Kategorie Mobilität - 29. August 2018
Rechtsabbiegen bei Rot: Pilotprojekt kommt für drei Linzer Kreuzungen
In vielen Ländern bereits gang und gäbe, kommt der sogenannte Grüne Pfeil nun erstmals auch in Österreich zu Testzwecken zum Einsatz: Ab 2019 soll es Autofahrern und Radfahrern vorerst an drei ausgewählten Kreuzungen in Linz möglich sein, trotz roter Ampel rechts abzubiegen.
Ein Grüner Pfeil erlaubt Fahrzeugen das Abbiegen nach rechts trotz roten Lichtzeichens an einer Ampel, wenn sie zuvor an der Haltlinie angehalten haben und wenn eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmender, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist. Die juristischen Weichen werden mittels Novellierung der Straßenverkehrsordnung StVO im Herbst 2018 gestellt.
Verkehrszeichen mit Geschichte
Bereits 1978 wurde in der damaligen DDR der Grüne Pfeil eingeführt. Man versprach sich davon, die Wartezeit für Rechtsabbieger bei bestimmten Verkehrssituationen verkürzen und den Verkehrsfluss optimieren zu könnene.
Der Grüne Pfeil sollte die DDR überleben, als er nach der Wende Plänen seiner Abschaffung trotzte und nach massiven Protesten der Bevölkerung zunächst nicht nur durch eine Sonderregelung in der Laufzeit verlängert, sondern wenig später sogar Bestandteil der bundesdeutschen Straßenverkehrsordnung wurde. Ein populäres Verkehrszeichen mit Geschichte, dass zusammen mit den berühmten Ampelmännchen auch nach dem Mauerfall Symbol ostdeutscher Identität und Innovation blieb.
Pilotversuche
„USA, Kanada, Australien, Frankreich, Thailand, Tschechien, Polen und Teile Deutschlands – all diese Länder haben dieses Modell seit Jahrzehnten in Anwendung und dadurch einen flüssigeren Verkehr an ihren Kreuzungen. Ich denke, dass das auch in Österreich funktionieren kann“, gab sich Verkehrsminister Norbert Hofer anlässlich der Präsentation des Projekts im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem Linzer Verkehrsstadtrat Markus Hein und Harald Frey von der TU Wien letzte Woche zuversichtlich.
Rund 2.230 Ampeln gibt es in den neun Landeshauptstädten. Sollte das Pilotprojekt erfolgreich verlaufen, werden „viele Ampeln geeignet dafür sein“, meinte Hofer. „Wie groß das Potenzial ist, kann nicht genau bestimmt werden“, sagte Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU. Hofer ergänzte, dass sich Bürgermeister melden können, wenn sie mit weiteren Kreuzungen Teil des Pilotversuchs sein wollen. Es könnten „eine Handvoll Kreuzungen“ daran teilnehmen.
Projektpartner TU Wien
Das Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität Wien wurde mit der wissenschaftlichen Begleitung des Pilotversuchs Rechtsabbiegen bei Rot beauftragt. Basierend auf Erfahrungen aus Deutschland, wo Rechtsabbiegen bei Rot bereits seit längerem in Verwendung ist und entsprechende Erfahrungen und Studien zu Einsatzkriterien und Auswirkungen vorliegen, wurde für die Anwendung in Österreich ein Kriterienkatalog erarbeitet. Dieser dient zur Auswahl der Pilotkreuzungen und ist gegliedert in Ausschlusskriterien und Abwägungskriterien.
„Im Rahmen von Pilotversuchen wird Rechtsabbiegen bei Rot in einer ersten Phase bei drei Kreuzungen in der Stadt Linz untersucht. An jedem Standort erfolgen eine Vorher- und eine Nachher-Erhebung an unterschiedlichen Wochentagen und Tageszeiten. Ergänzend zur Videoerhebung wird eine Reisezeitmessung durchgeführt, um mögliche Auswirkungen im Straßennetz zu berücksichtigen. Dazu werden Nutzungshäufigkeit, Anhalte-Bereitschaft, Ausweichverhalten sowie potenzielle Konfliktsituationen zwischen den Verkehrsteilnehmenden analysiert und ausgewertet. Besonderes Augenmerk liegt auf den Aspekten der Verkehrssicherheit“, erklärt Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien.
Strenger Katalog
Für die nun ausgewählten Kreuzungen im Linzer Stadtgebiet wurde von der Technischen Universität Wien ein Kriterienkatalog entwickelt. Dieser baut auf Vorschriften und Erkenntnisse aus Deutschland auf, ist aber strenger, betonte der Minister. Im Katalog finden sich gleich elf Ausschlusskriterien. So muss etwa von der Haltelinie aus eine gute Sicht gegeben sein und die Ampeln dürfen über keine Richtungspfeile verfügen.
Außerdem darf es weder beidseitig kreuzende Radwege, abgesetzte Radfahrüberfahrten oder Gleise von Schienenfahrzeugen geben. Auf den infrage kommenden Straßen darf maximal 50 km/h gefahren werden und Schulen dürfen nicht in der Nähe sein. Die Kreuzungen müssen außerdem mit akustischen oder anderen Zusatzeinrichtungen für Blinde und Sehbehinderte ausgestattet sein. Beim Rechtsabbiegen bei Rot handle es sich jedenfalls um eine Kann-Bestimmung, es muss nicht abgebogen werden, sagte Frey.
Der Projektfahrplan
- Die StVO-Novelle wird am 22.08.2018 in Begutachtung geschickt.
- Ende September 2018 wird die StVO-Novelle in den Ministerrat eingebracht und im Anschluss an das Parlament übermittelt.
- Mit einer Beschlussfassung im Nationalrat ist im Oktober 2018 zu rechnen.
- Beginn für Pilotprojekt „Rechts abbiegen bei Rot“ mit 1. Jänner 2019
- Laufzeit des Pilotversuchs: ein Jahr
Ausschlusskriterien
- Wenn von der Haltelinie der Rechtsabbieger keine ausreichende Einsehbarkeit der freigegebenen Verkehrsrichtungen gegeben is
- Wenn einem Linksabbieger im Gegenverkehr durch ein 3-Kammer-Signal bzw. durch einen grünen Pfeil ein konfliktfreies Abbiegen nach links signalisiert wird
- Wenn Pfeile in den für den Rechtsabbieger gültigen Lichtzeichen die Fahrtrichtung vorschreiben
- Wenn für das Rechtsabbiegen mehrere markierte Fahrstreifen zur Verfügung stehen
- Wenn beim Rechtsabbiegen Gleise von Schienenfahrzeugen gekreuzt oder befahren werden müssen
- Wenn der freigegebene Fahrradverkehr auf dem zu kreuzenden Radweg für beide Richtungen zugelassen ist oder der Fahrradverkehr trotz Verbotes in der Gegenrichtung in erheblichem Umfang stattfindet und durch geeignete Maßnahmen nicht ausreichend eingeschränkt werden kann
- Bei abgesetzten Radfahrerüberfahrten
- Wenn beim Rechtsabbiegen bei Rot eine vorgezogene Haltelinie (Bikebox) für geradeaus fahrende bzw. links abbiegende Radfahrer überfahren werden muss
- Wenn die Verkehrslichtsignalanlage überwiegend der Schulwegsicherung dient
- Wenn Kreuzungen oder Einmündungen häufig von Blinden oder Sehbehinderten überquert werden und nicht mit akustischen oder anderen geeigneten Zusatzeinrichtungen ausgestattet sind
- Wenn die erlaubte Höchstgeschwindigkeit größer als 50 km/h ist
Abwägungskriterien
- Wenn keine eigene Rechtsabbiegespur vorhanden ist
- Wenn zu erwarten ist, dass viele Fahrspuren und Fahrbeziehungen zur Überforderung der Rechtsabbieger bei Rot führen
- Wenn Kreuzungen und Einmündungen häufig von mobilitätseingeschränkten Personen überquert werden
- Wenn Linienbusse als entgegenkommende Linksabbieger durch die Rechtsabbieger bei Rot mit Grünpfeil behindert werden können
- Wenn in der übergeordneten Fahrtrichtung von rechts regelmäßig Wendefahrten auftreten
- Wenn die Fahrgeschwindigkeit (v85) mehr als 10% über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (max. 50 km/h) liegt