen nahm zu dieser Zeit in Österreich gerade seinen Anfang“, so Ursula Palfinger über ihre Anfänge in der Nanoforschung. Mittlerweile ist es ihrem Team am Institut für Oberflächentechnologien gelungen, die Technologie zu einer industriell einsetzbaren, durchsatzstarken Methode zu entwickeln, die in vielen Bereichen – von der Optik und Sensorik bis hin zur Medizintechnik und Luftfahrt – zum Einsatz kommt. Mit der sogenannten Nano-Präge-Technik zeigt man sich am Standort in Weiz besonders kreativ, neue Anwendungsgebiete zu entdecken.

 

„Wir verwenden Mikro- und Nano-Prägeprozesse, um Oberflächen mit winzigen Strukturen auszustatten. Je nach Strukturgröße, Strukturart und verwendetem Material erhält die Oberfläche dadurch veränderte oder zusätzliche Eigenschaften.“ Auf der Oberfläche eines Produkts angebracht, können sie so auf dessen mechanische, optische, haptische, sensorische oder elektronische Eigenschaften Einfluss nehmen.

Viele Anwendungen machen jedoch erst Sinn, wenn sehr kleine Strukturen auf großen Flächen hergestellt werden können. Diesem Schwerpunkt widmet sich Ursula Palfinger ganz besonders, um beispielsweise große Displays, Wände, Fahr- oder Flugzeuge damit auszustatten. „Mit unserer in Europa einzigartigen Rollenprägeanlage sind wir in der Lage, Mikro- und Nano-Strukturen großflächig auf Endlos-Substrate zu drucken. Die Stempel- und Prägematerialien dafür entwickeln wir im Haus selbst“, erklärt Palfinger den Produktionsablauf. So können die ersonnenen Strukturen am Institut in Weiz sowohl berechnet, hergestellt als auch auf große Flächen vervielfältigt werden.

© Robert Stadler

Ob zur Steuerung des Lichteinfalls an einer smarten Gebäudeverglasung, der Integration von Mikrofluidik-Elementen in medizinischen Mess-Systemen, der Erzeugung von nicht-ausbleichenden, dekorativen Strukturfarben, der Optimierung der aerodynamischen Eigenschaften eines Flugzeuges oder zur Herstellung von selbstreinigenden Oberflächen – die denkbaren Einsatzgebiete solcher Strukturen sind quasi unendlich.

Das Nanoprägen an sich funktioniert im Grundprinzip recht simpel: Eine Struktur, die als Relief vorhanden ist, wird im Stempelverfahren in einen speziellen Lack übertragen und mit UV-Licht ausgehärtet. Was einfach klingt, erfordert ungeheure Präzision und die umfassende Steuerbarkeit aller beteiligten Materialien.

Aktuell koordinierte Ursula Palfinger in Kooperation mit der Österreichischen Forschungsgesellschaft FFG unter anderem das Projekt MoMiFlu@Foil, welches die Herstellung von mikrofluidischen Strukturen für den biomedizinischen Bereich zum Ziel hatte. Mikrofluidik meint den Transport von Flüssigkeiten durch feine Kanäle, so können in einem kleinen Chip und mit nur geringen Flüssigkeitsmengen verschiedenste Prozesse und Messungen durchgeführt werden. Anders als gewöhnlich stellte das Projektteam diese Kanäle nun mit der erwähnten Prägetechnik her, die Anzahl der nötigen Prozess-Schritte hat sich dadurch deutlich verringert.

Die Ergebnisse daraus wurden unter anderem in dem von JOANNEUM RESEARCH koordinierten EU-Projekt R2Rbiofluidics mit zehn internationalen Partnern weiterverwendet mit dem Ziel, erstmals eine komplette rollenbasierte Herstellungskette für mikrofluidische Biosensoren (Labs-on-foil) auf die Beine zu stellen. Hierfür erhielt das Projektteam 2018 den Fast-Forward-Award des Landes Steiermark.

Die JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft ist eine unternehmerisch orientierte Innovations- und Technologieanbieterin, die seit mehr als dreißig Jahren Spitzenforschung auf internationalem Niveau betreibt. Eingebunden in ein internationales Netzwerk und mit dem Fokus angewandte Forschung und Technologieentwicklung nimmt sie eine Schlüsselfunktion in der österreichischen Forschungslandschaft ein.

Wordrap mit Ursula Palfinger

  • Womit ich als Kind am Liebsten gespielt habe:
    Draussen zu sein war toll – und das waren wir viel; ansonsten liebte ich Brettspiele, Matador, basteln – und hin und wieder durfte ich einen alten Videorekorder aufschrauben, um zu sehen, was drin ist.
  • Mein Lieblingsfach in der Schule war:
    Deutsch, Englisch und Physik
  • Dieses Studium würde ich jetzt wählen:
    Vermutlich wieder Physik – ich wollte auch gerne Germanistik studieren, vielleicht gehe ich das in der Pension noch an…
  • Meine Vorbilder sind:
    Menschen, die respektvoll und wertschätzend mit anderen umgehen.
  • Was ich gerne erfinden würde:
    Vier Stunden Schlaf für vollständige Erholung.
  • Wenn der Frauenanteil in der Technik 50 Prozent beträgt …
    … entscheiden Interessen und Talente über die Berufswahl, nicht mehr soziale Gegebenheiten und veraltete Rollenbilder. Junge Frauen haben mehr Selbstvertrauen in ihre vielseitigen Fähigkeiten.
  • Wenn der Frauenanteil in Führungspositionen 50 Prozent beträgt …
    … erleben wir erfrischende Änderungen im Führungsstil.
  • Was verbinden Sie mit Innovation:
    Das Identifizieren zukünftig relevanter Fragestellungen und die erfolgreiche wirtschaftliche Umsetzung von Forschungsergebnissen.
  • Warum ist Forschungsförderung in Österreich wichtig:
    Forschungsförderung bildet die solide Basis für innovative Tätigkeiten und ermöglicht echte Technologie-Entwicklung.
  •  Meine Leseempfehlung lautet:
    Ich versuche, mindestens einmal pro Tag ein Buch zur Hand zu nehmen, auch wenn ich manchmal nur ein paar Zeilen schaffe. Ich lese gerne Autobiografien und beispielsweise alles von C. R. Zafon.
Frauen in Forschung und Technologie: Mit der Initiative FEMtech fördert das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) Frauen in Forschung und Technologie und schafft Chancengleichheit in der industriellen und außeruniversitären Forschung. Unter ,Chancengleichheit werden in diesem Zusammenhang ,,gleiche Rahmenbedingungen und Erfolgschancen für Frauen und Männer in Forschung und Technologie“ verstanden. FEMtech wird derzeit einem Re-Launch unterzogen und neu fokussiert. Ziel von FEMtech ist es, noch stärker den Unternehmensbereich sowie Fachfrauen aus den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation anzusprechen. In dieser Übergangszeit werden wir trotzdem dafür sorgen, dass Sie eine monatliche Expertin und relevante News zur Initiative präsentiert bekommen.