Kategorie Innovation & Technologie - 29. Juli 2020

Solar Orbiter schickt spektakuläre Bilder der Sonne

Das Raumschiff „Solar Orbiter“ hat kein halbes Jahr nach seinem Start erste Bilder von der Sonne geschickt. Obwohl dies nur die ersten Aufnahmen seien, könne man bereits interessante neue Phänomene sehen, hob Daniel Müller, Projektwissenschafter der europäischen Raumfahrtorganisation ESA, bei der Präsentation der Bilder hervor. So zeigten sie in der Sonnenatmosphäre Strukturen, die sich als sehr kleine Strahlungsausbrüche (Nano-Flares) deuten lassen. Die ESA sprach von „Lagerfeuern“ auf der Sonne.

Neuentdeckung Campfires: „Lagerfeuer“ genannte Eruptionen um die Sonne. © Solar Orbiter/EUI Team/ESA & NASA

Im besonders kurzwelligen UV-Licht finden sich in den EUI-Aufnahmen kleine, helle Flecken mit kaum mehr als 700 Kilometern Durchmesser. Wissenschafter halten es laut MPS für möglich, dass es sich um sogenannte Nano-Flares handelt – deutlich kleinere Versionen der gewaltigen Sonnen-Strahlungsausbrüche, die weit ins All reichen und sich bis zur Erde auswirken können.

„Die größeren dieser Mini-Ausbrüche kennen wir bereits aus den Aufnahmen anderer Raumsonden; die vielen, vielen kleineren sehen wir jetzt zum ersten Mal“, erläuterte Udo Schühle vom MPS. Völlig überraschend war demnach, wie häufig dieses Phänomen auftritt. „Die Korona ist offenbar voll von solchen Mini-Ausbrüchen“, erklärte Schühle.

Gerade deshalb könnten Nano-Flares eine Erklärung bieten für die rätselhaft hohen Temperaturen in der Sonnenkorona. Mit einer Million Grad liegen diese 200-fach über den Temperaturen der darunterliegenden Photosphäre. Um zu verstehen, wodurch die Nano-Flares entstehen und wie sie die Korona mit Energie versorgen, ist dem MPS zufolge ein Blick in tieferliegende Schichten nötig.

Ambitionierteste Sonnenmission

Der „Solar Orbiter“ gilt als bisher ambitionierteste Sonnenmission der ESA. Die aktuellen Aufnahmen der Sonde entstanden laut MPS in den Tagen vor und nach dem 15. Juni, als die Raumsonde den sonnennächsten Punkt ihrer derzeitigen Umlaufbahn erreichte. Nur 77 Millionen Kilometer trennten die Sonde von unserem Zentralstern.

Einzigartig sei auch, dass bisher keine Mission Bilder von der Sonne aus einer derart geringen Entfernung aufnehmen konnte. Nur 77 Millionen Kilometer, quasi der halbe Weg zwischen Erde und Sonne, war der vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt gesteuerte Orbiter bei den Aufnahmen von unserem Heimatstern entfernt.

Die Sonne stößt ohne Unterlass einen Strom geladener Teilchen in alle Richtungen aus. Die Raumsonde Solar Orbiter soll untersuchen, wie dieser Sonnenwind entsteht und wie er die Umgebung der Sonne beeinflusst. © ESA

Die Raumsonde „Solar Orbiter“ war im Februar vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida gestartet. Der Orbiter der ESA und der amerikanischen Raumfahrtagentur NASA soll auf seiner rund 1,5 Milliarden Euro teuren Mission neue Erkenntnisse zu unserem Heimatstern ermöglichen. Mit jedem Umlauf kommt die Sonde dem Zentralgestirn näher und soll Anfang 2022 in einem Abstand von 48 Millionen Kilometer mit dem eigentlichen wissenschaftlichen Programm beginnen. Sie soll sich der Sonne noch bis auf 42 Millionen Kilometer nähern.

Die magnetischen Felder der Sonne. © Solar Orbiter/EUI Team/ESA & NASA

Österreich beteiligte sich an drei der zehn Instrumente an Bord sowie an der Sonde selbst. So leitete die Universität Graz die wissenschaftliche Softwareentwicklung des Röntgenteleskop STIX an Bord des „Solar Orbiter„, das Einblicke in die Beschleunigung hochenergetischer Teilchen in Sonneneruptionen liefern möchte. In der Testphase hat das Gerät bereits mehr als 60 sehr kleine Sonneneruptionen beobachtet: „Das ist besonders spannend, weil die Sonnenaktivität gerade sehr gering ist und kein einziger Sonnenfleck zu sehen ist“, erklärte Astrid Veronig, Sonnenphysikerin am Institut für Physik der Uni Graz. Durch den Vergleich der Mikro-Eruptionen mit normal großen Ausbrüchen erwartet man sich u.a. neue Erkenntnisse über die Aufheizung des äußeren Strahlenkranzes.

Das Institut für Weltraumforschung Graz (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) entwickelte den Bordcomputer für das Radio- und Plasmawellen-Instrument (RPW) und kalibrierte dessen Antennen. Es soll die magnetischen und elektrischen Felder in hoher zeitlicher Auflösung messen und mithilfe mehrerer Sensoren und Antennen die elektromagnetischen und elektrostatischen Wellen im Sonnenwind charakterisieren. „Das Gerät ist einzigartig unter den Instrumenten von Solar Orbiter, da es einerseits die Plasmawellen in der Umgebung der Sonne misst, aber auch den Ort der Entstehung auf der Sonne bestimmen kann“, erläuterte IWF-Gruppenleiter Manfred Steller. Darüber hinaus hat das IWF beim Magnetometer (MAG) mitgewirkt, das Messungen des Sonnenmagnetfeldes macht. Im Fokus stehen Fragen zum stabileren Magnetfeld und zu den magnetischen Wellen und zu den Auswirkungen von Schwankungen auf das Sonnensystem.

Die Sonde wird erstmals auch die Pole des Sterns überfliegen und damit die weniger bekannten Regionen der Sonne von oben erforschen: „Sie sind zentral für die Beschaffenheit des Magnetfeldes – und dieses wiederum beeinflusst die gesamte Sonnenaktivität“, erklärte Veronig. Der Sonnenwind, plötzliche Strahlungsausbrüche, Auswürfe von Materie oder die Beschleunigung von hochenergetischen Teilchen können auf der Erde großen Schaden anrichten – von falschen Satellitensignalen bis zu weiträumigen Stromausfällen.

Um vor den hohen Temperaturen von mehreren Hundert Grad geschützt zu sein, verfügt die Raumsonde über ein Hitzeschild aus Titan. Für die Thermalisolation des Satelliten ist die Wiener Weltraumfirma RUAG Space zuständig.

Der Sonne entgegen: Europas »Solar Orbiter« macht sich auf den Weg

INFObox: Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ist zugleich auch Weltraumministerium und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben.