Kategorie Innovation & Technologie - 12. September 2019
Öffi-Remisen als neue Logistikzentren in der Stadt
Wie wird die berüchtigte letzte Meile grün und wie können Lieferwege in der Stadt effizienter gestaltet werden?
Die Prognosen gleichen sich: Der Boom von E-Commerce wird das Paketaufkommen in den nächsten Jahren stetig erhöhen. Expertinnen und Experten rechnen mit einer Verdreifachung der auszuliefernden Pakete bis 2028. Ein wahre Paketlawine, die beteiligte Infrastrukturen immer schwerer unter Druck setzen.
Eine EU-Verordnung zur verpflichtenden Zwei-Faktor-Authentifizierung beim Onlineshopping wird diesen Trend nicht umkehren, allenfalls für ein paar Tage das Aufkommen an Bestellungen und Auslieferungen geringfügig reduzieren – Peanuts!
Es auch nicht nur der private Konsum, der beim regen Onlinehandel zu Buche schlägt, auch ein zunehmender Direktvertrieb von Herstellern oder neue Paketaufkommen im Business-to-Business-Bereich – beispielsweise beim Ersatzteilhandel – sind immer größere Faktoren.
Und auch diese Positionen müssen ausgeliefert werden. Bisher meist per Kleintransportern mit Verbrennungsmotoren, was unter anderem daran liegt, dass die Umschlagsplätze von Online-Händlern und Paketdienstleistern häufig außerhalb des Stadtzentrums liegen und die viel bemühte letzte Meile bis zum Adressaten sich relativ langziehen kann.
Umweltfreundlichere Transportmittel wie E-Autos oder Lastenfahrrädern, teils auch mit Elektroantrieb, sind für solche Distanzen noch nicht ausglegt. Das Forschungsprojekt RemiHub soll dieses Problem kreativ lösen. Die Projektidee ist, bestehende, zentral gelegene Flächen des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) als temporäre, urbane Logistik-Hubs zu nutzen und Bestellungen mit Lastenrädern und zukünftig auch mit E-Transportern oder automatisierten Fahrzeugen des ÖV in der innerstädtischen Zustellung zu betreiben. Das dichte Netz des ÖV der Wiener Linien dient dafür als Pilot- und Testgebiet.
Erforscht werden sollen Anforderungen sowie Konzeption einer multimodalen Abwicklung der Logistikkette an diesen neuen Hubstandorten. Das Projekt wird im Rahmen des Programms Mobilität der Zukunft vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) gefördert.
Leere Remisen mit Potential
„Wer hat viele innerstädtische Flächen, die sich als Logistik-Standort nutzen ließen?“ Mit dieser Frage seien Grundstücke des öffentlichen Verkehrs in den Fokus gerückt, so Projektleiter Roland Hackl von tbw research gegenüber dem Magazin futurezone. Die Idee: Straßenbahn-Remisen und Busgaragen stehen tagsüber großteils leer, weil die Fahrzeuge im Einsatz sind.
Andere Flächen, etwa unter Hochtrassen der U-Bahn, werden überhaupt selten genutzt. Genau diese Flächen weisen aber oft zentrale Lagen auf. Sie könnten Kurier-, Express- und Paketdiensten zeitweise zur Verfügung gestellt werden, um daraus temporäre innerstädtische Logistik-Hubs zu machen.
Pakete, die von Lastwägen in einen solchen Hub angeliefert werden, könnten mit Hilfe von Lastenfahrrädern oder anderen alternativen Transportmitteln zu ihren Adressaten – sowohl Privatpersonen, als auch Unternehmen – gebracht werden. „Auf diese Weise könnte man die letzte Meile kurz halten und sie mit anderen Verkehrsmitteln als einem 3,5 Tonnen schweren Transporter befahren“, sagt Hackl. Die Wiener Linien wurden ebenso für das Projekt gewonnen wie die TU Wien und das Lastenrad-Transportunternehmen Heavy Pedals.
Probleme im Stadtverkehr sind offensichtlich und alltäglich erlebbar. Besonders der innerstädtische Güterverkehr sticht dabei immer wieder negativ heraus. Zum motorisierten Individualverkehr, der ohnehin viel Platz verbraucht, kämen die Autos der Zusteller, die oft in zweiter Spur oder anderen gefährdenden Situationen parken. Dazu kämen nach Auskunft Hackls die oft prekären Arbeitsverhältnisse. Eine Entwicklung neuer Ansätze seiner Meinung nach unabdingbar, wenn Städte Zukunftssicherheit schaffen wollen. „Spätestens, wenn es für motorisierte Fahrzeuge Zufahrtsbeschränkungen zu einzelnen Stadtteilen gibt, braucht man neue Logistikkonzepte“, so Hackl.
Eine weitere Idee, die im Projekt untersucht werden soll: Könnten U-Bahn- und Straßenbahngarnitutren für solche Zwecke direkt genutzt werden? Öffentliche Schienenfahrzeuge für den Gütertransport zu nutzen hätte zusätzliche Vorteile. Einer der wichtigsten: Kein weiterer Platzbedarf und kein zusätzlicher Verkehr in der Stadt.
SERVICE: Alternative Antriebssysteme und neue Mobilitätskonzepte strömen in und durch die Städte. Die Rahmenbedingungen für den Gütertransport im urbanen Umfeld definieren sich gerade neu. Abhilfe gegen verstopfte Innenstädte und sprießende CO2-Emissionen im Stadtverkehr? Wie können Pakete in Ballungsräumen effizient und umweltfreundlich zu den Kundinnen und Kunden transportiert werden? Eine Frage, mit der sich auch das BMVIT sowie die Österreichische Post seit Jahren auseinandersetzen. Kürzlich ging ein vom BMVIT gefördertes Pilotprojekt City Hub Wien der Österreichischen Post den Weg in die Praxis.
Das dreimonatige Pilotprojekt testet die Zustellung mittels E-Lastenrädern über zentral gelegene City Hubs. Gemeint sind damit Standorte in zentraler Lage, wo Pakete gesammelt und von dort aus zugestellt werden. Beim City Hub Wien bringt ein Lkw die Pakete konsolidiert in den City Hub, ein Micro-Verteilzentrum, von wo aus die Zustellerinnen und Zusteller direkt mit den leicht futuristisch anmutenden Dreirädern losstarten können.