Kategorie Mobilität - 1. April 2016

Sportlich mit dem Handy in der Hand

Jetzt gib endlich das Smartphone weg und geh hinaus an die frische Luft! Diesen und ähnliche Sätze wiederholen Eltern ständig in vielen Haushalten. Ein Forscherteam aus Landschaftsplanern, Sportwissenschaftlern und Verkehrsplanern in Wien hat diesen Ansatz umgedreht und will Jugendliche auffordern: Nimm das Smartphone, geh damit hinaus und mach Bewegung. „Es wird oft berichtet, dass neue Medien Jugendliche dazu veranlassen, sich weniger zu bewegen, und welche negativen Auswirkungen dies auf ihre Gesundheit hat“, sagt Doris Damyanovic vom Institut für Landschaftsplanung der Boku Wien.

Sie leitet das Projekt „AktivE Jugend“, das vom Technologieministerium im Programm „Mobilität der Zukunft“ gefördert wird. „Unsere Frage ist, welche Chancen bieten Smartphones und Tablets, damit Jugendliche mehr Wege zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Scooter oder dem Skateboard zurücklegen?“, sagt Damyanovic.

„Es gab bisher kaum Untersuchungen in Österreich, wie Jugendliche sich im öffentlichen Raum fortbewegen“, erklärt die Forscherin. Daher startete das Team eine Testphase mit zwei Wiener Gymnasien – eines im Zentrum, eines am Stadtrand: Die Sechstklässler dokumentierten für sieben Tage ihr Bewegungsprofil. Einerseits mit GPS-Apps am Handy, die auf dem Stadtplan digital eintragen, welche Wege erledigt wurden und feststellen, ob man gegangen, gelaufen oder gefahren ist.

Drei Bewegungstypen

Andererseits mittels Akzelerometern, kleinen Sensoren, die die Geschwindigkeit und Intensität der Bewegung messen sowie die Schritte zählen. „Bisher haben wir die Ergebnisse von 50 Jugendlichen ausgewertet und drei Typen gefunden“, sagt Damyanovic.

Typ 1 geht gern zu Fuß: Diese Jugendlichen kommen unter der Woche, wenn Schulwege und Freizeitaktivitäten erledigt werden, auf täglich 10.000 Schritte, wie es von der WHO als gesundheitsfördernd angegeben wird. „Das sind meistens Mädchen“, sagt Damyanovic.

Typ 2, der sportliche Typ, sind meistens Burschen: Sie schaffen 10.000 Schritte pro Tag und machen zusätzlich am Wochenende Sport und Bewegung. Sie sind oft in einem Sportverein aktiv.

Typ 3 ist der gemütliche Typ, der im Alltag keine 10.000 Schritte bewältigt und auch sonst wenig Bewegung macht. „Unterschiede zwischen der Schule im Zentrum und am Stadtrand haben wir keine gefunden“, so Damyanovic.

Nun heißt es, Möglichkeiten zu finden, wie das Smartphone die Motivation steigert. Die Schulen sind in die Planungen mit eingebunden, sodass auch Input der Jugendlichen mit einfließt. „Wir wollen viel mit Spielen arbeiten, um Bewegung attraktiv zu machen“, sagt die Landschaftsplanerin.

Mit GPS ein Herzerl zeichnen

Erster Ansatz sind Geo-Caching-Spiele. „Früher hieß es Schnitzeljagd, heute heißt es Geo-Chaching“, erklärt Damyanovic. Ein Mitspieler versteckt irgendwo in der Stadt eine Überraschung, die die anderen mit Hilfe von GPS-Daten suchen müssen. Zweitens ist GPS-Drawing ein Anreiz zur Bewegung: Man zeichnet auf dem Stadtplan ein Muster ein, das man dann mit dem Handy in der Hand abgeht oder mit dem Fahrrad abfährt. Die Bewegungsspur ergibt dann das digitale Bild – etwa ein Herz quer durch den ersten Bezirk oder ein Hund vom Augarten bis zum Prater –, das man stolz im Internet posten kann.

Ziel des Projekts ist ein Toolkit namens „Jugend Aktiv Mobilcheck“, eine Art Handbuch zur Umsetzung für Jugendorganisationen oder Gemeinden. „Darin sollen auch verkehrsplanerische Möglichkeiten enthalten sein. Denn wir sehen an den Bewegungsprofilen, dass – neben der persönlichen Motivation der Jugendlichen – starker motorisierter Verkehr und unattraktive Gehwege die größten Hürden sind, die Jugendliche vom Zu-Fuß-Gehen und besonders vom Radfahren abhalten.“ (Von Veronika Schmidt, Die Presse)