Kategorie Innovation & Technologie - 26. Februar 2017

Kuh-Ortung und Gesundheitskontrolle in Echtzeit

Von einem Acht-Stunden-Arbeitstag und freien Wochenenden können Bäuerinnen und Bauern nur träumen. Sie wissen, was ein echter Fulltime-Job ist. Die Tiere wollen gefüttert und umsorgt, der Stall muss sauber gehalten werden oder es gilt sich um Wald, Wiesen und Weiden zu kümmern. Der Arbeitstag endet eigentlich nie, man denke zum Beispiel an die Geburt von Kälbern: Das Neugeborene sucht sich aus, wann es auf die Welt kommt. Bäuerin und Bauer müssen, wenn es soweit ist, so schnell wie möglich zur Stelle sein.

Die Landwirtinnen und Landwirte leben für ihre Tiere und können wohl sogar fühlen, wie es um ihr Befinden steht. Dafür musste man bis vor einiger Zeit aber in deren Nähe sein, im Stall oder auf der Weide, und das kostet viel Zeit. Doch es geht heute auch schon mit smarter Technologie. Der Ohrmarke „Smartbow“ sei Dank. Die vom oberösterreichischen Start-up Smartbow GmbH (ehemals MKW Electronics) entwickelte Technologie bringt das Befinden und den Aufenthaltsort der Kühe auf PC oder Smartphone. So lassen sich die Tiere und ihr Verhalten auch aus dem Wohnzimmer verfolgen und überwachen – in Echtzeit.

Was die smarte Ohrmarke alles kann

Ist das System erst einmal installiert (jedes Tier bekommt eine spezielle Ohrmarke, dazu braucht es Empfänger im Stall oder auf den Weiden, einen Server und die passende Software auf den Endgeräten), können unterschiedliche Daten zu den eigenen Kühen abgefragt werden. Kuh-Ortung in Echtzeit, sichere Brunsterkennung oder Wiederkäu- und Gesundheitsüberwachung.

Das System hinter der smarten Ohrmarke © Smartbow GmbH

Das System hinter der smarten Ohrmarke © Smartbow GmbH

Begonnen hat alles mit der weißen Ohrmarke (siehe Grafik oberhalb), die seit 2014 auf dem Markt ist. Mittlerweile bringt man aber bereits die zweite Generation der smarten Ohrmarke in die Startlöcher. Die Vorteil der nun gelben Marke: Sie soll gleichzeitig als Lebensnummer-Ohrmarke verwendet werden. Durch das geringe Gewicht von 20 Gramm kann sie bereits am Tag der Geburt angebracht werden und es ist nur noch eine Ohrmarke pro Kuh und Ohr notwendig ist.

Ebenfalls wird die Landwirtin oder der Landwirt durch eine blinkende LED-Leuchte auf der gelben Ohrmarke darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Tier etwas gemacht werden muss. Die neue Ohrmarke dient außerdem als Schlüssel für die Tiere. Zugangsberechtigungen für Melkstand oder Fütterung können so einfach vergeben werden. Die zweite Generation soll Ende des Jahres auf den Markt kommen.

 

Aber: Wie funktioniert das System? Die Werte liefern die Ohren. Wenn man sich Rinder anschaut, egal ob sie gerade liegen, gehen oder fressen, die Aktivität der Ohren ist immer unterschiedlich. Diese Aktivität tastet die intelligente Ohrmarke ab. Die gewonnen Daten werden ausgewertet und liefern Bäuerin und Bauer wichtige Informationen.

Ist ein Tier zum Beispiel wenig unterwegs, frisst wenig und bewegt sich ungewöhnlich selten, deutet das auf eine Verletzung oder eine Erkrankung hin. Gerade die Erkennnung von Krankheiten ist besonders wichtig, denn es gilt die Ausbreitung der Krankheit auf andere Tiere mit aller Kraft zu verhindern. Generell ist auch das Wiederkäuverhalten einer Kuh ein wichtiger Indikator für die Tiergesundheit. Zeigen sich grobe Änderungen, sendet das System einen Alarm und Bäuerin oder Bauer können sofort reagieren. Durch die punktgenaue Ortung kann das Tier zudem besonders schnell lokalisiert werden. Das ist in großen Betrieben besonders wichtig.

Allerdings lassen sich auch positive Dinge, wie die Paarungsbereitschaft der Kühe, an den Bewegungen der Ohren ablesen. Während der sogenannten Brunst öffnet sich ein kleines Zeitfenster für die Besamung. Wenn ein Tier auf Partnersuche ist, dann ist es besonders aktiv, frisst aber wenig und demnach nimmt auch die Zeit des Wiederkäuens rasant ab – die ganze Konzentration gilt der Fortpflanzung. Ein erfahrener Stier würde die Zeichen der Zeit sofort erkennen, aber in Zeiten der künstlichen Besamung weist die smarte Ohrmarke den Menschen auf den perfekten Zeitpunkt hin.

Österreichische Ohrmarke erobert die Welt

Die Ohrmarken, entwickelt und produziert im oberösterreichischen Ort Weibern und über die FFG (Forschungsförderungsgesellschaft) vom bmvit gefördert, kommen gut an und erobern mittlerweile die ganze Welt. Rund 30.000 Tiere sind bereits mit dem System ausgestattet worden, auf fünf Kontinenten. Zuletzt gab das Unternehmen die Vertriebspartnerschaft mit dem US-Agrar-Multi Zoetis bekannt – fünf Millionen Euro Expansionsfinazierung inklusive.

Das Ende der Fahnenstange sei aber noch lange nicht erreicht, heißt es. Generell möchte man in Zukunft nicht nur Kühe mit den Ohrmarken versorgen. Jedes Tier, das Ohren hat, könnte in Zukunft mit einer speziellen Ohrmarke ausgestattet und damit durchleuchtbar gemacht werden. Ein Fulltime-Job wird die Landwirtschaft trotzdem bleiben, aber die eigenen Tiere können nun nicht nur direkt im Stall oder auf der Weide, sondern im Grunde von der ganzen Welt aus überwacht werden.

INFObox: Die Entwicklung der smarten Rinder-Ohrmarke „Smartbow“ wurde über die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) gefördert.