Kategorie Klima- & Umweltschutz - 9. Februar 2022

Plastikverschmutzung in den Meeren nimmt dramatisch zu

Forschende prognostizieren dramatisch steigende Plastikmüllkonzentration in den Ozeanen. Inzwischen sind bei 90 Prozent der untersuchten Meeresarten teils dramatische Folgen festgestellt worden.

Eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF warnt vor einer dramatischen Verschärfung der bereits viel zu hohen Mikroplastikbelastung. „Wir erleben eine ‚Plastifizierung‘ der Ozeane. Die fatalen Folgen für marine Ökosysteme und viele Tierarten sehen wir schon heute und lassen Schlimmes befürchten“, sagt Axel Hein, Meeresexperte des WWF Österreich. Im Vorfeld des UN-Umweltgipfels (UNEA) von 28. Februar bis 2. März in Nairobi forderte der WWF daher ein global verbindliches Abkommen gegen den Eintrag von Plastikmüll in die Ozeane.

Rasches Handeln

Die über 2.500 ausgewerteten Studien der bisher umfassendste Meta-Studie sagen eine Kettenreaktion voraus: „Die Kunststoffproduktion wird sich bis 2040 voraussichtlich mehr als verdoppeln. In der Folge vervierfacht sich größeres Makroplastik im Ozean in den nächsten 30 Jahren. Dieses zersetzt sich in immer kleinere Teile bis hin zu Mikro- und Nanoplastik. Bis zum Ende des Jahrhunderts droht die Menge des marinen Mikroplastiks um das 50-fache zuzunehmen“, meint Hain.

Umso wichtiger ist es, die Ursachen der Plastikverschmutzung bereits im Keim zu bekämpfen. Dies sei viel effektiver, als die Folgen im Nachhinein zu beseitigen: „Regierungen, Industrie und Gesellschaft müssen jetzt geschlossen handeln, um die Plastikkrise zu stoppen. Es braucht einen globalen Kraftakt auf der UN-Versammlung im Februar“, fordert Hein.

Breite Bedrohung

Hinsichtlich Arten und Ökosysteme verschlimmere sich die Situation laut Studie rasant: „Plastikmüll durchringt das gesamte Meeressystem – vom Plankton bis zum Pottwal. Für fast alle Artengruppen der Ozeane sind negative Auswirkungen nachweisbar“, sagt Hein.

»Selbst wenn wir die Plastikverschmutzung heute stoppen, würde sich die Menge an Mikroplastik in den nächsten drei Jahrzehnten mehr als verdoppeln.«

In Plastikmüll könnten sich Tiere wie Robben oder Meeresschildkröten verfangen und ersticken. Das gleiche Schicksal könne Vögel ereilen, die ihre Nester aus Plastikabfall bauten. Wenn der Müll den Meeresboden bedecke, fehle Korallen und Schwämmen Licht und Sauerstoff.

Schildkröten und Raubfische oder auch Delfine und Wale verwechselten Plastikteile mit Beutetieren. Nach dem Verzehr hätten sie ein falsches Sättigungsgefühl, litten unter Verstopfung und an inneren Verletzungen. Mit dem Plastikmüll nähmen die Tiere zudem Chemikalien auf, die ihre Fortpflanzung beeinträchtigen könnten.

Immer mehr betroffene Flächen

Besonders betroffen seien das Mittelmeer, das Gelbe Meer und das Ostchinesische Meer. Korallenriffe und Mangrovenwälder seien in Gefahr. Vor der indonesischen Insel Java sei an einigen Stellen die Hälfte des Meeresbodens mit Plastikmüll bedeckt. Auch in der Tiefsee, die 70 Prozent der Erdoberfläche ausmache, sammle sich immer mehr Kunststoffabfall. Der Müll werde häufig direkt ins Meer gekippt oder bei Hochwasser von Deponien weggespült.

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten der Studie zufolge Meeresgebiete von einer etwa 60-fachen Fläche Österreichs ökologisch riskante Schwellenwerte der Mikroplastikkonzentration überschreiten.

„Die Forschung wirkt wie eine Taschenlampe, mit der wir Lichtstrahlen ins Dunkel der Ozeane werfen. Erfasst und erforscht ist erst ein Bruchteil der Folgen. Die dokumentierten Schäden sind beunruhigend und müssen als Warnsignal für ein weit größeres Ausmaß verstanden werden. Besonders beim derzeitigen und prognostizierten Wachstum der Plastikproduktion“, erklärt auch Melanie Bergmann, Meeresbiologin des Alfred-Wegener-Instituts. Regionale und freiwillige Maßnahmen reichen demnach nicht mehr aus, um die Krise zu bewältigen.

Service: Die Studie „impacts of plastic pollution on biodiversity“

Öffentliche Konsultation zum »Aktionsplan Mikroplastik« startet