Kategorie Innovation & Technologie - 18. Mai 2015

Selbst gebrautes Bier? Selbst gebraute Opiate!

Letzten November dachte sich Edward You, Special Agent des FBI, eine besondere Aufgabe für einen besonderen Wettbewerb aus. Ausgeschrieben wird der von der International Genetically Engineered Machine Foundation. Es geht darum, mit den Mitteln der synthetischen Biologie völlig neue Lebensformen zu entwickeln, tausende Studenten aus aller Welt nehmen jedes Jahr daran teil. Für sie ersann You Folgendes: Schlichte Bierhefe – Saccharomycescerevisiae – sollte so umgebaut werden, dass sie aus schlichtem Zucker – Glucose – Opiate produziert.

Vielleicht hatte der Special Agent eine besonders blühende Fantasie, vielleicht hatte das FBI auch ein wachsames Auge auf Labors und die einschlägige Fachliteratur: 14Tage nach Ausschreibung des Wettbewerbs erhielt der Politikwissenschaftler Kenneth Oye (MIT), einer der führenden US-Spezialisten für Technologiepolitik, Post von John Dueber, einem Bioingenieur in Berkeley. Er habe gerade in seinem Labor eine opiatproduzierende Hefe gebaut, stehe kurz vor der Publikation und erbitte Rat, wie er den Nutzen der Erfindung mehren und möglichen Schaden abwenden könne.

Nun ist die Publikation da (Nature Chemical Biology 18.5.). Sie zeigt, wie nahe die synthetische Biologie dem Traum der Alchemie gekommen ist, irgendetwas in etwas beliebiges anderes zu verwandeln, diesfalls Zucker in Opiate – Morphium, Kodein –, aber nicht nur in sie, sondern in eine breite Palette von anderen Alkaloiden, aus denen etwa Antibiotika oder Medikamente zur Muskelentspannung hergestellt werden.

Opiate aus Zucker machen kann eine Pflanze, der Schlafmohn: Er braucht dafür 15 Schritte und sieben Enzyme. Die organischen Chemiker haben zwar auch schon Totalsynthesen von Opiat aus einfachen Verbindungen entwickelt, sie sind aber aufwendig und teuer. Die synthetische Biologie geht es anders an: mit Maßschneidern von Stoffwechselvorgängen, „metabolic engineering“. Sie hat das bei den Opiaten schon mit dem Bakterium E. coli und eben der Hefe S.cerevisiae versucht, hat Fremdgene aus Mohn, Zuckerrübe und Bodenbakterien eingebaut.

Gelungen ist in beiden, Coli und Hefe, je ein Teil der Synthese, aber das ganze Werk blieb auf die beiden verteilt – das machte eine industrielle Nutzung schwer, und es blieb eine Lücke. Die hat Dueber bei der Hefe geschlossen. Sie kann nun alles, was der Mohn kann. Vor allem kann sie, ganz am Anfang der Synthese, die Aminosäure L-Tyrosin in L-Dopa umwandeln. Dazu braucht es ein Enzym, die Tyrosin-Hydroxylase: Dueber hat eine gefunden, die in Hefe funktioniert, und durch Mutationen in ihrer Aktivität verstärkt.

„Frage von Jahren, nicht Jahrzehnten“

„Im Prinzip könnte jeder, der Zugang zu dieser Hefe und Basiswissen über das Fermentieren hat, mit einem Heimgerät zum Bierbrauen Morphium produzieren“, erklärt Oye, und er rechnet vor, dass ein bis zwei Milliliter der entstehenden Flüssigkeit genug wären für eine tägliche Dosis (Nature, 521, S.281).

Aber er lobt auch Dueber dafür, dass er bei Zeiten Alarm geschlagen hat: Noch ist es nicht so weit, die Hefe in Duebers Labor arbeitet mit geringer Effizienz – aber nicht mehr lange. Dueber rechnet mit Optimierung „nicht in Jahrzehnten, sondern in Jahren“. Was könnte man bis dahin tun, um ein Umstellen der Drogenindustrie vom Mohnanbau auf das Brauereiwesen zu verhindern? Bisher sind bei der industriellen Verarbeitung von Mohn zu Medikamenten die Fabriken abgeschottet. Australien hat eine Zusatzsicherung, man arbeitet dort mit Mohn, der viel Thebain enthält, das ist giftig und schwer in Morphium zu verwandeln.

Ähnliches kann sich auch Oye vorstellen. Er legt eine Liste mit Empfehlungen vor, natürlich legistischen, aber an denen wird die Drogenindustrie schon vorbei finden. Also bleiben technische Maßnahmen – man könnte Hefe so bauen, dass sie Thebain produziert –, oder auch „biocontainment“: Man könnte die Hefe so bauen, dass sie besonderes Futter braucht, oder so schwächen, dass sie schwer zu kultivieren ist. Zudem müsste man Vorsorge dafür treffen, dass die Hefe nicht auch in irgendwelchen Waschküchen gebaut wird: Für Gene und Genbestandteile gibt es einen Fachhandel. Der müsste bei Bestellungen die Augen offen halten, so wie er es heute schon tut, wenn jemand Pathogene ordert.