Kategorie Innovation & Technologie - 10. Juni 2016

Open Innovation – Experten fordern Verbindlichkeit beim Ideensammeln


APA/APA (Jäger)

Will man die Öffentlichkeit in einen wirtschaftlichen, politischen oder wissenschaftlichen Innovationsprozess hineinholen, müsse man genau darüber nachdenken, was während und vor allem nach dem Ideensammeln passieren soll. Das erklärten Experten bei einer von der FH St. Pölten veranstalteten Diskussion mit dem Titel „Partizipation: Was kann gesellschaftliche Teilhabe?“ in Wien.

Transparente und verbindliche Rückmeldung an die Ideengeber und „ehrliche Wertschätzung“ seien das Um und Auf, sagte Michael Heiss, Open Innovation(OI)-Experte bei Siemens: „Die Leute dürfen nicht das Gefühl haben, ausgenutzt zu werden.“ Wenn man den Schritt in die interessierte Öffentlichkeit – die „Crowd“ – macht, dürfe man nicht mittels Blanko-Mails oder ähnlichem kommunizieren. „Da sind die Leute sehr sensibel.“ Echte Kommunikation sei gefragt und keine „politisch abgerundete“ Sprache, so der Experte. Das sei zwar sehr aufwendig, aber unbedingt nötig.

Weltweit erste OI-Strategie im August

Diese Erfahrung habe man auch bei der Umsetzung des österreichweit größten einschlägigen Prozesses gemacht – der Erarbeitung der Open Innovation-Strategie der Bundesregierung. „Feedback ist extrem wichtig“, sagte Natalie Plewa, im Infrastrukturministerium (bmvit) für die Koordination der weltweit ersten nationalen OI-Strategie zuständig. Es sei wichtig, den Beteiligten zu zeigen, wo ihre Vorschläge aufgenommen werden, und dass die Strategie nicht nur von Expertengruppen erarbeitet wird. Im Laufe des Prozesses sei man daher dazu übergegangen, Vorschläge aus der Community extra auszuweisen. So geschehen etwa beim Wunsch, über Österreich verteilt Innovationsräume zu eröffnen, wo sich Akteure treffen können.

Der nächste wichtige Punkt sei dann, einem solchen Prozess auch Taten folgen zu lassen, so Plewa. Daher beinhalte die Strategie, die im August präsentiert werden soll, auch eine „Selbstverpflichtungserklärung“ für die Politik – respektive die zuständigen Ministerien – die Pläne auch umzusetzen. Wenn dann etwa seitens der öffentlichen Hand die erwähnten Innovationsräume geschaffen werden, sei wieder die Community gefragt, diese auch zu beleben, erklärte die OI-Koordinatorin.

Öffnung erhöht auch Erwartungshaltung Beteiligter

Im Wissenschafts-Bereich hat beispielsweise die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) unter dem Titel „Reden sie mit“ bereits ein groß angelegtes „Open Science“-Projekt durchgeführt. Dabei waren Experten, Betroffene und Laien aufgerufen, neue Ideen zur Forschung über psychische Erkrankungen zu entwickeln. So kamen „profunde Forschungsfragen“ aufs Tapet – „die Crowd hat etwas bewegt“, erklärte Patrick Lehner, Projektleiter für Open Innovation in Science bei der LBG. Das gehe aber logischerweise mit einer gesteigerten Erwartungshaltung einher. Der Druck mit der konkreten Forschungsarbeit zu beginnen sei entsprechend hoch, die Leute erwarten auch Lösungen. Es sei daher wichtig, das Signal zu senden „Wir arbeiten dran“ – auch wenn das in der Forschung selbstverständlich etwas länger dauern könne.

Die Ergebnisse dieses Prozesses seien jedenfalls öffentlich einsehbar, „wenn andere Forschungsgruppen etwas aufgreifen, dann ist das perfekt“, sagte Lehner. Hier zeige sich, dass der Trend in Richtung Öffnung gerade im Forschungsbereich auf fruchtbaren Boden fallen müsste, weil „Wissenschaft eigentlich schon immer ein gemeinschaftliches Projekt war“, erklärte Johannes Pflegerl von der Fachhochschule (FH) St. Pölten. In der Regel würden sich Forscher eben „freuen, wenn Leute aufspringen“. Damit Teilhabe aber tatsächlich funktioniert, sollte die Wissenschaft vor allem eines: „Sich verständlich ausdrücken“, so der Leiter des Ilse Arlt Instituts für Soziale Inklusionsforschung.

Auch die Crowd kann irren

Trotz all der Chancen, die eine Öffnung vor allem für flexible, kleinere Hochschulen mit sich bringt, warnte Hannes Raffaseder, Prokurist und Leiter Wissenstransfer an der FH St. Pölten, gewissermaßen vor einem blinden Glauben an die unfehlbare Weisheit der Masse. Denn auch sehr viele Rückmeldungen könnten insgesamt inhaltlich schwach ausfallen. Eine reine Orientierung an der Crowd sei also kein Garant für höhere Qualität in Forschung und Lehre – „Das Fernsehprogramm wird ja auch eher nicht automatisch besser, nur weil sich Sender an der Quote orientieren“, sagte Raffaseder.