Kategorie Innovation & Technologie - 10. Juli 2020

Ein Dach aus Solarzellen für die Autobahn

Das hochrangige Straßennetz in Österreich umfasst etwa 2.200 Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen. Besonders Autobahnen beanspruchen aufgrund ihrer Breite besonders viel Fläche. Viel Fläche benötigt auch die Anwendung und Installation von Photovoltaikmodulen im großem Maßstab, wie sie als Teil der Erneuerbaren auf dem Weg zur Energiewende eingesetzt werden sollen.

Symbolbild: Durchaus visionär, aber auch machbar? Visualisierung einer mit Solarmodulen überdachten Autobahn des schweizer Büros © labor3

Könnte man hier nicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und die riesigen Flächen der Autobahnen mit einer Photovoltaik-(PV)-Überdachung zur Energieerzeugung adaptieren? Darum geht es in einem aktuellen Forschungsprojekt des Projektclusters „PV-Süd“, der vom AIT Austrian Institute of Technology geleitet wird.

Finanziert wird das Forschungsprojekt über eine DACH Kooperation zwischen dem Österreichischen Klimaschutzministerium (BMK), dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Deutschland) und dem Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) über das Bundesamt für Straßen (ASTRA) der Schweiz. Für die Abwicklung ist die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH FFG zuständig.

Würde durch ein derartiges Dach die Fahrbahndecke besonders geschont? Gehen mit einem solchen Bau Einsparungen für die Schneeräumung einher? Neben solchen Fragen geht es dem Konsortium mit seiner Idee einer Überdachung von Autobahnen vor allem darum, die Praxistauglichkeit für die Integration von Solarstromanlagen im Straßenraum sowie deren Wartung im Rahmen des Straßenerhaltungsmanagements zu testen.

Demonstrator soll Umsetzbarkeit prüfen

„Mit der PV-Überdachung sollen insbesondere folgende Ziele erreicht werden: 1. Energiegewinnung durch Photovoltaik mit Hilfe geeigneter PV-Modultechnik, 2. flexibler Einsatz im hochrangigen Straßennetz, 3. Erhöhung der Dauerhaftigkeit und Erhaltung der Oberflächeneigenschaften der Fahrbahn durch Schutz vor Überhitzung und Niederschlägen, sowie 4. zusätzlicher Lärmschutz“, so Projektleiter Manfred Haider vom AIT Center for Mobility Systems. Diese Anforderungen sollen in Bezug auf technische Machbarkeit und ökonomische Umsetzbarkeit geprüft werden und an einem Demonstrator verifiziert werden. „Aus den Analysen der Konzeptphase sowie den Messdaten des Demonstrators erhoffen wir uns wertvolle Erkenntnisse für den zukünftigen Einsatz solcher Photovoltaiksysteme im D-A-CH-Raum.“

 

Gemeinsam mit den Projektpartnern Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE und Forster Industrietechnik GmbH wird im ersten Teil des Projekts ein Entwurf für einen Prototypen einer derartigen PV-Straßenüberdachung ausgearbeitet. Dabei werden ein entsprechend angepasstes Photovoltaik-Konzept für die Anwendung geeigneter Module und eine dazu passende Tragkonstruktion entwickelt. Diese soll alle Sicherheitsanforderungen erfüllen und möglichst viele der gewünschten positiven Nebeneffekte realisieren.

Dieser Prototyp soll dann im zweiten Teil des Projekts als Demonstrator erstellt, mit Messtechnik ausgerüstet und ein Jahr lang im Betrieb wissenschaftlich begleitet werden. Damit können dann in Folge auch die Überdachungen in Bezug auf Entwässerung, Wind- und Schneelasten und Verkehrssicherheit untersucht werden.

Bisher war der Einsatz von Photovoltaik im Straßenraum oft auf die Energieversorgung naher Verbraucher fokussiert – beispielsweise bei der Energieversorgung von Rastplätzen und Tunnelbeleuchtungen. Allerdings hat eine Solaranlage in Form einer Überdachung von befahrenen Verkehrsflächen neben der eigentlichen solaren Energiegewinnung und der Mehrfachnutzung der Fläche auch potentiell weitere positive Implikationen: Dazu gehören vor allem der Schutz der Straßenoberfläche vor Niederschlägen und Überhitzung, die dadurch erhöhte Lebensdauer der Fahrbahndecke und der durch geeignete Konstruktionen erreichbare zusätzliche Lärmschutz.

Das AIT ist für die Gesamtkoordination des Projekts verantwortlich und bündelt für dieses Pilotprojekt die Kompetenzen aus unterschiedlichsten Forschungsbereichen. Mit der Competence Unit Photovoltaic Systems des AIT Center for Energy und dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme sind zwei in Österreich und Deutschland führende Forschungsinstitute auf dem Gebiet der Photovoltaik an „PV-SÜD“ beteiligt. Damit ist sichergestellt, dass sowohl der aktuelle Stand der Technik und Forschung im Bereich Photovoltaik wie auch die Erfahrung beider Institute mit der Realisierung innovativer Konzepte in das Projekt einfließen werden.

INFObox: Das AIT Austrian Institute of Technology ist Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Es ist unter den europäischen Forschungseinrichtungen der Spezialist für die zentralen Infrastrukturthemen der Zukunft. Das BMK hält als größter Eigner 50,5 Prozent des AIT, die andere knappe Hälfte halten ein Konsortium aus Firmen der Industrie, Energieversorger, Banken und Versicherungen sowie Interessenvertretungen.