Kategorie Innovation & Technologie - 9. Juni 2016

Pflanzen im Regal, Videospiel an der Ampel: Ideen für die Stadt der Zukunft

Rot leuchtende Fußgängerampeln können zu Fallen werden: zum Beispiel für Menschen, die es eilig haben und denken, dass es schon möglich sein wird, schnell über die Straße zu laufen. 291 Unfälle österreichweit an geregelten Schutzwegen allein 2014 zeigen, dass das ein Irrglaube war.

Wie bringt man also Fußgänger zum Warten? Die Antwort: „spielerisch“. Es gibt dazu bereits zahlreiche Ideen: Tanzende Ampelmännchen in Lissabon oder das dem Tischtennis nachempfundene Spiel Streetpong, das zwei deutsche Studenten in Fußgängerampelsystemen mittels kleiner Touchscreens an jeder Straßenseite installiert haben. Wer es während der Rotphase schafft, mehr Punkte als das spielende Gegenüber zu machen, gewinnt.

Tischtennis an der Ampel

Streetpong ist nur ein Objekt der Ausstellung „Die Zukunft der Stadt“, die ab 9. Juni im Technischen Museum läuft, mit der auch ein dreiteiliger Ausstellungszyklus unter dem Titel „Weiter gedacht“ startet. Auf einem vom Architekturbüro „propeller z“ gestalteten mehrstöckigen Einbau inmitten des Museums soll gezeigt werden, mit welchen Ideen man das Stadtleben gestalten könnte. Dass das Thema wichtig ist, darüber herrscht Einigkeit unter Experten: Städte machen nur zwei Prozent der Erdoberfläche aus, hier lebt aber bereits heute rund die Hälfte der Weltbevölkerung.

Die Schau zeigt nicht nur interaktive Spiele oder Technik wie die Seilbahn von La Paz in Bolivien, die die Slums der Stadt erschließt. Gleich am Eingang befindet sich auch eine „Karte der Mehrsprachigkeit“, Ergebnis eines Projekts der Architektin Antje Lehn und der Künstlerin Johanna Rainer mit dem Gymnasium Henriettenplatz in Wien.

Die Jugendlichen erkundeten die Umgebung der Schule und suchten nach Zeichen von Mehrsprachigkeit. Sie machten Fotos und kreierten schließlich eine Stadtkarte vom Grätzel. Lehn erklärt den speziellen Zugang zu diesem Projekt: „Die Welt beschreiben und aufzeichnen, heißt die Welt erkennen und sie dann auch emanzipatorisch mitgestalten können.“

„Regalsystem“ mit Pflanzen

Die Stadt der Zukunft wird wohl auch von einer Kreislaufwirtschaft geprägt sein, weshalb sich ein weiteres Ausstellungsobjekt namens Firewall mit Vertical Farming beschäftigt. Auf den ersten Blick denkt der Besucher an ein simples Regalsystem, in dem Kräuter und Salate gezogen werden.

Tatsächlich handelt es sich um ein sogenanntes Nutrient Film Technique System: Das Wasser läuft in Rinnen mit Gefälle, in denen die Pflanzen stehen. Über Steinwolle-Würfel, in denen sie eingepflanzt sind, holen sie sich, was sie nötig haben. Der Überschuss an Wasser fließt durch und wird dann wieder nach oben gepumpt. Daniel Podmirseg von der TU Graz hat in seiner Dissertation gezeigt, dass solche Systeme einen Beitrag zu mehr Energieeffizienz leisten könnten. Der Lebensmittelsektor verbraucht derzeit allein ein Drittel der gesamten Energie weltweit. Das würde sich mit derartigen Systemen ändern.

Hier wird „Die Zukunft der Stadt“ auch zum Forschungslabor, in dem Anbau- und Produktionsmethoden getestet werden, Tageslicht und Temperatur sowie ihre Auswirkung auf den Erfolg des Projekts werden analysiert. Dadurch unterscheidet sich diese Ausstellung, die in Kooperation mit dem Verkehrsministerium entstand, von ähnlichen Schauen. „Die Besucher nehmen an Experimenten teil“, sagt Katja Schechtner, Mobility-Expertin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Schau.

Modell der Seestadt

Sie verweist auf ein Projekt, das in Kooperation zwischen dem Austrian Institute of Technology (AIT), dem MIT in Cambridge bei Boston und der Universität für angewandte Kunst in Wien entstand. Ein in verschiedenen Farben beleuchtetes Modell der Seestadt Aspern am Rande von Wien kann von oben betrachtet werden. Die Besucher hören dabei aus Lautsprechern unterschiedliche Töne. „Getestet wird, wie sehr der Blickpunkt der Besucher auf das Objekt durch akustische Reize, die in jeder Stadtinfrastruktur bestehen, beeinflusst werden kann“, sagt Schechtner. Das Experiment läuft so lange wie die Ausstellung selbst: etwa zwei Jahre.

Am Ende sollen drei Bereiche in Dauerausstellungen übernommen werden. Im Herbst 2018 wird dann der nächste Teil des Zyklus, der sich mit Arbeit beschäftigt, beginnen. Am Ende der Reihe will man etwa neun neue Bereiche im Museum haben. „Damit das Museum nicht statisch bleibt, sondern sich weiterentwickelt.“ (Peter Illetschko, 8.6.2016)


Infos zur Ausstellung:
Zukunft der Stadt. Technisches Museum Wien
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Mariahilfer Straße 212, 1140 Wien, Mo-Fr 9-18, Sa, So 10-18, ab 9.6.