Kategorie Innovation & Technologie - 4. Januar 2024

Raumfahrt 2024: Ariane-6-Premiere & neue Mond-Missionen

Hera als Folgemission von Dart zur planetaren Asteroidenabwehr – Vielfältige Austro-Beteiligungen an All-Missionen

Termine für Raketenstarts ins All sind keinesfalls sicher, aber den Plänen folgend ist der Raumfahrtskalender 2024 wieder prall gefüllt: Mit Spannung erwartet wird der Erstflug von Ariane-6 der Europäischen Weltraumraumorganisation ESA, aber auch NASAs Artemis-2-Mission. Seit den 1970ern soll nun erstmals wieder eine bemannte Mondmission starten – zunächst zur Umrundung des Erdtrabanten.

Die Mondmissionen sind auch für das Fachblatt Nature ein Höhepunkt des kommenden Jahres. Drei Männer und eine Frau sollen im November im Rahmen der NASA-Mondmission zu einer zehntägigen Umrundung des Erdtrabanten antreten. Dies dient der Vorbereitung künftiger Landemissionen, für 2025 ist die US-Mondmission Artemis-3 mit Mondlandung geplant. Als Vorbereitung einer künftigen Mondstation plant die NASA mit Lunar Trailblazer und Prime-1 auch kleinere Missionen im neuen Jahr.

© NASA

Chinas unbemannte Chang’e-6-Mondlandesonde soll im Mai starten, im Aitken-Becken auf der Rückseite des Mondes Bodenproben entnehmen und diese zur Erde bringen. Der Landeplatz liegt in der Südpolregion, die als interessante Gegend für eine künftige Mondstation gilt, schon alleine wegen der Verfügbarkeit von Wasser sowie an manchen Stellen dauerhaftem Sonnenlicht zur Energieversorgung. Falls erfolgreich, sei die Mission „die erste, die Proben von der entfernten Seite des Mondes sammelt“, schreibt „Nature“.

Die NASA will im Oktober zudem ihre Mission Europa Clipper starten, um den Jupitermond Europa zu erforschen. Die Raumsonde soll den Eismond u.a. mit seinem unter der geschätzt drei bis 40 Kilometer starken Eisschicht gelegenen Ozean sowie den Kern des Mondes untersuchen, um letztlich auch nach Hinweisen auf Leben im Ozean zu suchen. Schätzungen zufolge könnte der Ozean 100 Kilometer tief sein und der Radius des Gesteinskerns 1.400 Kilometer betragen, wie Anneliese Haika von der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA) bei einem Online-Vortrag zu den Raumfahrt-Highlights 2024 kürzliche erläuterte. Die Sonde wird den Jupitermond laut Plänen im Jahr 2030 erreichen.

Auch die Monde unseres Nachbarplaneten Mars sind von Interesse: Japan plant mit Martian Moons Explorations (MMX) im September eine Mission, um u.a. die Entstehung von Phobos und Deimos zu untersuchen. Die Ankunft wurde mit August 2025 berechnet. Mars selbst ist Ziel der Mission Escapade des University of California Berkeley Space Science Lab und der NASA, mit Start im Oktober. Die Sonde soll die Mars-Atmosphäre erforschen.

Aus europäischer Sicht besonders relevant: Zwischen Mitte Juni und Ende Juli und damit vier Jahre später als ursprünglich vorgesehen (und einige Monate später als zuletzt angekündigt) soll die europäische Trägerrakete Ariane-6 erstmals vom europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana abheben. Das Nachfolgemodell der seit 1996 eingesetzten Ariane-5 soll künftig Satelliten für kommerzielle und öffentliche Auftraggeber ins All befördern. Komponenten für Ariane-6 liefern auch österreichische Entwickler, so etwa die in Wien ansässigen Unternehmen Beyond Gravity und TTTech.

Den Ariane-6-Start wie auch die Wiederaufnahme des Betriebs der Rakete Vega-C – nach dem erfolgreichen Erstflug Mitte 2022 und einem schief gegangenen ersten kommerziellen Start Ende 2022 – sind für die ESA laut Mitteilung zentrale Höhepunkte des kommenden Jahres, um den „autonomen europäischen Zugang zum Weltraum“ wiederzuerlangen. Der erneute Start der Vega-C, eine Weiterentwicklung der seit 2012 betriebenen Vega-Rakete, soll dabei im Herbst 2024 erfolgen.

Der im Oktober 2023 erfolgreich ins All beförderte Austro-Minisatellit PRETTY (Beyond Gravity Austria, Technische Universität Graz und Seibersdorf Labor GmbH) hätte gemeinsam mit weiteren Nutzlasten eigentlich mit der Vega-C fliegen sollen, wurde letztlich aber mit der Vega-Rakete ins All transportiert. Nach Abschluss der Aufwärmphase wird er 2024 Daten zur Bodenstation in Graz liefern.

Das spektakuläre Vorhaben der Dart-Mission der NASA vor mehr als zwei Jahren mag noch manch einem in guter Erinnerung sein: Damals krachte eine Sonde der US-Raumfahrtbehörde absichtlich in den Asteroiden Dimorphos, um dadurch seine Flugbahn zu verändern. Hera, eine nun nachfolgende Planetenverteidigungsmission mit geplantem Start im Oktober 2024, hat wieder Dimorphos, als Teil des Doppel-Asteroidensystems mit Compagnon Didymos, zum Ziel. Mit Hera will man den damaligen Einschlagskrater untersuchen und letztlich dazu beitragen, planetare Asteroidenabwehrsysteme besser entwickeln zu können. SpaceX soll Hera vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Staat Florida ins All befördern, Komponenten der Bordelektronik kommen wiederum von Beyond Gravity.

Die Asteroidenmission Hera der ESA wird im Inneren der Large European Acoustic Facility, LEAF, im Oktober 2023 für akkustische Test vorbereitet. © ESA-SJM Photography

Zur Beobachtung der Sonne brach 2018 NASAs Parker Solar Probe auf, sie fliegt seither um die Sonne in immer enger werdenden Umlaufbahnen. Am 24. Dezember 2024 wird der erste von drei sehr engen Vorbeiflügen an der Sonne absolviert, in einem Abstand von 6,16 Millionen Kilometer zur Sonnenoberfläche. Der zweite und dritte derart nahe Vorbeiflug sind für 2025 geplant. Die ESA-Satelliten-Mission BepiColombo hingegen nimmt den Planeten Merkur in den Blick: Die Sonde fliegt am 5. September und 2. Dezember das vierte und fünfte Mal am Merkur vorbei, bevor das Raumfahrzeug dann in die finale Umlaufbahn um den sonnennächsten Planeten im Dezember 2025 einschwenkt. Das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist an den Magnetometern auf beiden Raumsonden beteiligt.

Der Blick aus dem All auf die Erde wird auch für die Klimaforschung immer bedeutender: Ende Jänner soll die NASA-Satelliten-Mission PACE mit dem Ziel, die Gesundheit der Weltmeere zu beobachten, abheben. Mit an Bord ist ein Navigationsempfänger von Beyond Gravity, um die genaue Position des Klimasatelliten im Weltall bestimmen zu können. Der Wolkensatellit Earthcare (ESA und JAXA), ebenfalls mit Technologie aus Österreich, soll im Mai starten.

Für 2024 ist auch der Start des chinesischen Satelliten CSES-2 geplant. Die China Seismo-Electromagnetic Satellites (CSES) sollen der Untersuchung von natürlichen elektromagnetischen Phänomenen im erdnahen Weltraum, die einen Zusammenhang mit Erdbeben- und Vulkanaktivitäten auf der Erdoberfläche haben, dienen. Wie CSES-1 soll auch CSES-2 wieder mit einem Quanteninterferenz-Magnetometer vom Grazer IWF fliegen.

Vom All zurück zur Erde heißt es schließlich kommendes Jahr für die vier im Jahr 2000 gestartete ESA-Satelliten Rumba, Salsa, Samba und Tango. Die Mission Cluster zur Erforschung der Wechselwirkung zwischen dem Sonnenwind und der Magnetosphäre der Erde lief 20 Jahre länger als geplant, an der Datenauswertung waren auch IWF-Forschende beteiligt. Ab September werden die Satelliten nacheinander deaktiviert und kontrolliert zum Absturz gebracht.

Die Grazer Weltraumforschung wird darüber hinaus im Rahmen ihrer Beteiligungen bei Missionen den Exoplaneten WASP-69b ins Visier nehmen. Aufbauend auf die Beobachtungen des Weltraumteleskops James Webb rechnen die Forschenden im kommenden Jahr mit neuen Erkenntnissen zu dem extrasolaren Gasriesen.

Mit Spannung erwartet wird zudem der bereits um ein Jahr verschobene, vor dem Ende 2024 geplante Start des chinesischen Weltraumteleskops Xintian für nahes Infrarot, sichtbares Licht und UV-Strahlung. Das Besondere: Das Teleskop wird den gleichen Orbit wie die chinesische Weltraumstation haben, was laut Anneliese Haika von der WAA potenzielle Wartungsarbeiten stark erleichtern sollte, weil keine Extra-Reparaturmissionen notwendig sind.

Und zurück zur Erde: Das Fachblatt Nature zählt zudem die Fertigstellung des Simons Observatory in der Atacama Wüste Mitte des Jahres sowie die Teil-Inbetriebnahme des Vera C. Rubin Observatory in Chile gegen Ende des Jahres zu wegweisenden Entwicklungen. Letzteres Teleskop wird dank eines großen Bildwinkels den gesamten Südhimmel in nur drei Nächten scannen können.

Im kommenden Jahr könnten zudem die ersten zivilen Raketen von dem privaten britischen Weltraumbahnhof Saxavord Spaceport im Norden der Shetlandinseln, genauer von der Insel Unst, abheben. Jährlich dürfen bis zu 30 Starts stattfinden. Unst ist einer von mehreren geplanten sogenannten Spaceports im Vereinigten Königreich.

Eine vierwöchige Mars-Missions-Simulation (Amadee-24) in Armenien in Kooperation mit der Armenischen Agentur für Luft- und Raumfahrt wird im März das Österreichische Weltraumforum (ÖWF) abhalten. Und sein zehnjähriges Bestehen feiert das Earth Observation Data Centre (EODC) mit Sitz in Wien, eine wissenschaftlicher Infrastruktur zur Bereitstellung und zum Austausch von Satellitendaten.

apa/red

SERVICE: Anneliese Haika von der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA) zu den Raumfahrt-Höhepunkten 2024 unter https://www.youtube.com/watch?v=_Q6yUswofko; „Nature“-Ausblick: https://doi.org/10.1038/d41586-023-04044-9)

Wie Weltraumforschung den Klimawandel sichtbar macht