Kategorie Klima- & Umweltschutz - 11. Februar 2021

Bringt der Radfahr-Boom Arbeitswege auf Klimakurs?

Radfahren hat im vergangenen Jahr einen kräftigen Aufschwung erlebt. Als gesunde, flexible und kostengünstige Alternative zur Fortbewegung haben sich viele Menschen während der Coronakrise auf ihre zwei Räder verlassen. Entsprechende Fachgeschäfte gehören wohl zu den wenigen Gewinnern der andauernden Krise.

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Bereits prä-Corona hatten Fachleute mit einem anhaltenden Aufwärtstrend des Radfahrens gerechnet, seit Beginn der Pandemie hat sich die Mobilität der Menschen aber nachhaltig verändert und den Radverkehr massiv ansteigen lassen. Dass dieser Trend weiterhin Bestand haben wird, zeigt auch eine repräsentativen Umfrage des Instituts TQS im Auftrag des Verkehrsclubs (VCÖ), wonach 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung damit rechnet, dass auch längerfristig – über 2020 und auch 2021 hinaus – mehr Rad gefahren wird.

Wie sich dieser Rückenwind für den Radverkehr in Zahlen ausdrückt, zeigt das Beispiel Wien: Exakt 9.220.426 Radler wurden im Vorjahr an allen städtischen Zählstellen registriert, was einer Steigerung von zwölf Prozent gegenüber 2019 (8.234.112) entspricht, wie die Stadt Wien Ende Januar in einer Aussendung bekannt gab.

Verzehnfachte Förderungen

Die stärksten Zuwächse an nicht-motorisierten Bikern gab es im vergangenen Mai und September, wo das Plus bei 45 bzw. 23 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten lag. Aber auch in der kalten Jahreszeit war der positive Trend bemerkbar. So lag der Anstieg im November bei 19 und im Dezember noch immer bei 13 Prozent.

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Damit Städte und Gemeinden diesen Trend aufrecht erhalten und adäquat auf den Rad-Boom reagieren können, unterstützt auch das Klimaschutzministerium (BMK) den Ausbau des Radverkehrs und sauberer Mobilität mit deutlich erhöhten Förderungen. Das im vergangenem Sommer präsentierte Budget dafür wurde im Vergleich zum Vorjahr fast verzehnfacht.

63 Projekte aus dem Jahr 2020 mit bereits bewilligten 17,3 Millionen Euro Förderung lösten 69 Millionen Euro an Investitionen aus. Insgesamt können durch die bereits bewilligten Förderungen rund 8.700 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart und vermieden werden – das entspricht den Emissionen durch Raumwärme von etwa 4.300 Haushalten. An Energie können 32 GWh pro Jahr eingespart werden, was ungefähr der jährlichen Stromproduktion des Murkraftwerks Bodendorf in der Steiermark entspricht.

Rund die Hälfte der bisher geförderten Projekte sind Radinfrastrukturprojekte, wodurch 90 Kilometer ausgebaut wurden. Rund 300 weitere im Vorjahr eingereichte Projekte mit beantragten Förderungen von insgesamt rund 15 Millionen Euro stehen kurz vor der formalen Bewilligung, weitere 26 Radprojekte werden gerade geprüft.

Die Förderschwerpunkte im Bereich Radverkehr und klimafreundliches Mobilitätsmanagement in der Höhe von 40 Millionen Euro werden auch 2021 fortgeführt. Verlängert wird auch der Förderschwerpunkt der Radschnellverbindungen (Rad-Highways). Für 2021 wurde zudem die klimaaktiv mobil Förderrichtlinie für Maßnahmen zur aktiven Mobilität verbessert und im Einvernehmen mit dem Finanzministerium bis 2031 verlängert.

„Klimaschutz ist der absolute Job- und Wirtschaftsmotor. Jede Investition, die in den Ausbau des Radverkehrs und in die klimafreundliche Mobilitätszukunft investiert wird, ist ein wichtiger Impuls für unsere lokale Wirtschaft. Die ausgelösten Investitionen machen das deutlich. Mit der Fahrradoffensive stärken wir unsere Regionen, Städte und Gemeinden, denn der Radwegausbau findet vor allem dort durch heimische Betriebe statt“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Motivation zum Umstieg aufs Rad

Auch auf dem Weg zu Österreichs Klimaneutralität bis 2040 wird die Mobilitätswende eine Rolle spielen. Ein Ziel der Bundesregierung ist es dabei, den Fahrradanteil von sieben auf 13 Prozent dauerhaft zu verdoppeln. Wie eine solche Steigerung des Radanteils auch im Unternehmensbereich gelingen kann, untersucht im Rahmen der Sustainability Challenge das BMK derzeit mit Studierenden. Das Projekt fokussiert dabei auf Klein- und Kleinstunternehmen, da sie mit mehr als zwei Drittel aller KMUs das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden. Im derzeit geltenden Mobilitätsmanagement würden ausgerechnet diese nicht berücksichtigt. Auch diese Lücke zu schließen, ist ein Ziel des Projekts.

Der tägliche Arbeitsweg macht einen hohen Anteil des täglichen Verkehrsaufkommens in Wien aus. Die durchschnittliche Weglänge beträgt dabei circa 10 km – nach wie vor erhebliches Potential für den Umstieg auf das Fahrrad. Eine aktivere Mobilität von Mitarbeitenden wäre nicht nur ein klimafreundlicher Schritt, sondern durchaus auch im Interesse der Arbeitgeber. Körperliche Fitness bedeuteten auf lange Sicht auch mehr Wohlbefinden, eine positivere Lebenseinstellung und letztlich eine höhere Leistungsfähigkeit sowie weniger Krankenstandstage.

Für Klein- und Kleinstunternehmen sind vor allem effektive, schnelle, niederschwellige und günstige Möglichkeiten, den Betrieb nachhaltiger zu gestalten wichtig und notwendig. Bei der Frage, wie Klein- und Kleinstunternehmen dabei unterstützt werden können, ihre Mitarbeitenden zu motivieren, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, kommt ein Mixed-Methods Ansatz zum Tragen. In einem ersten Schritt werden mögliche Maßnahmen zur Motivation der Mitarbeitenden erforscht. Dafür soll ein quantitativer Fragebogen online an Klein- und Kleinstunternehmen in Wien geschickt werden.

Darauf aufbauend sollen anschließend vertiefende Interviews mit zehn bis zwölf Unternehmen geführt werden und anschließend Maßnahmen und deren Attraktivität überprüft werden. Als Grundlage dient vor allem auch die VCÖ-Studie Arbeitsweg auf Klimakurs bringen. Am Ende wird es einen grafisch und textlich aufbereiteten Maßnahmenkatalog geben, damit Unternehmen in ganz Österreich einfach umsetzbare und effektive Lösungen zur Anhebung des Radverkehrs finden können. Zudem soll ein Pilotprojekt als Beispiel und zur Überprüfung der Funktionalität des Maßnahmenkatalogs gestartet werden.

Die steigenden Zahlen an Radfahrenden sind ein deutliches Zeichen und eine gute Grundlage, dass sich auch die Anfahrt zur Arbeit nachhaltig verändern könnte. Ein Wermuthstropfen bleibt vorerst leider: In seinem Monitoring rund ums Radfahren präsentiert der VCÖ nicht nur aktuelle Zahlen, sondern erhebt auch die Befindlichkeiten der (Neu)Radelnden: Demnach ist jede vierte Person mit den Bedingungen zum Radfahren am Wohnort unzufrieden. So bleibt es eine der wichtigsten Herausforderungen von Städten und Gemeinden, die Mobilität ihrer Bevölkerung nachhaltig, leistbar und effizient zu gestalten.