Kategorie Innovation & Technologie - 8. September 2016
ÖBB gehen auf die Sprayerjagd
Auch wenn er sich früher eher mit Geiselnahmen und Banküberfällen befasste, ist Vandalismus für ihn kein Bagatelldelikt. „Graffiti-Sprayer verursachen jedes Jahr allein bei den Bundesbahnen Schäden im zweistelligen Millionenbereich. Die Reinigung von Zügen und Infrastruktur ist extrem aufwendig und daher teuer“, sagt Christoph Gsottbauer. Der Geschäftsführer der Firma PRM Safeline war zuvor vier Jahre beim Bundesheer und zehn Jahre bei der Polizei – die meiste Zeit bei der Cobra. Dann machte er sich selbstständig und kümmert sich seither vor allem um Lösungen für besondere Sicherheitsnischen.
Und Nischen sind es buchstäblich, die ihn im Projekt Safeline interessieren: schlecht einsehbare Stellen auf Bahnhöfen, etwa unter Rolltreppen. Aber fast noch mehr auch sichtbare Plätze wie Brückenpfeiler, Unterführungen oder Mauern entlang von U-Bahnstrecken. Denn: „Je mehr Menschen ein Graffiti sehen, desto mehr Prestige bringt es dem Sprayer“, sagt er.
Nur ein Hund verlaufen?
Seit eineinhalb Jahren arbeitet er gemeinsam mit einem Team der ÖBB Infrastruktur an einem neuen Überwachungssystem, das verschiedene Technologien verbindet: Bewegungsmelder, Infrarot- und Kamerasensoren. Die Hardware gibt es zu kaufen, neu ist deren Vernetzung und die Koppelung mit einem Sicherheitsmann: Werden die Sensoren ausgelöst, filmen Kameras eine Sequenz von acht Sekunden. „Anhand der Aufnahmen lässt sich prüfen, ob sich etwa nur ein Hase oder Hund auf den Schienen verlaufen hat oder dort ein Mensch geht, der sich hier eigentlich nicht aufhalten dürfte. Erst dann schlägt der Verantwortliche Alarm“, erklärt Robert Böhm, Projektleiter bei der ÖBB Infrastruktur.
Die Alarmkette – also ob beispielsweise ÖBB-eigene Sicherheitskräfte oder die Polizei verständigt werden – wurde genau ausgetüftelt. Wenn nötig, werden die Gleise für den Polizeieinsatz gesperrt. Sensoren und Kameras sind nicht verkabelt und daher einfach zu installieren. Sie liefern die Informationen über Funk. Die Energie kommt aus Akkus, die etwa einmal im Jahr zu warten sind. So lange kann das System durchgehend im Einsatz sein.
Und der Datenschutz? Man erkenne auf den Aufnahmen lediglich, ob es sich um einen Menschen oder ein Tier handle. Personen seien auf den Aufnahmen nicht identifizierbar, heißt es. Außerdem werde nicht im öffentlichen Raum gefilmt, sondern in Bereichen, wo der Zutritt streng untersagt ist. „Das Betreten der Gleisanlagen ist untersagt, hier kann man sich nur widerrechtlich Zutritt verschaffen“, sagt Böhm.
Erste Tests erfolgreich
Das neue System wurde auch schon je sechs Monate lang an drei Standorten getestet: am Wiener Rennweg und in Hetzendorf sowie im niederösterreichischen Laa an der Thaya. Fazit: Überwachung und automatische Alarmierung funktionierten. Die Polizei nahm vier Sprayer fest. Danach gab es keine neuen Schäden, das System schreckt also ab. Das spart auch Kosten: Pro Standort könnten sich Überwachungskosten von rund 15.000 Euro einsparen lassen, schätzt Gsottbauer.
Derzeit überlegt man, wie man das System künftig einsetzen kann. So könnte es künftig auch kleinere Bahnhöfe oder Haltestellen schützen helfen. Dabei gehe es oft einfach auch um das Sicherheitsgefühl, etwa wenn ein Fahrgast allein in der Dämmerung wartet, so Böhm. Fühlt sich jemand unsicher, könnte er die Überwachung über einen Notfallsknopf aktivieren.
Ein anderer Vorteil: Es gibt keine Fehlalarme. Rund 97 Prozent der Sprayermeldungen hätten sich in seiner Zeit als Polizist als unbegründet erwiesen, sagt Gsottbauer. Mitunter habe man Alarme daher wenig ernst genommen, entsprechend wenig Festnahmen gab es. Schlägt das neue System Alarm, gibt es einen eigenen Code, die Polizei schreitet gezielt ein. Erwischt man den Sprayer, könne das mitunter mehrere hundert Delikte auf einmal aufklären. Weil jeder seine Werke mit einem Zeichen signiert. (Von Alice Grancy, Die Presse)