24. September 2020
Plastikmüll als unterschätzte Gefahr für Mensch & Tier
Der 3-Punkte-Plan gegen Plastikmüll soll auch entsprechenden Gesundheitsrisiken bei Mensch & Tier vorbeugen
Bilder und Nachrichten von Tieren, die mit kiloweise Plastik im Magen verendeten oder durch Verheddern im Verpackungsmüll lange Qualen erleiden, gehören fast schon zur Normalität. Spuren von achtlos weggeworfenem Plastikmüll belasten zusehends das Ökosystem und sammeln sich zunehmend in den Körpern von Tieren – und auch uns Menschen. Die damit verbundenen Gesundheitsrisiken sind aus ärztlicher Sicht bedenklich – umso wichtiger ist es, rasch und effektiv gegenzusteuern. Dies betonte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bei einer Pressekonferenz am heutigen Donnerstag gemeinsam mit dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter und dem Tierarzt Rudolf Winkelmayer.
Jährlich werden große Müllmengen in Österreich achtlos weggeworfen, laut Studie des Umweltbundesamts wurden 2018 in Österreich weit mehr als 4.500 Tonnen Abfall in der Natur entsorgt, allein rund 40 Tonnen Plastikmüll aus Österreich gelangen so über die Donau ins Schwarze Meer. Der größte Anteil entfällt mit 23 Prozent auf Kunststoffverpackungen, vor allem PET-Flaschen. Dieses gemeinhin als „Littering“ bezeichnete Phänomen ist nicht nur ein ökologisches Problem, es verursacht auch hohe finanzielle Schäden. Heimische Gemeinden kämpfen mit Mehrkosten in Millionenhöhe. Darüber hinaus lässt sich das Ausmaß der negativen Folgen für die Gesundheit von Menschen und Tieren schwer abschätzen.
Plastik kann auf vielerlei Arten die menschliche Gesundheit gefährden, zum Beispiel durch die enthaltenen, hormonell wirksamen Weichmacher oder neurotoxische Flammschutzmittel. Laut aktuellen Schätzungen nehmen Menschen pro Jahr 40.000 bis 50.000 Mikroplastikteilchen über Lebensmittel und die Atemluft auf. Aus ärztlicher Sicht ist dies eine beunruhigende Tatsache.
Die meisten dieser Teilchen werden zwar zum größten Teil wieder ausgeschieden, doch manche – insbesondere Teilchen mit einer Größe von wenigen Mikrometern, darunter solche im Nanobereich, also kleiner als ein Tausendstel Millimeter – können in Zellen oder Organe vordringen. „Was sie da drinnen tun, ist noch nicht klar. Es scheint aber plausibel, dass sie unserer Gesundheit schaden“, erklärte der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Er plädierte trotz der Forschungslücken, die Problematik noch deutlich ernster zu nehmen als bisher. „Man darf nicht länger dabei zusehen, wie Plastik in die Umwelt getragen wird. Die Probleme summieren sich“, so Hutter.
Zusätzlich verursacht fehlgeleitetes Plastik auch erhebliche Probleme in der Tierwelt. Bei etwa fünf Prozent der Sektionen von Rindern werde Silofolie als Todesursache festgestellt, erklärte der Tierarzt Rudolf Winkelmayer. Häufig sind die Plastikspuren auf kleingehäckselte PET-Flaschen zurückzuführen. Gar tödlich endet die Aufnahme von gehäckselten Getränkedosen regelmäßig für Weiderinder. „Diese spitzen Gegenstände stechen bis in den Herzbeutel der Tiere. Hier wirken auch keine verabreichten Pansenmagneten, die Eisenteile sammeln sollen“, sagte Winkelmayer.
Auch im Körper von toten Schafen, Ziegen, Rehwild und Rotwild wird relativ häufig Plastik gefunden. Immer wieder steht dies auch im Zusammenhang mit der Todesursache.
Immer mehr Mikroplastik im Umlauf
Der Begriff „Mikroplastik“ beschreibt Kunststoffteilchen, deren Durchmesser kleiner als fünf Millimeter ist. Solche Mikrokunststoffpartikel werden zum Beispiel für Peelings oder Düngemittel gezielt hergestellt und zugesetzt können aber auch durch den Verschleiß von größeren Kunststoffteilen entstehen. Mikroplastik reichert sich in allen Umweltmedien an – zum Beispiel im Bodensediment von Gewässern – und gelangt über die Nahrungskette wieder zum Menschen zurück. Zur schädigenden Wirkung von Mikroplastik im menschlichen Körper sind noch viele Fragen offen, das BMK arbeitet gemeinsam mit dem Umweltbundesamt und den Bundesländern aktiv an neuen Befunden sowie sinnvollen Möglichkeiten einer Regulierung.
Im Januar 2019 hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) eine weitreichende Beschränkung der absichtlichen Verwendung von Mikrokunststoffen in Produkten vorgeschlagen. Im Juni wurde der Entwurf von den Ausschüssen angenommen und muss nun von der EU-Kommission beschlossen werden. Der Vorschlag ist Teil des Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft – einem der Hauptblöcke des European Green Deal. Österreich befürwortet diese dringend notwendigen Maßnahmen.
Mit dem 3-Punkte-Plan gegensteuern
In Österreich fallen jedes Jahr rund 900.000 Tonnen Plastikmüll an. Laut Schätzungen des Umweltbundesamts könnte diese Zahl schon bis 2021 auf eine Million Tonnen steigen. Nur 25 Prozent werden recycelt, der Rest wird verbrannt. Die Mehrwegquote ist von 80 Prozent im Jahr 1995 auf aktuell nur noch 19 Prozent gefallen. Vor diesem Hintergrund, der weiterhin steigenden Masse an Plastikmüll und den daraus resultierenden Problemen für Mensch und Natur hat das BMK einen Gegenvorschlag entwickelt. Das Ziel: Deutlich weniger Plastikmüll in Österreich, dadurch weniger Müll in der Natur und auch deutlich weniger Steuergeld für eine Plastikabgabe an die EU. Die drei Punkte schlüsseln sich wie folgt auf:
- Der Anteil an Mehrweggetränkeverpackungen im österreichischen Einzelhandel soll über eine Mehrwegquote spürbar gesteigert werden.
- Künftig soll beim Kauf von Einweggetränkeverpackungen (Plastikflaschen und Dosen) ein Pfand eingehoben werden und so zu weniger Plastikmüll in der Natur und mehr Recycling führen.
- Dem Verursacherprinzip folgend wird von Produzenten und Importeuren künftig eine Herstellerabgabe in Höhe von durchschnittlich 80 Cent pro Kilogramm in Verkehr gebrachter Plastikverpackungen eingehoben.
Der 3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut, bei dem das Pfandsystem eine zentrale Rolle spielt wird auch von wissenschaftlichen Erkenntnissen und internationale Erfahrungswerten gestützt. Auch die Ergebnisse der Studie „Möglichkeiten zur Umsetzung der EU-Vorgaben betreffend Getränkegebinde, Pfandsysteme und Mehrweg“ untermauern diesen Weg des BMK. Zudem würde einer Mehrbelastung heimischer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit der von der EU geplante Plastiksteuer vorgebeugt. Diese würde laut aktuellen Berechnungen rund 180 Millionen Euro pro Jahr für Österreich ausmachen.